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»Aber das ist doch wunderbar!« Ihre Worte schockierten ihn zwar, aber dennoch überlief Anvar eine heftige, überwältigende Welle von Stolz.

Mit wilden Blicken drehte sich Sara zu ihm herum. »Wunderbar?« schrie sie. »Was ist daran wunderbar, du Idiot? Was wird Vater sagen? Das ist alles deine Schuld!« Tränen rannen ihr die Wangen herunter. »Was soll ich bloß machen?«

Anvar führte sie das grasbewachsene Ufer zum Fluß hinunter, ließ sie sich vorsichtig setzen und legte den Arm um sie! »Mach dir keine Sorgen, Sara«, sagte er. »Ich werde mit deinem Vater sprechen. Ich verspreche dir, es wird alles gut werden. Es wird ein wenig Geschrei bei dir und bei mir zu Hause geben. Es wird gesagt werden, daß wir etwas vorsichtiger hätten sein können und daß die Leute über uns reden würden. Aber das wird alles vorübergehen. Unsere Familien wissen, wie die Dinge zwischen uns stehen, und sie haben es immer gebilligt. Wir werden unsere Zukunftspläne eben etwas vorverlegen müssen, das ist alles.«

»Aber ich wollte noch nicht heiraten! Ich hatte gehofft, daß … Ich meine, ich – ich habe noch nicht gelebt!«

Saras Worte verletzten ihn tief. Anvar starrte sie an; ihm wurde plötzlich sehr kalt. »Aber ich habe gedacht, du wolltest mich heiraten«, sagte er. Er holte tief Luft. »Sara, hast du deine Meinung geändert?« In ihren Augen sah er ein kurzes Aufflackern von Panik.

»Nein!« sagte sie schnell. »Nein – sieh mal, Anvar, es tut mir leid. Ich habe es nicht so gemeint. Ich bin einfach völlig aufgelöst, das ist alles. Und ich habe Angst.« Sie sah aus ihren großen violetten Augen zu ihm auf. »Anvar, bitte. Ich – ich brauche dich.«

Als sie sich in dieser Nacht liebten, war Sara von einer fast verzweifelten Wildheit. Wieder und wieder verlangte sie nach ihm, als wolle sie mit dem Akt körperlicher Liebe ihre Befürchtungen auslöschen. Anvar hatte nichts dagegen einzuwenden. Er glaubte, sie zu verstehen, und außerdem machte die Tatsache, daß seine Liebste jetzt ein Kind von ihm unter dem Herzen trug, sie um so kostbarer für ihn.

Als er am nächsten Morgen kalt und steif und durchfeuchtet vom Tau aufwachte, war es schon spät, und im grellen Licht des Tages begann er sich nun ebenfalls zu sorgen, was ihre Familien wohl sagen würden. »Weißt du«, sagte er zu Sara, »warum kommst du nicht jetzt gleich mit mir, damit wir mit meiner Mutter sprechen können. Es ist am besten, wenn wir ihr die Neuigkeit als erster mitteilen.«

Sara biß sich auf die Lippen. »Muß ich das? Kannst du es ihr nicht erzählen?«

»Nein.« Anvar drückte ihr fest die Hand. »Wir müssen es ja früher oder später doch tun. Komm mit – ich bin schon spät dran, und Mutter wird den Laden allein aufmachen müssen. Sie schafft es nie, den verdammten Ofen anzustecken.« Er machte sich – mit einer widerwilligen Sara im Schlepptau – eilig auf den Weg.

Als sie die Arkaden erreichten, hatte sich bereits eine Menge ungeduldiger Kinder vor ihrem Laden versammelt, und Anvar und Sara mußten sich mit der Schulter ihren Weg zur Ladentür bahnen. Als sie eintraten, sah Anvar Ria inmitten eines wüsten Haufens von Holzspänen und Zunder sitzen; wie gewöhnlich hatte sie ihre liebe Not damit, das Feuer im Ofen zu entzünden.

Was als nächstes geschah, grub sich für immer in Anvars Gedächtnis ein, um ihn wieder und wieder in seinen schlimmsten Alpträumen heimzusuchen. Als sie durch die Ladentür kamen, nahm seine Mutter gerade die Öllampe vom Regal und schüttete sie über dem Brennholz aus. »Nein!« schrie er, aber es war zu spät. Ria schlug einen Funken, und der Ofen explodierte in einer einzigen Stichflamme. Eine Feuerwand schloß Ria ein, ihr Haar und ihre Kleider brannten lichterloh.

Bis zum Ende seiner Tage hatte Anvar nicht die geringste Vorstellung, wie es zu dem kam, was dann folgte. Er konnte sich nachher lediglich erinnern, mit einer übermenschlichen Stimme ›Halt!‹ gebrüllt zu haben. Eine gewaltige Welle von Kraft kam aus dem Nichts und preßte ihn flach an die Wand; die Flammen erloschen. Augenblicklich. Vollständig. Anvar brach kraftlos und benommen zusammen. Er wandte seine Augen von dem geschwärzten, rauchenden Etwas ab, das einmal seine Mutter gewesen war, und blickte zu Sara hinüber, die ihn mit schreckgeweiteten Augen anstarrte, den Mund zu einem stummen Schrei geöffnet.

Irgend jemand holte den Bäcker. Anvar erinnerte sich blaß, daß sich die Hände seines Vaters um seine Kehle legten und daß Torls Stimme unentwegt schrie: »Du warst es! Du hast sie umgebracht!«

Immer noch unter Schock und krank vor Schuldgefühl rührte Anvar keinen Finger, um sich zu verteidigen. Vier Männer waren nötig, um den Bäcker von ihm wegzureißen. Selbst als Torl sich beruhigt hatte und man ihm genau erzählte, was geschehen war, sah er seinen Sohn mit kaltem Haß an. Vor dem Laden sammelte sich eine Menschenmenge. Jemand bot sich an, die weinende Sara zu ihrer Familie zurückzubringen, und der Käsehändler aus dem Nachbarladen brachte Anvar und seinen Vater nach Hause. Rias in Decken eingewickelte Leiche folgte auf einer anderen Karre. Ein freundlicher Nachbar brachte Anvar zu Bett und verabreichte ihm einen Trank, der ihn schlafen ließ.

Er wurde durch Stimmen geweckt. »Ich habe euren Bastard lange genug beherbergt«, sagte Torl mit haßerfüllter Stimme. »Es war die einzige Chance, eine Frau wie Ria dazu zu bringen, mit mir vorliebzunehmen. Sie hat nie verraten, wer der Vater war – ich dachte immer, es müsse sich um irgendeinen Kaufmann handeln, dem es nicht gut genug war, sie zu heiraten, nachdem ihre Familie ihr ganzes Vermögen verloren hatte. Aber so, wie Anvar dieses Feuer ausgelöscht hat – und ein Dutzend Zeugen werden mein Wort bestätigen –, ist es offenkundig, daß sein Vater einer von deinem Volk sein muß, Herr.«

»Tatsächlich?« Die andere Stimme war schroff und hart. »Das ist eine schwere Beschuldigung, Bäcker. Du weißt, daß Paarungen zwischen Sterblichen und Magusch von beiden nicht geduldet werden.«

»Ich weiß, Herr. Aber ich glaube, daß Ria aus diesem Grund verstoßen wurde, als sie ein Kind erwartete. Und was Anvar heute getan hat, ist der Beweis – also bist du jetzt dafür verantwortlich. Mir ist es gleichgültig, was du mit ihm machst, solange du ihn nur hier fortschaffst. Ich will nicht, daß er mir jemals wieder unter die Augen kommt!«

Es gab eine lange Pause, dann sprach wieder der andere. »Also gut – unter der Bedingung, daß du die ganze Angelegenheit verleugnest. Wenn es einen Fehltritt von einem der Maguschleute gegeben hat, dann will ich nicht, daß sich das herumspricht. Wirst du eine Urkunde unterzeichnen, die ihn für den Rest seines Lebens in meinen Dienst verpflichtet?«

»Ich werde alles unterschreiben, wenn ich ihn dadurch loswerde.«

»Dann werde ich ihn jetzt mitnehmen.« Eine Hand schüttelte roh an Anvars Schulter, und unversehens starrte er in das zerfurchte Adlerantlitz des Erzmagusch.

»Steh auf, Junge«, bellte er. »Komm mit!«

»Ein bißchen Bewegung, Schwachkopf!« In seiner Wut riß Miathan an dem Tau, an dem er seinen neuen Sklaven an den Handgelenken hinter sich herzog, und trieb sein Pferd zu schnellerer Gangart an. Mit einem Aufschrei fiel der junge Mann zu Boden und schürfte sich die zerschundenen Hände und Knie weiter auf – es war nicht sein erster Sturz auf diesem grausamen Gang durch die verlassenen Straßen der Stadt. Der Erzmagusch war schon ein Stück geritten, bevor ihm auffiel, daß der Junge diesmal nicht mehr aufstehen konnte und wie ein Sack Bohnen hinter ihm herschleifte.

Mit einem Fluch zügelte Miathan sein Pferd. Es brauchte nur eine von den lästigen Wachen vorbeizukommen, die sich in alles einzumischen pflegten, und schon wäre er der Mittelpunkt weit größerer Aufmerksamkeit, als ihm lieb sein konnte. Er stieg vom Pferd und dankte der Vorsehung, daß es schon so spät war und sich kaum noch jemand draußen herumtrieb. Anvar lag in der Gosse – wo er hingehörte, dachte der Erzmagusch gehässig – und schluchzte leise. »Hoch mit dir!« Miathan reagierte seine Wut mit einem brutalen Tritt ab, aber sein Opfer wimmerte nur und bewegte sich nicht. »Große Götter – das hat mir gerade noch gefehlt!« murmelte Miathan. Mit der magisch verstärkten Kraft seines Ärgers hob er Anvar auf und warf ihn grob über seinen Sattel. Er vermied es, das Gesicht des Jungen, das dem von Ria so ähnlich war, anzusehen. Sie ist jetzt tot, sagte er sich. Endlich tot.