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Anvar sah, wie sich die zwei Männer anblickten und die Achseln zuckten, dann wurde er von Forral höchstpersönlich in einen behaglichen Raum mit einem hellen, warmen Feuer halb getragen und halb gestützt.

»Leg ihn auf die Couch!«

Anvar fragte sich, wer sie war, daß sie dem Garnisonskommandanten befehlen konnte. Als Gefangener in der Küche der Akademie war er niemals mit den Magusch in Berührung gekommen.

»Aurian, er ist doch völlig verdreckt«, protestierte Forral.

Dies war also die Lady Aurian, die als Liebling des Erzmagusch galt! Anvar wurde schlecht vor Angst. Als man ihn vor den Kommandanten gebracht hatte, hatte er gehofft, seinen Fall darlegen zu können. Aber jetzt war er wieder in den Händen der Magusch, und wer konnte schon wissen, welche Strafe der Erzmagusch diesmal für ihn bereithielt?

Die Magusch breitete eine Decke auf der Couch aus und half ihm, sich hinzusetzen. Dabei legte sie ihren Arm um seine Schultern – genau dahin, wo Janok ihn mit dem Besen geschlagen hatte. Er schrie vor Schmerz auf. Mit einer einzigen schnellen Bewegung hatte sie ihm die Reste seines zerfetzten Hemdes heruntergerissen. Anvar hörte ein Würgen, bevor sie anfing, furchtbar zu fluchen. »Wer hat das getan?« knurrte sie und drehte ihn herum, so daß er sie ansehen mußte. Anvar konnte ihren Ärger spüren, der ihm wie eine schwere Masse entgegenschlug. Sie schien noch größer zu werden, und ihre grünen Augen zeigten ein eisiggraues Funkeln. Mit einem plötzlichen Angstschauder begriff er, daß sie nicht umsonst vom Erzmagusch gehätschelt wurde. Er begann zu zittern.

»Laß gut sein, Liebes. Er ist verängstigt. Mach dir keine Sorgen, Junge. Sie ist nicht böse mit dir.«

Forrals freundliches Stimme machte Anvar Mut. »Es war Janok«, flüsterte er.

»Dieser Bastard!« Aurian explodierte, sprang auf und ließ ihre Faust mit solcher – magisch verstärkter – Gewalt auf den hohen marmornen Kaminsims niedersausen, daß mit einem Lichtblitz eine Ecke des dicken Steines abbrach. Anvar war starr vor Furcht, aber Forral seufzte nur.

»Aurian«, sagte er vorsichtig mahnend. Schuldbewußt las die Magusch das abgebrochene Stück auf und setzte es wieder an seinen Platz.

»Entschuldige, Forral.« Sie strich mit der Hand darüber, und die Steine verschmolzen, ohne eine Spur des Bruches zu hinterlassen. Sie schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht glauben, daß das in der Akademie geschehen konnte«, sagte sie. »Warten wir, bis Miathan kommt! In der Zwischenzeit« – bei diesen Worten drehte sie sich zu Anvar um – »werde ich sehen, was ich tun kann, um dieser armen Seele zu helfen.«

»Nein, Aurian!« Forrals Stimme klang beschwörend.

»Warum denn nicht?« Aurian klang erstaunt. »Ich habe genug von Meiriel gelernt, um ihn heilen zu können …«

»Es ist nicht deswegen«, sagte Forral. »Er ist entflohen, und …«

»Das spielt keine Rolle!« wandte Aurian ärgerlich ein.

»Hör doch, Liebes. Ich weiß, daß es hart ist, aber Miathan hat das Recht, ihn zu bestrafen. Wenn er sieht, was man ihm angetan hat, dann kommt der arme Junge bestimmt leichter davon. Außerdem sollte der Erzmagusch erfahren, was in seinem Hause vorgeht.« Forrals Stimme klang ernst. »Das muß ein Ende finden.«

Sara stürmte in ihr Schlafzimmer und schlug mit der ganzen Kraft ihres Zornes die Tür zu. Der Schlag hätte ein einfacheres Haus bis in die Grundfesten erschüttert, aber nicht dieses hier. Vannors Wohnhaus war von meisterlichen Handwerkern aus den besten Materialien, die man für Gold kaufen konnte, erbaut worden. Obwohl sie das ganze Gewicht ihres Körpers einsetzte, schwang das schwere Türblatt aus Eichenholz in seinen geölten und ausbalancierten Angeln nur schwerfällig zu und fiel mit einem fast unhörbaren Klick ins Schloß. So seiner Wirkung beraubt, steigerte sich Saras Zorn nur um so mehr. Unter unflätigen Verwünschungen, wie sie einem Fischweib vom Hafen Ehre gemacht hätten, griff sie nach dem nächsten besten Gegenstand – einer weißen Porzellanvase mit Hyazinthen und Winterrosen – und schmetterte ihn gegen die Tür, die es gewagt hatte, ihrem Ärger zu trotzen.

Sie stöhnte auf; ihr Zorn wurde einen Augenblick lang überwältigt von dem Schrecken über die Verwüstung, die sie angerichtet hatte – die zerschmetterte Vase, eine Kerbe in der seidenglatten Vertäfelung der Tür, die abgebrochenen, verstreut umherliegenden Blüten und die Wasserlache, die sich auf den edlen Farben des dicken Teppichs ausbreiteten. Dann strafften sich ihre Schultern bockig. Dann war der Teppich eben ruiniert – na und? Dies alles hier gehörte ihr genausogut wie Vannor, und sie konnte damit machen, was sie wollte. Es geschähe ihm ganz recht, wenn sie ein kostbares Haus eigenhändig in Stücke schlug!

Aufs neue loderte der Zorn in ihr auf und ließ Sara ruhelos im Zimmer umherlaufen, ohne auf die Porzellansplitter und Blumen zu achten, die sie immer tiefer in den weichen Flaum des Teppichs trat. Wie hatte Vannor es wagen können, ihr Grobheit vorzuwerfen, sie zur Rede zu stellen, weil sie diesen ungehobelten Tölpel von einem Soldaten und diese wilde Vogelscheuche von einer Magusch brüsk hatte stehenlassen? Wie hatte er es wagen können, ihr so eine Standpauke zu halten – und zwar vor seinen vermaledeiten, grinsenden Kindern?

Aber der Gedanke an ihren Mann nahm Saras Aufsässigkeit etwas von ihrer Schärfe. Dies war ihr erster richtiger Streit gewesen. Während all der Monate, die sie jetzt verheiratet waren, hatte Vannor nie die Stimme gegen sie erhoben. Sie begriff plötzlich, wie dumm sie heute gewesen war – zu sorglos und zu siegessicher; zu sicher, daß sie Macht über ihn hatte. Sie würde sich wieder mit ihm vertragen müssen, und das so bald wie möglich. Er war ihre Sicherheit – ihr wunderbarer, neu erlangter Reichtum und Luxus – ihr Schutz gegen ihren Vater und das, was er ihr angetan hatte, gegen die Verwahrlosung und Armut und endlose, brutale Plackerei; gegen den Skandal, von einem stinkenden Wrack von einem Sklaven schwanger gewesen zu sein, der nicht besser war als ein Tier …

Während die Vision von Anvar vor ihrem geistigen Auge entstand, begann Sara zu zittern. Der Schock, ihn nach so langer Zeit so unerwartet wiederzusehen, der Schrecken, von ihm beim Namen genannt zu werden, hatten sie völlig um den Verstand gebracht. Sie hatte nur noch einen Gedanken gehabt – zu fliehen, soviel Abstand wie möglich zwischen sich selbst und dieses zerschlagene, schmutzige Lumpenbündel zu bringen, das sie mit Anvars Stimme angesprochen und sie mit diesen strahlend blauen Augen angefleht hatte.

Mit heftig zitternden Händen schloß Sara die zierliche Lackvitrine neben ihrem Bett auf und holte eine Kristallkaraffe hervor, die im winterlichen Licht des Zimmers in regenbogenfarbenen Prismen erstrahlte. Sie war ihr Trost und ihr Geheimnis. Ihre Zofe wurde gut dafür belohnt, dafür zu sorgen, daß die Flasche immer gut gefüllt war – und immer Stillschweigen darüber zu bewahren. In den Nächten, in denen Vannor ihr Bett aufsuchte – es waren die meisten –, schloß sie die Tür, wenn er fertig war und sie wieder verlassen hatte, und verbrachte lange Stunden damit, Wein zu trinken und all ihre Juwelen auf der weißen Bettdecke zu kleinen Bergen aufzuhäufen, die im Kerzenlicht warm funkelten.