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»Louise, willst du nicht nach Hause gehen und dich hinlegen? Ich mach das hier schon.« Juts zog ein Maßband aus ihrer Ta­sche.

»Ich bin hier besser aufgehoben. Zu Hause gibt es bloß noch mehr zu tun. Mary und Maizie rühren dieser Tage keinen Fin­ger. Mary tut nichts als schmachten, heulen oder singen. Maizie läßt sich von Mary ablenken, dann fängt sie zu spät mit ihren Schularbeiten an, also bleibt der Haushalt.« Sie brach ab.

Juts, von Berichten über Haushaltsquerelen nicht gerade ge­fesselt, durchquerte den Laden. Sie hielt das Maßband mit dem Daumen am Fußboden fest und zog es dann einen Meter in die Höhe. »Frisiertische in dieser Höhe.«

»Moment mal.« Louise rappelte sich auf und tippelte ein paar Schritte hinüber. Dann stellte sie sich neben das Maßband, machte imaginäre Frisierbewegungen, griff nach Scheren und Kämmen. »Eine Handbreit höher.«

Juts hielt das Band eine Handbreit höher. »Gut so?«

»Ich denke, ja. Warte, ich halt es für dich.« Louise nahm das Ende des Bands und hielt es fest.

Juts vollführte ihrerseits imaginäre Handgriffe. »Für mich ist es gut so. Sollte auch hinhauen, falls wir andere Friseusen ein­stellen, wenn nicht gerade ein Zwerg dabei ist.« Sie griff nach dem Band. »Also, ich denke, hier drüben sollten wir eine Wand einziehen, damit wir hinten einen kleinen Privatraum haben.«

»Wir haben da hinten eine Vorratskammer. Setz dich da rein, wenn du allein sein willst. Sie ist groß genug.«

»Louise, das halten wir höchstens zehn Minuten aus. Chessy braucht hier doch bloß ein paar Bretter anzubringen, verstehst du?«

»Und woher nehmen wir das Geld?«

»Wir brauchen keins. Er kann Walter Falkenroth um über­schüssiges Holz bitten. Es fällt immer etwas ab. Es wird uns Lattenwerk und etwas mehr Farbe kosten, aber dann haben wir einen Platz, wo wir ungestört sind.«

»Wozu willst du ungestört sein?«

»Um eine Zigarette zu rauchen, ein Bier zu trinken und Solitär zu spielen.«

Louise sprach ein Machtwort. »Du wirst während der Arbeits­zeit nicht trinken.«

»Sei nicht so pingelig.«

»Ich werde es nicht dulden. Was das Rauchen angeht, die Zi­garette klebt dir ja an den Lippen. Zum Qualmen brauchst du kein Hinterzimmer.«

»Ich habe mir zufällig gerade eine angesteckt, aber ich rauche nicht so viel, wie du behauptest. Außerdem tut es gut, sich un­beobachtet hinzusetzen, einen Zug zu nehmen und eine Tasse heißen Kaffee zu trinken.«

»Hm.« Louise dachte darüber nach. »Aber nur, wenn Ches­sy das Holz umsonst kriegt.«

»Gut.« Julia klatschte in die Hände, worauf beide Hunde zu ihr gelaufen kamen. »Verzeihung, Jungs.« Sie setzten sich wie­der hin. »Wir müssen Harmons Frau die Haare umsonst schnei­den und mal sehen - wem noch?«

»Warum?«

»Weil er Extra Billy und Mary ins Gefängnis hätte stecken können, darum. Wheezer, bist du krank oder so was? Du hast heute eine lange Leitung.«

»Ich bin geschlaucht.« »Ich wäre auch geschlaucht, wenn meine Tochter mit einer Niete durchbrennen würde. Den Revolver abzufeuern war auch nicht ihre Sternstunde.«

»Sie ist reizbar.«

»Reizbar? Sie ist reif für die Klapsmühle!«

»Julia, am Verstand meiner Tochter gibt es nichts auszuset­zen.«

»Jetzt schon.«

»Gewöhnlich verteidigst du sie immer.« Ein Anflug von Un­mut schlich sich in Louises Stimme.

»Nein, ich sage dir bloß, du sollst die Sache mit Extra Billy einfach schleifen lassen. Je mehr sie mit ihm zusammen ist, desto eher wird sie ihn als das sehen, was er ist, nämlich einen äußerst attraktiven Gassenjungen.«

»Sie ist nicht deine Tochter.«

»Fangen wir nicht wieder damit an. Wir sind beide müde. Wir haben noch einen Monat, um alles fertig zu stellen. Ich versuche einen Salon aufzutreiben, der sein Geschäft aufgibt. Vielleicht können wir billig an die Einrichtung kommen. Ich habe ein paar Läden in Baltimore angerufen, und sie haben versprochen, zu­rückzurufen, wenn sie etwas hören. Vielleicht kannst du mit York und Hagerstown telefonieren, damit die Ferngespräche nicht alle über meine Leitung laufen. Chester ist immer noch sauer wegen der ganzen Geschichte.«

»Er wird drüber wegkommen. Sag mal, hast du Rillma Ryan gestern am Bahnhof gesehen? Ich bin ihr begegnet, als ich von Mom kam. Sie sah so hübsch aus, so ganz herausgeputzt. Stell dir vor, eine Anstellung in Washington.«

»Ja, wenn ich nicht verheiratet wäre, würde ich auch hinge­hen. Überall Männer!«

Louise würde eher sterben als zugeben, daß sie das Leben an sich vorüberziehen fühlte. Bisher hatte sie das nie gekümmert, doch in letzter Zeit flog ihr der Gedanke durch den Kopf wie einer dieser Doppeldecker, die ihre Reklamebänder über dem Strand von Atlantic City hinter sich herzogen. Man wußte nie, wann sie kamen. Man hörte ein Dröhnen, und schon tauchten sie direkt hinter der Küste auf, und der Pilot winkte einem zu. Auf Louises Spruchband stand: »Du wirst alt. Wie lange hast du noch?«

»Julia.?«

»Was?«

»Nichts.«

»Wie wäre es, wenn wir es bis hierhin in einem tiefen Rotton streichen, hier eine Stuhlleiste anbringen und darüber mit Weiß weitermachen?«

»Das sieht ohne Täfelung albern aus, und jetzt sag bloß nicht, daß du die Täfelung umsonst kriegst, Julia; ich bin schließlich nicht von gestern.«

»Ich hab gar nichts gesagt.« Juts blickte aus dem Fenster, ent­deckte Mary auf der anderen Straßenseite und sah auf die Uhr. »Wieso ist Mary um halb zwei nicht in der Schule?«

»Was?« Louises Blick folgte Juts' Zeigefinger. »Das finde ich gleich heraus.« Sie schritt forsch zur Tür, öffnete sie und rief hinaus: »Mary, wieso bist du nicht in der Schule?«

»Wir durften heute früher gehen, Mom.« Mary überquerte die Straße. »Ich bin nach Hause gegangen, aber du warst nicht da, und da bin ich hergekommen.«

»Warum durftet ihr früher gehen?« Louise war mißtrauisch.

»Der Heizkessel ist kaputtgegangen, also haben sie uns nach Hause geschickt, bevor es zu kalt wurde. Es sind bloß sieben Grad. Du kannst ja Mrs. Grenville anrufen und dich vergewis­sern«, antwortete sie trotzig.

»Wenn du schon mal da bist, kannst du dich auch nützlich machen.« Louise überging diese Provokation.

»Deswegen bin ich hier.«

»Wo ist deine Schwester?«

»Sie ist unterwegs. Ich hab ihr gesagt, sie soll Sachen mitbrin­gen.«

Gleich darauf kam Maizie mit zwei schweren Eimern um die Ecke geschlurft.

»Du hättest ihr helfen können.«

Ohne zu antworten, lief Mary schnell nach draußen und nahm ihrer überforderten Schwester einen Eimer ab.

Juts spähte in die Eimer, als die Mädchen hereinkamen. »Band, Kreide, Hämmer, Nägel, oh, hier ist ein aufklappbarer Zollstock, das ist besser als unser Maßband.«

Louise drehte den Thermostat an der Wand höher. »Es wird ziemlich kalt.« In den alten Heizkörpern blubberte es. »Wir müssen die Heizkörper entlüften.«

Juts schnappte sich Band und Kreide und markierte den Platz auf dem Fußboden, wo die Schränkchen stehen sollten.

»Mary, war das deine Idee - zu helfen?«

»Ja, Mutter.« Mary schenkte ihr ein breites, liebliches Lä­cheln.

15

Yoyo stand seit ihrer Osterandacht unter Hausarrest. Mit halb geschlossenen Augen saß die Katze im Fenster. Busters Bellen, als er um die Ecke bog, trieb sie von der Fensterbank zur Tür. Juts war jedoch mit dem einen oder anderen Katzentrick ver­traut, bückte sich also, kaum daß sie die Tür geöffnet hatte, und packte die gewiefte Ausreißerin, bevor auch nur eine Pfote die Schwelle überschreiten konnte.