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Wie eine dunkle Welle strömten die Wölfe mit triumphierendem Jaulen zwischen den Bäumen hervor. Dann sahen sie das Feuer. Die graue Welle brach sich, zögerte. Ein Wolf kam aus dem Halbdunkel in das Licht des Feuers gelaufen, ein gewaltiges, silbergraues Tier, dessen Augen in der Glut der Flammen grüngold leuchteten. Maya spannte den Bogen bis zum äußersten, zielte und …

»Halt!«

»Was zum …!« Maya machte einen Satz, und der Pfeil flog irgendwo in die Dunkelheit. Verdammter D’arvan! Warum hatte er sich gerade diesen Sekundenbruchteil ausgesucht, um wieder zu sich zu kommen? Fieberhaft griff sie nach dem nächsten Pfeil in ihrem Köcher.

»Halt, Maya!« D’arvans Stimme war jetzt drängend. »Laß das! Ich kann mit ihm reden. Er will uns nichts tun.«

Maya setzte den Pfeil auf die Sehne, zögerte dann und starrte den Wolf absolut ungläubig an.

Er saß auf seinen Hinterläufen, sein Maul zu einem breiten Grinsen geöffnet, und die Zunge hing ihm seitlich aus dem Maul heraus, alles ganz wie bei dem freundlichen Hund, der sich seine Bissen an der Küchenbaracke der Garnison abzuholen pflegte. Der Reste der Meute saß in gleicher Positur da oder lag entspannt auf dem Boden. Maya rührte sich nicht.

»D’arvan«, sagte sie leise mit zusammengebissenen Zähnen, »würdest du mir vielleicht erklären, was zur Hölle hier vorgeht?«

Der junge Magusch setzte sich mühsam auf. »Sie bewachen das Tal«, sagte er. »Eilin hat ihnen befohlen, gut achtzugeben, nach dem – nach dem, was neulich nachts passiert ist.«

»Was ist denn neulich nachts passiert, D’arvan?«

D’arvan verzog das Gesicht zu einer Maske des Schmerzes. »Finbarr …« Er schüttelte den Kopf; seine wie hinter einem Schleier liegenden Augen wirkten ruhelos. Der Klang von Hufschlägen, erst metallisch auf Felsen, dann gedämpft auf dem Lehmboden des Waldes, ersparte ihm eine Antwort. Maya straffte die Sehne ihres Bogens, und die Wölfe erhöben sich eilig.

Ein weißes Pferd kam aus dem Wald; es trug die in einen Umhang gehüllte Gestalt einer Frau mit wirrem Haar. Der Stab in ihrer Hand erstrahlte in einem überirdisch grünen Licht. Die Spitze von Mayas Pfeil entflammte in gleißendem Licht, und die Kriegerin ließ ihn sofort fluchend fallen.

»Wer seid ihr?« Die Stimme der Frau klang angespannt.

Maya holte tief Luft und zwang sich, ganz ruhig zu bleiben. »Maya, Leutnant der Garnison von Nexis und Freundin der Lady Aurian. Ich habe eine Botschaft von Lady Aurian an ihre Mutter, die Lady Eilin.« Langsam griff sie in ihre Bluse, zog eine Schriftrolle hervor und hielt sie der Lady mit einer Verbeugung hin. Einer der Wölfe kam zu ihr hingetrottet und nahm die Rolle in sein Maul. Dann lief er damit zu Eilin hinüber und legte ihr sein Mitbringsel in die Hand. Im Lichte ihres Zauberstabes prüfte Eilin die Rolle und nickte. »Das ist ihr Siegel«, sagte sie besänftigt. Sie erbrach das Siegel, entrollte das Papier und überflog schnell dessen Inhalt.

»Bist du D’arvan?« Die Lady wandte sich dem jungen Magusch zu, der aufgestanden war und sich verbeugte. »Ja, Lady Eilin.«

»Bleib, wo du bist!« Eilins Stimme knallte wie ein Peitschenhieb über die Lichtung, und der große Wolf gab ein tiefes, warnendes Grollen von sich. »Woher soll ich wissen, daß ich euch vertrauen kann?« sagte die Lady. »Nach dem, was sich vor einigen Nächten ereignet hat.«

»Würde mir vielleicht jemand erklären, was sich vor einigen Nächten ereignet hat?« unterbrach Maya sie.

Eilin blickte sie streng an. »Du meinst, du weißt es nicht?«

»Meine Schuld, Lady«, sagte D’arvan. »Finbarrs Tod war ein so schwerer Schock für mich …« Er zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht, was seither passiert ist, bis ich wach wurde und die Wölfe sah.«

»Dein Glück, daß dich wenigstens die Wölfe wach bekommen haben«, sagte Eilin trocken. »Aurian schreibt in ihrer Botschaft, daß sich deine magischen Kräfte nie entfaltet haben. Wie kommt es dann, daß du mit meinen Wölfen sprechen kannst?«

»Das weiß ich nicht«, gab D’arvan zu. »Ich habe vorher nie versucht, mich mit Tieren zu unterhalten. Ich wußte nicht, daß ich das konnte.«

»Nun, dann gibt es ja noch Hoffnung für dich«, sagte Eilin. »Das heißt, wenn du mir die Wahrheit sagst. Wirst du dich prüfen lassen?«

D’arvan nickte und trat mit angespannter Miene vor. Die Lady streckte ihm ihren leuchtenden Stab entgegen, und er streckte die Hand aus, um dessen mit Eisen eingefaßtes Ende fest in die Hand zu nehmen. Der grüne Schimmer leuchtete auf und bildete eine blendende Aureole, die den Körper des jungen Magusch ganz einschloß.

D’arvan stöhnte und sank auf die Knie. Durch das funkelnde Licht hindurch konnte Maya erkennen, daß ihm Schweißtropfen auf die Stirn traten, und unwillkürlich entfuhr ihr ein Schrei. Sie machte einen Schritt auf ihn zu, aber schon versperrte der große Wolf ihr den Weg, und einige andere kamen hinzu und bildeten einen Kreis um sie.

Dann war es vorüber. Das Maguschlicht erlosch, nur noch die flackernden Flammen von Mayas kleinem Feuer beleuchteten die Lichtung, und D’arvan ließ mit einem Seufzer der Erleichterung den Stab los. Er schien in sich zusammenzusinken. Eilin lächelte. »Du hast dich wacker geschlagen, junger Magusch«, sagte sie. »Die Wahrheitsprüfung ist keine angenehme Erfahrung.« Sie wandte sich Maya zu. »Meine Entschuldigung, Leutnant Maya, dafür, daß ich euch beide verdächtigt habe. Aber schwere Zeiten stehen uns bevor – die schwersten, die die Welt seit der Verheerung gesehen hat.«

»Lady, was ist denn nun geschehen?« verlangte Maya zu wissen. »Wenn es in Nexis Probleme gibt, dann sollte ich sofort dorthin zurückkehren.«

Eilin schüttelte den Kopf. »Nein, mein Kind. Es wäre ein großer Fehler, unausgeruht und ohne zu wissen, was vorgefallen ist, nach Nexis zurückzueilen. Im Grunde ist es wahrscheinlich ohnehin sinnlos, daß du zurückkehrst. Gedulde dich noch ein wenig. Kommt mit zu mir, dann werde ich euch erzählen, was ich weiß – schlimme Nachrichten, soviel steht fest –, und dann können wir entscheiden, was zu tun ist.«

»So soll es sein, Lady.« Maya zügelte ihre Ungeduld und zwang sich anzuerkennen, daß es jetzt das beste war, Lady Eilins Vorschlag zu befolgen.

Lady Eilin nahm D’arvan mit auf ihr Pferd, Maya vergrub sorgfältig die Reste ihres Feuers, bestieg dann das andere, immer noch unruhige Tier und schloß sich der Lady an. Sie ließen die Wölfe, die weiter Wache hielten, hinter sich zurück.

Die warme, rote Glut in Eilins Küchenherd vertrieb rasch die Kälte der Winternacht. Die Lady ließ es die beiden sich bequem machen, tischte Brot und Käse auf und schenkte ihnen dampfenden, aromatischen Tee in große Tassen ein, an denen sie ihre Hände wärmten. Als die Magusch sich mit ihrer eigenen Tasse zu ihnen setzte, konnte Maya ihre Neugier kaum noch bezwingen. Eilin öffnete ihren Mund, als ob sie endlich reden wollte, hielt dann aber mit einem leichten Achselzucken der Hilflosigkeit inne.

»Es tut mir leid«, sagte sie. »Ich habe schon so lange zu niemandem mehr gesprochen; man kommt aus der Übung.« Sie seufzte. »Nun ja, es muß wohl sein.« Sie schloß die Augen und ließ die Erinnerung in sich erstehen. Maya hätte am liebsten vor Ungeduld laut aufgeschrien, aber sie nahm sich zusammen und übte sich in Geduld.

»Ich gehe gewöhnlich zu Bett, wenn die Sonne untergeht«, sagte Eilin schließlich. »Vor drei Nächten wachte ich plötzlich auf – ich glaubte, Aurian gehört zu haben, die mich rief. Um Hilfe rief. Sie klang so verzweifelt – und ich wußte, daß es kein Traum war. Ich konnte aber danach nichts mehr hören und war zu Tode geängstigt. Ich stand auf und holte mir meinen Kristall. Es ist schon Jahre her, seit ich zum letzten Mal die Hellseherei damit praktiziert habe – wonach hätte ich auch damit draußen in der Welt Ausschau halten sollen? Solange Aurian mich gelegentlich besuchte, wußte ich, daß es ihr gutging. Aber in jener Nacht habe ich in den Kristall geschaut, und ich sah …« Ihre Stimme brach, und ihre Hände wurden weiß, so krampfhaft umklammerten sie die Tasse.