»Ich kauf dir ein neues Häschen, Paula«, versprach Juts.
Die Cadwalders starrten Juts an, als wollten sie sagen: »Warum passieren dir immer solche Sachen?«
Sie lächelte matt und ging weiter, dann drehte sie sich um und rief so leise sie konnte: »Yoyo, komm her, Kätzchen.«
Nicht nur ignorierte Yoyo die freundliche Aufforderung ihrer Mutter, sie wurde zudem von einem jener Ekstaseanfalle ergriffen, wie man ihn hauptsächlich von Angehörigen der Katzenklasse und gewissen Katholiken her kennt. Sie tobte durch die Pflanzen auf dem Boden. Sie segelte über Blumensträuße, wo immer sie welche fand. Manchen machte sie den Garaus, manchen nicht. Von Pastor Neelys strengem Blick zum Handeln bewegt, jagte der Altardiener Yoyo nach, die sich an ihrer eigenen Macht weidete. Sie zog die Bremse, als der schlaksige Junge an ihr vorbeischlitterte, drehte sich im Kreis und landete anmutig in hohem Boden auf dem Altar, wo zu beiden Seiten des großen, schlichten goldenen Kreuzes zwei identische prachtvolle Blumensträuße standen. So verlockend diese Sträuße für Yoyo waren, ihr Verfolger holte auf. Sie duckte sich hinter das Kreuz. Als er sie packen wollte, langte sie übermütig zu und schlug nach ihm. Da sie ein fairer Gegner war, ließ sie die Krallen eingezogen.
Dann sprang sie hinter den Altar und schlich verstohlen an die Seite, während der Altardiener sich auf alle Viere niederließ und der Gemeinde den Anblick seines Hinterteils bot, vielleicht nicht unbedingt ein typischer Gegenstand der Verehrung.
Auf Pastor Neelys Stirn sammelten sich Schweißperlen. Chester wußte, er sollte seine Katze einfangen, doch mittlerweile war er so geschwächt von Lachkrämpfen, daß er sich kaum rühren konnte.
Celeste, Ramelle und Fannie Jump saßen in der dritten Reihe rechts vom Mittelgang; die Zuteilung der Bänke richtete sich nach dem Zeitpunkt, an dem eine Familie sich an der Gründung der Kirche beteiligt hatte oder ihr beigetreten war. Lachtränen kullerten ihnen über die Wangen.
Yoyo, die das Rampenlicht nicht scheute, merkte, daß sie die Gemeinde in der Pfote hatte. Sie sauste aus dem Altarbereich heraus, sprang auf die Rückenlehne einer Bank, lief darauf entlang, während Hände nach ihr griffen, hüpfte leichtfüßig herunter, um sich sodann auf die kostbaren kastanienbraunen Samtvorhänge zu katapultieren. Sie kletterte an den Vorhängen zur Empore hinauf, wo sie die Organistin Tante Dimps entdeckte, eine Freundin der Familie.
Aus Furcht, Yoyo könne sich bemüßigt fühlen, die Orgel zu spielen, stellte sich Tante Dimps mit dem Rücken zur Orgel, die Arme vor sich ausgestreckt.
Der Anblick von Dimps in dieser seltsamen Pose veranlaßte Yoyo, ihr Handeln zu überdenken. Sie saß reglos da, den Kopf zur Seite geneigt, und ging dann zu ihr.
»Braves Mädchen, braves Kätzchen, Yoyo.« Tante Dimps bückte sich, um die Katze, die auf sie zugeschlendert kam, hochzuheben.
Yoyo wich den ausgestreckten Händen aus, sprang hoch und landeterumms auf dem Manual. Ein fürchterliches Quietschen gellte durch die Pfeifen, das Yoyo so erschreckte, daß sie von der Orgel flitzte, durch den Emporengang sauste und die Hintertreppe hinunterstürmte, die im Vestibül mündete. Sie erblickte Buster und Juts draußen auf der Treppe, sammelte sich und ging hinaus.
Als Juts die Orgeldissonanzen vernahm, zählte sie zwei und zwei zusammen. Sie kollabierte auf der Treppe, mehr aus Heiterkeit denn aus Scham, just als die Pforten von St. Rose of Lima sich auftaten und die Andächtigen herausströmten wie aus der Schule entlassene Kinder.
Der scharfsichtige O. B. Huffstetler, der seine hochschwangere Frau die Treppe hinunterführte, entdeckte Juts und rief nach Louise, die gerade aus der Tür trat. »Louise, mit Juts stimmt was nicht.«
Ihr Blick, wie der aller anderen, folgte seinem weisenden Finger. So schnell es ihre hohen Absätze erlaubten, rannte Louise die Stufen hinunter; ihr orchideenfarbenes Oberteil wogte bei jedem Schritt. Pearlie und die Mädchen stürmten über den Platz hinterher.
Atemlos kniete Louise neben ihrer Schwester nieder. »Juts, Juts, was ist mit dir?«
Juts lachte so sehr, daß sie schluchzte. Sie konnte nicht antworten.
»Tante Juts.« Mary kniete sich ebenfalls zu ihrer geliebten Tante.
»Was machen Yoyo und Buster hier?«, fragte Maizie.
Das löste bei Juts erneute Lachschluchzer aus.
Pearlie bückte sich und legte seiner Schwägerin behutsam die Hände unter die Arme. »Und auf.« Er half ihr auf die Beine, worauf sie sich gegen ihn sacken ließ.
»Wir sollten besser den Arzt holen«, sagte Pearlie.
»Nein.« Julia schüttelte den Kopf, versuchte etwas zu sagen und brach wieder zusammen.
Unterdessen versammelten sich die Gemeinden von St. Rose und der episkopalischen St.-Pauls-Kirche auf der Treppe der Christuskirche.
»Alles in Ordnung?«, fragte Junior McGrail, die insgeheim auf das Gegenteil hoffte.
Juts nickte.
»Also, was ist passiert?«, fragte Popeye Huffstetler, stets der Reporter, unverblümt.
Juts lachte weiter und deutete auf Hund und Katze.
Junior, die jetzt hinzugetreten war, bemerkte in weithin hörbarem Flüsterton zu ihrer besten Freundin Caesura Frothingham: »Stell dir vor, es ist Ostersonntag, und sie hat schmutzige Fingernägel. Ich würde ja nicht wollen, daß mir jemand mit schmutzigen Fingernägeln die Haare macht.«
Juts hatte beim besten Willen den Schmutz nicht wegbekommen, nachdem sie die ganze Nacht Tulpen und Azaleen gepflanzt hatte.
Sie blinzelte die Tränen zurück. »Junior, du hast doch nur zwei Haare auf dem Kopf.«
Juts war offensichtlich auf dem Wege der Besserung.
Der Gottesdienst in der Christuskirche war zu Ende, und der Rest der Gläubigen eilte ins Freie. Binnen Sekunden hatten sich die Einzelheiten von Yoyos und Busters Eskapaden herumgesprochen. Die meisten lachten. Ein paar bigotte Kreaturen waren entrüstet.
Chessy, Cora, Celeste, Ramelle und Fannie Jump grölten bei jedem geschilderten Detail von Yoyos Feldzug.
Chester nahm die schnurrende Yoyo auf den Arm. »Das hat dir wohl der Teufel eingegeben.«
Worauf alle wieder lauthals losprusteten.
Junior ließ einen prüfenden Blick über die Parkanlage schweifen. »Ich erinnere mich nicht, daß hier Azaleensträucher standen.« Sie wies mit ihrem Wurstfinger auf die Blumen.
»Oh.« Ramelle zuckte die Achseln.
»Sie sind mit Tulpen durchsetzt. Als Präsidentin der Schwestern von Gettysburg habe ich die Pflanzung mit meinen Mädchen angelegt, und zwar ausschließlich mit Tulpen«, ereiferte sich Junior.
»Ha.« Caesura, eine ehemalige Präsidentin der Schwestern von Gettysburg, rief aus: »George Gordon Meades Statue ist entweiht.«
»Er hängt nach Backbord«, bemerkte Popeye.
Fannie Jump Creighton, amtierende Präsidentin der Töchter der Konföderation, verschränkte vorsichtshalber ihre Hände hinter dem Rücken. »Hab ja schon immer gesagt, daß Meade nicht standhaft ist.«
»Ihr habt den Krieg angefangen!«, blaffte Caesura.
»Ich war damals noch gar nicht geboren. Himmel, du bist so alt, Caesura, du erinnerst dich nicht nur anden Krieg, du hast vermutlich auch im Krimkrieg die englische Brigade für das Heimatland angeführt.«
»Also. also. ich muß schon sagen! Und das am Ostersonntag.« Caesura pochte mit ihrem Sonnenschirm auf die Treppenstufen. »Du wirst noch von mir hören, Fannie Jump Creighton. Ich weiß, daß du irgendwie dahinter steckst.«
»Bei dir ist doch was locker«, parierte Fanny.
»Wie kannst du es wagen.« Caesura schlug Fannie ihren Sonnenschirm auf den Kopf.
»Frechheit!« Fannie schnappte sich Ramelles Sonnenschirm, worauf sich die beiden Damen duellierten.
Buster bellte, und Yoyos Augen wurden so groß wie Kegelkugeln.