Das Element des Feuers war die Provinz der Drachenleute, die in den weiten Wüstenländern lebten. In ihrer äußeren Erscheinung waren sie die dramatischsten aller Magusch. Es waren schlangenartige Kreaturen mit langen Hälsen und langen Schwänzen und mit Flügeln, deren Schuppen metallisch glänzten. Ihre vorstehenden, blitzenden, edelsteinartigen Augen ermöglichten ihnen einen Rundumblick, ohne den Kopf bewegen zu müssen. Sie kamen rein silberfarben zur Welt und entschieden sich im Laufe ihrer Kindheit für eine bestimmte Farbe, die sie von da an behielten. Obwohl es immer einige gab, die verschiedene Blautöne, Grüntöne oder Schwarz bevorzugten, blieben die meisten bei den Farben ihres Elementes, des Feuers – sie wählten Rot- oder Goldtöne.
Die Drachen konnten zwei Arten von Feuer hervorbringen. Entweder verwandelten sie ihre aufgespeicherte Energie in einen langen, weitreichenden Feuerstoß, den sie ausatmeten, oder – und dieses Feuer war tödlicher in seiner Wirkung – sie bündelten die Energie durch die kristalline Struktur ihrer Augen zu einem dünnen, konzentrierten Strahl von bemerkenswerter Zerstörungskraft. Auch ihre Zähne und Klauen waren tödlich, wurden aber nur zur Verteidigung benutzt, denn die Drachenleute aßen kein Fleisch. Sie nahmen vielmehr mit ihren gewaltigen, durchscheinenden Flügeln, die wie die der Fledermäuse über zarte Knochen gespannt waren, reine Energie direkt von der Sonne auf, so wie es die Pflanzen mit ihren Blättern machen. Ihre Schwingen waren zum Fliegen nicht sonderlich geeignet, aber immerhin konnte ein ausgewachsener Drache damit ein kurzes Stück im Gleitflug zurücklegen. Die leichteren und kleineren Jungen kamen etwas weiter.
Zum Feuerzauber der Drachenleute gehörte sowohl die Kunst, Energie in Edelsteinen und Kristallen zu speichern, die in der Erde unter großer Hitze und großem Druck entstanden waren, als auch die Fertigkeit, Metalle zu bearbeiten und zu schmelzen. Sie herrschten über alle Arten feuriger Energie, und niemand war in der Lage, so tödliche und furchtbare Waffen herzustellen wie sie. Aber da sie ein friedliches Volk waren, hielten sie alles geheim, was sie auf diesem Gebiet ersonnen hatten.
Es lag in der Natur des Universums, daß den vier Abteilungen der elementaren Magie vier Abteilungen negativer Magie gegenüberstanden, die ihr Gegengewicht bildeten, und es war die Aufgabe und Verantwortung der Magusch, diese negative Magie unter Kontrolle zu halten und, wenn möglich, ins Positive zu wenden. Keine dieser magischen Gewalten war die spezielle Domäne einer bestimmten Rasse der Magusch; vielmehr war das Maguschvolk in seiner Gesamtheit für jede dieser Kräfte verantwortlich, denn alle negative Magie war wild, unvorhersehbar und geeignet, gewaltige Zerstörungen hervorzurufen.
Die erste und ursprünglichste der negativen Gewalten war die Alte Magie. Sie beruhte auf alten, elementaren Kräften, die schon seit Anbeginn der Zeit bestanden und bereits das Chaos des neu erstandenen Universums heimgesucht hatten, bis die Wächter dann die Magusch einsetzten, um für Ordnung zu sorgen. Die Alte Magie war die Zaubergewalt dieser uralten Wesen – der Felsengeister oder Moldan, die einstmals mit ihren gigantischen Erscheinungen die Welt bevölkerten, der Baumgeister oder Veridai und der Najaden, der Geister des Wassers. Diese uralten Elementargeister waren schon vor Urzeiten von den Vätern der Magusch unter Kontrolle gebracht worden; sie waren nur noch ihrer Kräfte beraubte Gefangene, es sei denn, daß sie absichtlich wieder in die Welt zurückgerufen wurden.
Die übrigen Rassen, die sich der Alten Magie bedienten, entstanden erst später: die Merfolk, die Phaerie und die Dwelven, die in Frieden und Eintracht mit den urzeitlichen Geistern in den Meerestiefen, im Innersten der Urwälder und in den Höhlen der Bergestiefen lebten. Sie konnten, so wie es ihnen gerade gefiel, entweder in der diesseitigen Welt oder aber im Anderswo erscheinen, das von den urzeitlichen Geistern bewohnt wurde. Angeblich entstammten sie, so wollten es Gerüchte, den Paarungen früher Magusch und der urzeitlichen Geister, aber wie dem auch sei, die Magusch hatten es jedenfalls für angebracht gehalten, sie in dem geheimnisvollen Anderswo oder Anderland der Alten Magie gefangenzusetzen, um diejenigen Völker zu schützen, die danach die Welt bewohnten, denn all diese Wesen galten als hinterhältig, falsch und gefährlich.
Keines dieser elementaren Wesen ließ sich gefahrlos beschwören und dienstbar machen. Wenn sie aus ihrer langen Gefangenschaft in die Freiheit der Welt gelassen wurden, standen ihnen gewaltige Kräfte zur Verfügung, die meist nicht nur ihr Opfer zu spüren bekam, sondern auch derjenige, der sie beschworen hatte. Und einige von ihnen schweiften zur großen Bestürzung der Magusch immer noch frei umher und schienen gelegentlich dem Gang der Geschichte irgendeine neue Richtung zu geben. Und das war gut so, denn gerade so, wie es ohne Gleichgewicht zum Chaos kam, würde ohne den Zufall die Welt bald zum Stillstand kommen.
Der zweite Bereich negativer Magie war von viel unheilvollerer Art, und seine Ursprünge lagen in geheimnisvollem Dunkel verborgen. Es war die Nekromantie, die Todesmagie, mit deren Hilfe ein Hexenmeister es vermochte, einem anderen Wesen die Lebenskraft selbst zu entziehen. So wie die Todesgeister, die sich dieser Magie bedienten, um sich vom Leben anderer zu ernähren, konnte auch ein dem Bösen ergebener Magusch die Lebensenergie anderer Wesen benutzen, um seine eigenen Kräfte zu vermehren und für begrenzte Zeit an Macht hinzuzugewinnen. Die vampirartige Vernichtung von Leben war dem innersten Gefüge des Universums so deutlich entgegengesetzt, daß nur wenige Magusch überhaupt von dieser Möglichkeit wußten, und die wenigen, denen sie bekannt war, hüteten dieses Geheimnis, so gut sie nur konnten.
Dann gab es die Kalte Magie. Es war die Magie der Entropie, die ihre Kräfte aus den kalten, leblosen, schwarzen Tiefen des Universums bezog. Von einem machtvollen Magusch konnte die Kalte Magie benutzt werden, um der Sonne selbst ihre Hitze und Kraft zu entziehen und die Welt in die Dunkelheit eines ewigen Winters einzutauchen.
Die vierte negative Magie war die Wilde Magie. Sie regierte die Elementargewalten der Natur – Unwetter, Stürme und Wirbelwinde, die Gezeiten und die Flutwellen des Meeres, Erdbeben, Vulkane und Blitze. Mit Hilfe der Wilden Magie, so hieß es, konnte ein Magusch die innerste Seele der Welt als eine lebendige Kraft beschwören; aber sie sich willfährig zu machen – ja, das war etwas ganz anderes.
In ihrem Traum sah Aurian all diese Erscheinungen und ihre Emanationen in einem Panoptikum der Geschichte, das sich über viele Generationen erstreckte, und zum Schluß wurde sie Zeuge, wie die vier Rassen der Magusch zur Verteidigung gegen die negative Magie die Waffen der Elemente schufen.
Die Rasse der Leviathane schuf den Kessel des Lebens, der als Schutz gegen eben jene Nekromantie bestimmt war, für die Miathan ihn mißbraucht hatte. Dann sah sie die Windharfe oder Harfe der Winde, das Werk der Himmelsleute, mit der sich die Wilde Magie bezwingen ließ, mit der sie aber genausogut herbeigerufen werden konnte, wenn sie in falsche Hände geriet – denn die Magusch hatten in ihrem selbstgefälligen Stolz etwas Grundlegendes übersehen: daß nämlich jede Waffe zwei Seiten hat.
Dann sah sie, wie die Zauberer – Aurians eigene Vorfahren – den Stab der Erde beisteuerten, mit dem sich die alte Magie kontrollieren ließ, und wie sie entsetzt miterleben mußten, wie die Waffe gegen sie selbst gerichtet wurde, um einen der Elementargeister auf die Welt loszulassen – einen Moldan, der dann die jetzt vom Meer bedeckte Kluft zwischen den nördlichen und südlichen Ländern aufgerissen hatte. Erst als es schon zu spät war, begriffen die Magusch ihren Irrtum.
Daraufhin ließ das mächtige Geschlecht der Drachenleute, der Meister aller Waffen, von ihrer Aufgabe ab, eine Schutzwaffe gegen die Kalte Magie herzustellen. Statt dessen schufen sie eine Meisterwaffe – das Schwert der Flamme –, der mannigfaltige Kräfte innewohnten, die jene der drei anderen Waffen übertrafen.