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Anvar zuckte zusammen und fragte sich, ob er ihr nachgehen sollte oder nicht. Nach kurzem Zögern entschloß er sich, zunächst einmal Sara zu beruhigen. »Sara, weine nicht. Sie meint es nicht so. Sie macht gerade eine schwere Zeit durch. Die Sache mit Forral …«

»Hör endlich auf, von ihr zu reden!« Sara setzte sich plötzlich auf, schleuderte die Decke weg und sah ihn wild an. Ihr Gesicht war gerötet. »Um genauer zu sein, sprich überhaupt nicht zu mir! Ihr habt mich entführt, du und sie – gerade als ich glaubte, es bliebe mir erspart, daß du mir jemals wieder unter die Augen kommst.«

»Laß uns nicht wieder damit anfangen«, sagte Anvar verdrossen. »Vannor hat uns gebeten, dich mitzunehmen. Ich glaube nicht, daß du verstehst, in welcher Gefahr wir waren. Wir hatten keine andere Wahl.«

»Vannor!« stieß Sara hervor. »Dieses Tier! Dieser Idiot! Ich verachte ihn!«

»Sara, Vannor liebt dich.«

»Was weißt denn du davon? Du hast mir auch erzählt, daß du mich liebst, früher einmal. Und wie hast du mir deine Liebe gezeigt? Du hast mich geschwängert und mich dann im Stich gelassen, so daß ich diesem ungehobelten Rohling verkauft werden konnte. Komm also nicht her und erzähl mir was von Liebe, Anvar.«

»Das war nicht meine Schuld!« Anvar hielt ihr seine linke Hand vor das Gesicht, auf der das verhaßte Zeichen der Leibeigenschaft eintätowiert war. »Glaubst du nicht, ich …«

»Anvar!« Die Kabinentür flog auf. Aurian stand mit aufgelöstem, windzerzaustem Haar und weißem, von Anstrengung gezeichnetem Gesicht vor ihnen. »Anvar – der Erzmagusch! Er sucht nach uns! Ich glaube, er weiß, welchen Weg wir genommen haben!«

»Was?« Anvar sprang auf die Füße. »Wie ist das möglich?«

Die Magusch schloß die Kabinentür und lehnte sich dagegen. »Hellseherei, wahrscheinlich mit einem Kristall – das ist die effektivste Methode. Ich wußte überhaupt nicht, daß er das kann. Es war immer Finbarrs Spezialität.« Sie kniff bei dem Gedanken an ihren toten, vom Erzmagusch hingemeuchelten Freund vor Schmerz die Lippen zusammen. »Er muß uns auf dem Fluß auf die Spur gekommen sein durch die dort noch vorhandenen Reste des magischen Feldes, mit dem ich uns über das Wehr gebracht habe. Und dann hat er erraten, welchen Weg wir nehmen würden. Jetzt sucht er das Meer ab – als ich auf Deck war, konnte ich spüren, wie seine Suchimpulse über uns hinwegstrichen.«

»Bei den Göttern! Hat er uns gefunden?«

Aurian schüttelte den Kopf. »Es ist mir gelungen, uns rechtzeitig abzuschirmen. Seine magische Kraft wirkte eher zaghaft, nicht allzu stark. Ich glaube, er macht das zum ersten Mal. Aber es wird nicht lange dauern, bis er es richtig beherrscht, jedenfalls nicht, solange er sich auf die Kräfte des Kessels stützen kann. Und er wird nicht aufgeben, bis er uns gefunden hat.«

»Was wird er dann machen?« Anvar wurde schlecht vor Angst. »Wird er uns diese – Dinger nachschicken?« Als er den verzweifelten Ausdruck auf Aurians Gesicht sah, verfluchte er sich, sie an die Monster erinnert zu haben, die Forral auf dem Gewissen hatten. Aber als sie ihm dann antwortete, war ihre Stimme fest.

»Nein. Das bezweifle ich. Er schien ja kaum Gewalt über die Nihilim zu haben, nachdem er sie einmal losgelassen hatte.« Sie schauderte. »Wenn ich daran denke, daß dieser Schrecken jetzt in Nexis umgeht … Aber ich glaube nicht, daß sie uns nachkommen werden. Nur die Götter wissen, was er auf unsere Spur setzt, Anvar. Er kann uns auf jede erdenkliche Weise angreifen. Das einzige, was wir tun können, ist, uns nicht finden zu lassen. Ich muß uns alle unter meinen Schild nehmen, das ganze Schiff – und zwar während der gesamten Dauer unserer Passage nach Easthaven.«

»Aber Herrin, das kannst du nicht!« Anvar war bestürzt, denn er wußte nur allzugut, wie sie sich auf dem Fluß verausgabt hatte, um ihre Magie wirksam werden zu lassen. »Die Reise dauert wenigstens noch drei Tage, und du bist jetzt schon völlig ausgelaugt!«

»Ich weiß. Aber es hilft alles nichts. Wir müssen es versuchen, wenn uns unser Leben lieb ist, und ich werde deine Hilfe brauchen.«

»Meine Hilfe?«

Aurian nickte. »Ich muß wach bleiben. Wenn ich schlafe, wird meine Abschirmung zusammenbrechen, und wir können entdeckt werden. Du mußt mich wach halten, Anvar, und ich fürchte, das bedeutet, daß du selbst wach bleiben mußt. Sprich mit mir, sing mir etwas vor – wenn sonst nichts hilft, schlag mich –, aber laß mich nicht einschlafen, was immer auch geschehen mag, sonst sind wir verloren. Versprich mir das, Anvar.«

»Ich verspreche es, Herrin«, versicherte Anvar ihr. Aber ich weiß nicht, wie ich es schaffen soll, dachte er. Er fürchtete die lange zermürbende Wache, die vor ihnen lag.

16

Begegnung mit Wölfen

Der Tag ging bereits in den Abend über, als Eliseth unangemeldet in der Turmstube des Erzmagusch erschien. Miathan saß mit zusammengekniffenen Augen und aufs äußerste konzentriert über einen Kristall gebeugt, der auf einem schwarzen Tuch auf dem Tisch lag. Er blickte auf, und seine dunklen Augen blitzten, als er die Maguschfrau eintreten sah. »Erbarmen, Eliseth, kannst du mich nicht in Ruhe lassen? Weißt du nicht, wie schwierig das hier ist? Wenn ich Finbarrs Aufzeichnungen nicht hätte …«

»Wenn Finbarr nicht gewesen wäre, dann hätten deine verfluchten Geister uns inzwischen alle niedergemacht!« gab Eliseth knapp zurück. »Bei den Göttern, Miathan, warum hast du uns nichts davon erzählt?« Sie deutete auf den Kelch, der auf dem Tisch stand. Er hatte seine Schönheit eingebüßt; das fein polierte Gold war schwarz und stumpf geworden. »Du solltest doch am besten wissen, wie gefährlich es ist, mit der Hohen Magie herumzuspielen«, fuhr Eliseth fort. »Bragar und ich hätten dir helfen können, die in dem Kelch schlummernden Kräfte kennen und beherrschen zu lernen; aber nein – du mußtest es ja allein versuchen. Und jetzt schau dir das Ergebnis an! Ein Magusch ist tot, eine Magusch ist verschwunden, und eine weitere ist nur noch ein wahnsinniges Wrack. Nur die Götter wissen, wie viele Sterbliche deine Kreaturen in der letzten Nacht in der Stadt umgebracht haben. Alles ist in Aufruhr.«

»Genug!« brüllte Miathan. Er war aufgesprungen und lief im Zimmer hin und her, atmete tief ein und aus und bemühte sich, nicht wieder – wie gestern abend – seine Beherrschung zu verlieren. Die Folgen waren zu katastrophal gewesen. »Wie ist momentan die Situation in der Stadt?«

»Deswegen komme ich – um dir von den Auswirkungen deiner Schandtat zu berichten.« Eliseth nahm Platz und rieb sich müde die Augen. »Bragar und ich haben die ganze Stadt abgesucht, um deine Kreaturen zu finden und unschädlich zu machen. Nur die Götter wissen, ob wir sie alle erwischt haben – ich für meinen Teil bezweifle das. Wir haben verbreitet, daß niemand weiß, wo sie herkommen, und daß die heroischen Magusch Leib und Leben riskieren, um die Bürger von Nexis vor ihnen zu schützen.« Ihre Stimme troff vor Verachtung. »Sie scheinen das zu schlucken – zumindest im Augenblick; jetzt wäre also eine gute Gelegenheit, deine Herrschaft über die Stadt zu festigen, solange die Leute noch Angst haben.«

»Was ist mit der Garnison?« fragte Miathan scharf.

Eliseth zuckte die Achseln. »Die Truppen sind erschüttert über den tragischen Tod ihres geliebten Führers. Ich habe seine Leiche dort abgelegt, wo ich sie hinbringen sollte, und es hat nicht lange gedauert, bis sie gefunden wurde. Die Soldaten haben alle Hände voll zu tun, die Ordnung aufrechtzuerhalten – wegen Panik, Plünderei und dergleichen mehr –, und es scheint ein ausgeprägter Mangel an Führern zu herrschen. Maya, Forrals Stellvertreterin, ist in irgendeiner geheimnisvollen Mission unterwegs – niemand weiß wohin –, und der Kavalleriehauptmann Parric scheint verschwunden zu sein. Desertiert wahrscheinlich, wenn er halbwegs bei Verstand ist. Jedenfalls ist sein Leichnam bisher noch nicht gefunden worden.«