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Anvar hämmerte wie rasend gegen Forrals Tür und hätte dem Kommandanten, der schließlich öffnete, fast ins Gesicht geschlagen.

»Anvar, was um alles in der Welt …«

Anvar fiel fast in den Raum hinein und hatte auch kein Auge für Vannor, der am Feuer saß. Er packte Forral am Hemd und stieß atemlos seine Geschichte hervor. Das Ergebnis war unerwartet. Anvar, der Forral als besonnenen, fähigen Berufssoldaten kannte, hatte nicht damit gerechnet, daß alles, was mit Aurian zusammenhing, bei dem Schwertfechter ein wunder Punkt war. Forrals Gesicht wurde vollkommen weiß; jede Vernunft schien aus seinem Blick zu verschwinden. »Miathan!« heulte er mit unmenschlicher Stimme, griff nach seinem Schwert und stürzte aus dem Raum. Vannor und Anvar starrten sich einander entsetzt an; dann liefen sie wie ein Mann hinter dem rasenden Schwertfechter her.

Bis sie Pferde gefunden und sich einen Weg durch die belebten Straßen der Stadt gebahnt hatten, hatte Forral schon einen guten Vorsprung. Das Torhaus am Damm bot einen furchtbaren Anblick: Der Torhüter lag zusammengehauen in einer Blutlache. Im Hof oben war das Blutbad noch schlimmer gewesen, tote Wachleute und Diener überall auf den blutverschmierten Steinplatten. Forrals Schlachtpferd stand an der Tür zum Turm, seine Flanken hoben und senkten sich schwer, es hatte die Ohren zurückgelegt und die Nüstern geweitet. Blutgeruch lag über dem Hof. Anvar und Vannor sprangen von ihren Pferden und schössen die Stufen des Turmes hinauf, nur um an der Schwelle zu Miathans Gemächern wie angewurzelt stehenzubleiben, schreckensstarr angesichts dessen, was sie sahen.

Aurian hatte sich in einem dunklen Traum verloren und kämpfte mit all ihren Kräften gegen etwas Dunkles und Nebelhaftes, etwas Perverses und unaussprechlich Böses, etwas, das versuchte, von ihrer Seele Besitz zu ergreifen. Sie kämpfte verzweifelt, unbewaffnet, in dem Bewußtsein, daß sie langsam schwächer wurde, mit dem Gefühl, daß ihr Wille sie angesichts dieses dunklen Schreckens langsam verließ, dieser Stimme, die sie zu beherrschen versuchte. Dann erreichte sie eine andere Stimme, die Miathans Namen schrie. Forral! Sie klammerte sich an seine Stimme – eine Rettungsleine, die sie herausziehen konnte – hinauf und hinaus …

Aurian öffnete die Augen; sie sah das Lampenlicht in Miathans reich ausgestatteten Gemächern; sie sah Meiriel in einer Ecke kauernd – und sie sah Forral, der blutbespritzt mit seinem noch bluttriefenden Schwert auf den Erzmagusch losging. Miathan zog sich hinter den Tisch zurück und griff nach einem Tuch, unter dem etwas zum Vorschein kam … Ein Kelch aus ziseliertem, poliertem Gold. Mit gefrierender Stimme begann der Erzmagusch, in einer alten, ganz vom Unheil des Bösen durchdrungenen Sprache die Worte eines schrecklichen Zaubers zu intonieren. Aurian spürte ein schmerzhaftes Brummen in ihrem Kopf, als sich die dunkle, widerliche Magie aufbaute und den Raum durchdrang. »Nein, Miathan!« schrie sie und versuchte, sich von der Wirkung der Droge zu befreien und sich von der Couch, auf der sie lag, zu erheben.

Forral ging langsam und unaufhaltsam auf den Erzmagusch zu. Seine Augen brannten, Mord stand ihm ins Gesicht geschrieben. Verzweifelt versuchte Aurian mit einem lautlosen Hilferuf Finbarr zu erreichen, den einzigen Magusch, dem sie noch trauen konnte.

Die Luft verdichtete sich und wurde dunkel. In dem Dämmerlicht begann die Außenseite des Kelches in krankhafter Blässe zu schimmern, als wäre er durchscheinend wie ein verwesender Pilz, während zugleich von der schwarzen, bodenlosen Höhlung seines Inneren ein widerlicher Gestank ausströmte. Die Luft wurde grabeskalt; ein Geruch nach Verwesung und Zersetzung breitete sich aus. In der Tiefe des Kelches begann sich etwas zu regen. Ein Schatten wie eine Schliere von schwarzem, fettigem Rauch ergoß sich über den Rand. Ein einzelnes rotes Auge brannte beständig inmitten der sich drehenden, wirbelnden Dämpfe, während sich das Gespenst ausdehnte und Gestalt annahm. Forral wich zurück, als ihn das tödliche Licht traf. Eine erstarrende Welle von Bösartigkeit erfüllte den Raum und zwang den Schwertfechter auf die Knie, während sich die Kreatur langsam in seine Richtung in Bewegung setzte. Ein furchtbarer Schrei entfuhr ihm, und sein Gesicht verzerrte sich.

»Nein, Miathan!« Der Erzmagusch drehte sich um, als er Aurians Schrei hörte, und sah, wie sie sich bemühte, von der Couch aufzustehen. Ihre Augen folgten entsetzt der grauenhaften Erscheinung, die er heraufbeschworen hatte. Dann wandte sie sich ihm zu, und der Schmerz, der sich auf ihrem Gesicht abzeichnete, gab ihm einen Stich ins Herz. »Ruf es zurück!« schrie sie. »Bitte, Miathan. Verschone ihn! Ich werde alles tun – ich schwöre es! Ich bitte dich, ruf es zurück!«

Einen Augenblick lang zögerte der Erzmagusch, und seine Kreatur hielt inne. Aurian hatte schon eine Blutschuld bei ihm offen, für den Mord an ihrem Vater, und in seiner eigenen, besitzergreifenden Weise liebte er sie wirklich. »Alles«, hatte sie gesagt – und er hatte ihren Eid darauf. Wenn er erst ihre Dankbarkeit dafür hatte, daß er Forral verschonte, würde er dann nicht bestimmt auch ihr Herz zurückgewinnen?

Fest entschlossen, seine Kreatur zurückzurufen, drehte er sich wieder um, und sein Blick richtete sich auf den Schwertfechter, der in seiner Ecke gefangensaß. Und plötzlich überfiel ihn mit aller Gewalt die Erinnerung an die Demütigung, die Forral ihm an diesem Morgen zugefügt hatte. Dieser schmierige Emporkömmling von einem Sterblichen war Aurians Liebhaber! Er hatte ihren Körper besessen, hatte sie mit seinem Samen gefüllt, und jetzt trug sie seine monströse Brut in ihrem Schoß. Genug! Wieder ergriffen die gierigen Flammen der Eifersucht ganz und gar vom Denken des Erzmagusch Besitz, vertilgten alle Hemmungen, und seine letzte Möglichkeit, sich aus eigener Kraft von der Macht des Bösen loszusagen, war für immer vergangen.

Aurian sah, wie sich Miathan dem grauenhaften Wesen zuwandte und sein Gesicht sich zu einer abscheulichen Maske von Haß verzerrte. »Nimm ihn!« kreischte er. Forral preßte sich flach gegen die Wand und starrte mit weit aufgerissenen Augen das Ding an, das es auf ihn abgesehen hatte. Völlig furchtlos gegenüber jedem menschlichen Feind, war dies zuviel für ihn. Aurian keuchte; ihr brach kalter Schweiß aus. Noch nie hatte sie etwas so Furchtbares gesehen! Sie mußte all ihren Mut zusammennehmen, um nicht einfach davonzulaufen, um nicht von Panik ergriffen vor dieser Verkörperung des Bösen zu fliehen, die sich in tödlicher Absicht ihrem Liebsten näherte.

Es sah aus wie ein Fetzen einer dunklen Wolke – ein Geist, der aus Rauch zu bestehen schien, der sich wand, sich wellenförmig bewegte und widerlich pulsierte, sich immer neu zu heimtückischen, bösartigen, dämonischen Fratzen zusammenzog, derem übelkeiterregenden, flackerndem Glanz kein Blick standhalten konnte. Es war unmöglich, das Ding anzusehen, und es war ebenso unmöglich, seine Augen davon abzuwenden. Aurian spürte, wie ihr Kopf zu dröhnen begann. Das Ding war umgeben von einem mit rasender Schnelligkeit umherwirbelnden Strudel kalter Bosheit, der an ihr zerrte, ihr die Wärme und die Kraft aus dem Körper saugte, so daß sie plötzlich begriff, daß ihr nur noch wenig Zeit zum Handeln blieb.

Mit dem Mut der Verzweiflung richtete sie sich auf, sprang durchs Zimmer, warf sich vor den Schwertfechter und ließ ihren magischen Schild herab, um sie beide vor dem Ungetüm zu schützen. Das Ding kam weiter auf sie zu, langsam und unaufhaltsam. Aurian mußte einen Schrei unterdrücken, als es auf ihren Schild traf – und ihn durchquerte, als ob er nicht da sei! Sie bezwang die in ihr aufsteigende Panik und nahm Forral das Schwert aus den kraftlosen Händen.

Die Klinge tönte hell und erstrahlte in feurigem Licht, als Aurian sie mit ihrem Feuerzauber erfüllte. Sie führte einen gewaltigen beidhändigen Streich gegen die grauenhafte Erscheinung und spaltete sie damit in zwei Hälften. Aber die Klinge war auf keinerlei Widerstand gestoßen. Es war, als hätte sie Rauch durchschnitten. Das Gespenst gab ein tiefes, gefrierendes Lachen von sich, und die beiden Hälften vereinten sich wieder, flössen einfach wieder zusammen. Ein explosionsartiger Schock traf sie, als die Klinge des Schwertes plötzlich dunkel und matt wurde. Sie taumelte geschwächt zurück, ließ das Schwert fallen, ihre Hände und Arme taub von der überwältigenden Kälte, die sich rasch in ihr ausbreitete. Das Scheusal kam immer näher, schien weiter anzuschwellen und mit seiner undurchdringlichen, düsteren Gestalt den ganzen Raum auszufüllen. Es ging über sie hinweg, während sie hilflos am Boden lag, und senkte sich auf den Schwertkämpfer herab, schloß ihn in seine stinkende Dunkelheit ein. Forral gab noch einen letzten, erstickten Schrei von sich – ihren Namen –, als die dunkle Masse sich über ihn legte. Dann herrschte Stille. Langsam stieg das Ding wieder hoch.