Meiriel schien sehr beunruhigt zu sein. Ihr Kiefer arbeitete; ihre Augen blickten unruhig hin und her, als sie sich gesetzt hatte und das angebotene Glas Wein vor ihr stand. Bevor er Zeit hatte, sich wieder zu setzen, war sie schon mit ihrer Neuigkeit herausgeplatzt. »Aurian ist schwanger, Erzmagusch!«
Miathan erstarrte mitten in der Bewegung. Das Zimmer schien sich zu verdunkeln und plötzlich kalt zu werden. »Bist du dir dessen ganz sicher?« flüsterte er.
»Ich bin mir sicher«, sagte Meiriel. »Die Aura einer Magusch ändert sich, wenn sie ein Kind empfangen hat. Ein Heiler kann das sehen, obwohl die Maguschfrauen selbst erst später als die sterblichen Frauen merken, daß sie schwanger sind, weil sie besser gelernt haben, ihren Zyklus zu unterdrücken, dessen Ausbleiben sie sonst warnen würde. Es kann noch nicht viel länger her sein als zwei Monate, und ich glaube nicht, daß Aurian es weiß – sie wird es wohl kaum erwartet haben. Aber bald – schon sehr bald – wird sie es wissen.«
Miathan ließ sich schwer in seinem Sessel fallen. »O ihr Götter« flüsterte er. »Ihr Götter – alles, nur das nicht!«
Die Heilerin, die eigentlich auf einen gewaltigen Wutausbruch gefaßt war, sah ihn verwirrt an und tat dann einen plötzlichen tiefen Seufzer.
»Wie konntest du das nur zulassen!« sprudelte es aus ihr hervor. »Mit einem Sterblichen!«
»Sei still!« fuhr Miathan sie an, ohne zuzuhören. Er mußte zurückdenken an einen Tag vor langer Zeit, als ein blauäugiges sterbliches Mädchen vor ihm geweint hatte, während sie ihm eine ähnliche Nachricht brachte – und dann drängte sich ihm die Erinnerung an einen Tag auf, der noch nicht so lange zurücklag, an den Tag der furchtbaren Verwünschung, die er ersonnen und ausgesprochen hatte … Seine Aurian. Trächtig mit dem monströsen Laich dieses verfluchten Sterblichen – mit einem Monster, das er selbst ebenso miterschaffen hatte wie sie …
»Erzmagusch?« Die Heilerin zog ihn ungeduldig am Ärmel.
»Verflucht, Meiriel, geh endlich – nein warte!« Er nahm ihre Hände in einen eisernen Griff. »Du bist eine Heilerin – kannst du das Kind aus der Welt schaffen? Ohne daß Aurian es merkt?«
»Was?« Meiriel starrte ihn an. »Was sagst du da?«
»Hör zu.« Miathan beugte sich dicht zu ihr herüber. »Du hast doch gesagt, daß Aurian noch nichts von ihrer Schwangerschaft weiß. Wir müssen sie beenden, Meiriel, und für dich als Heilerin müßte das doch eine einfache Sache sein. Wenn Aurian erst davon weiß, wird sie es niemals zulassen, und sie hat die Fähigkeit, dich daran zu hindern. Wir müssen also schnell handeln. Ich werde sie sofort herbestellen und sie mit einem schweren Schlafzauber belegen; dann kannst du dich um das Kind kümmern. Wenn sie wieder wach wird, wird sie völlig ahnungslos sein. Wir können ihr sagen, daß sie plötzlich krank geworden sein – daß sie sich wieder einmal übernommen hätte, und« – der Erzmagusch zuckte mit den Schultern – »die Sache ist erledigt.« Seine Blicke trafen die der Heilerin. »Und danach werde ich mich dieses dreimal verfluchten Schwertfechters annehmen, ein für allemal. So etwas darf nicht wieder vorkommen!«
Die Heilerin starrte ihn mit offenem Mund an. »Aber …« ; jammerte sie, »du solltest doch eigentlich nicht – ich meine, ich …«
»Meiriel!« bellte der Erzmagusch. »Kannst du es, oder kannst du es nicht?«
Mit einiger Anstrengung gewann die Heilerin ihre Fassung zurück. »Ja, ich denke doch«, flüsterte sie unglücklich.
»Ausgezeichnet.« Der Erzmagusch lächelte. »Meine liebe Meiriel, ich bin sehr zufrieden mit dir. Ich werde mich dir erkenntlich zeigen. Bist du sicher, daß niemand sonst Verdacht geschöpft hat? Finbarr? Oder sonst jemand?«
»Als ob ich so etwas Finbarr erzählen würde!« Meiriels Lippen kräuselten sich. »Er würde in dieser Sache nicht auf unserer Seite stehen. Er ist völlig vernarrt in dieses verflixte Mädchen!« Ihre Augen blitzten ärgerlich.
Miathan kniff seine Augen zusammen. Sie war also eifersüchtig auf Aurian? Er merkte sich die Information gut für späteren Gebrauch.
»Sehr gut, sehr gut«, sagte er. »Ich werde jetzt nach ihr schicken.«
»Verdammtes, dummes Ding!« Aurian zog mit aller Kraft an der Bürste, in der sich unlösbar einige wirre Strähnen ihren Haares verfangen hatten. Dann warf sie das Ding ungeduldig weg – mit dem unausbleiblichen Ergebnis. »Au!« Sie schlug mit der Faust auf den Tisch, daß der auf einem Podest stehende Spiegel erzitterte.
»Herrin, laß mich das machen.« Anvar trat neben sie und nahm schnell die Bürste, die an einer verfransten Haarlocke in der Luft baumelte. Er machte sie sorgfältig los, während Aurian sich den Kopf rieb, holte ihr dann ein Glas Wein, nahm aber die Bürste mit, um einem weiteren Temperamentausbruch vorzubeugen. Aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen schien seine Herrin in letzter Zeit furchtbar launisch geworden zu sein.
Aurian nahm einen gewaltigen Schluck Wein und lächelte ihn an. »Danke schön, Anvar. Ich weiß nicht, was ich ohne dich tun würde.« Sie fuhr sich nervös über die Stirn. »Dumm von mir, mich so zu benehmen. Ich weiß gar nicht, was in diesen Tagen mit mir los ist. Du gibst mir besser die Bürste zurück, sonst bin ich zu meiner Verabredung mit Forral bestimmt nicht pünktlich.«
»Soll ich es machen, Herrin?« bot Anvar an. »Ich habe früher meiner Mutter die Haare gebürstet …« Die Erinnerung ließ ihn zusammenzucken. Warum tat es immer noch so weh, an sie zu denken? »Jedenfalls«, fuhr er eilig fort, »sagte sie immer, daß ich es ganz sanft machte.«
»Du solltest es vielleicht einmal versuchen«, meinte Aurian. Sie wirkte überrascht, daß er etwas von seiner Vergangenheit preisgegeben hatte, aber Anvar wußte, daß sie es bereits aufgegeben hatte, ihn danach zu fragen.
Anvar nahm die Bürste und begann Aurian zu frisieren, entwirrte vorsichtig die Strähnen mit seinen Fingern, bevor er sie bürstete. Er genoß das Gefühl des dichten, langen, dicken Haares, das wie schwere Seide durch seine Hände glitt. Bald konnte er es mit langen glatten Bewegungen bürsten und dabei beobachten, wie sich Aurians Schultern zu lockern begannen. »Das ist wunderbar«, seufzte sie. »Du bist der reinste Segen, Anvar. Ich weiß gar nicht, wie das Haar so verfilzen konnte – das passiert normalerweise nicht, wenn ich es geflochten habe. Es muß an Parrics Kavallerietraining liegen. Das ging den ganzen Tag lang rauf aufs Pferd, runter vom Pferd und sogar unter das Pferd – ganz zu schweigen davon, wie oft ich einfach heruntergefallen oder abgeworfen worden bin.«
»Unterscheidet sich der Kampf zu Pferde sehr vom Kampf zu Fuß, Herrin?« fragte Anvar. Sie hatte ihn in letzter Zeit die Anfänge des Schwertfechtens gelehrt, und er war entschlossen, sich auf dem Gebiet hervorzutun.
Aurian nickte. »Es ist etwas ganz anderes«, antwortete sie.
»Zum einen stehst du nicht auf deinen eignen Füßen – du sitzt auf einem großen schweren Ding, das viel unbeweglicher ist, so daß du dich eher auf Kraft als auf Schnelligkeit verlassen mußt. Es gibt verschiedene Kampfstile, je nachdem, ob deine Gegner ebenfalls beritten sind oder zu Fuß. Wenn sie zu Fuß sind, werden sie versuchen, von unten an dich heranzukommen und das Pferd außer Gefecht zu setzen, das schon allein eine sehr wirksame Waffe ist – die Schlachtpferde sind ebenso zum Kampf ausgebildet wie ihre Reiter …« Sie brach mit einem reumütigen Lächeln ab. »Es tut mir leid, Anvar. Ich wollte eigentlich keine Unterrichtsstunde anfangen. Bei Parric habe ich im Moment Pferdekunde bis zum Abwinken.«
Anvar gab das Lächeln an ihr Spiegelbild zurück und freute sich über die Ungezwungenheit, die sich mittlerweile zwischen ihnen eingestellt hatte. »Soll ich dein Haar wieder zu einem Zopf flechten?« fragte er.
»Kannst du das denn auch?« Aurian klang überrascht. »Bei den Göttern, Anvar, kennen deine Fähigkeiten denn gar keine Grenzen?« Sie kicherte. »Ich nehme an, du hast schon begriffen, daß du dir gerade einen neuen Job aufgehalst hast. Mir tun immer die Arme weh von der langwierigen Flechterei!«