Выбрать главу

Die Feier dehnte sich bis ins samtene Zwielicht. Angeregt durch seinen Sohn und den Schnaps, erklärte Flavius Cadwalder den Hunsenmeir-Schwestern, er wisse, wie schwer die Schuld auf ihnen laste. Wenn sie mit der Zahlung in Verzug gerieten, würde er mit ihnen eine Lösung finden. Alles jubelte und stieß mit noch mehr Schnaps auf dieses Entgegenkommen an.

Jacob Epstein Jr. ein High-School-Kumpel von Extra Billy, kippte auf dem Bordstein um. Die Männer hoben ihn auf den Pritschenwagen, wo die Kapelle spielte. Er verschlief sämtliche Stücke und gab lediglich bei>Red Sails in the Sunset< ein leises Stöhnen von sich.

Junior hatte ihre endlose Parade satt, weshalb Caesura sich zu ihr gesellte und sie zur Nordseite des Platzes zurückgingen. Junior mußte die beschwipste Caesura stützen, die log, sie hätte sich den Knöchel verstaucht.

Das Wunder des Abends war, daß Julia Ellen und Louise kei­nen Streit hatten, nicht einen einzigen. Alle wußten, das würde nicht von Dauer sein.

Am Sonntag darauf waren die Schwestern bei ihrer Mutter in Bumblebee Hill zum Abendessen.

Ein leises Klopfen an der Tür veranlaßte Julia, von Coras Eß­tisch aufzustehen.

»O Schatz, bleib sitzen«, sagte Chester, aber sie war schon draußen. Sie öffnete die Haustür und sah sich einem alten Mann gegenüber, der vielleicht einmal stattlich gewesen, nun aber gebeugt war.

»Ist Mrs. Hansford Hunsenmeir zu Hause?«, keuchte er.

»Ja. Warten Sie einen Moment.«

Sie kam zum Eßtisch zurück und flüsterte: »Mom, da draußen steht ein alter Kauz an der Tür. Geh lieber schnell hin, er sieht aus, als würde er jeden Moment tot umfallen.«

Cora legte ihre Serviette zusammen und ging zur Tür.

Juts, Chessy, Louise, Pearlie, Mary und Maizie hörten ge­dämpfte Stimmen, dann ein Schluchzen. Chessy und Paul liefen zur Tür.

Verwirrt folgten sie Cora, die dem alten Mann weinend zum Tisch half.

»Mädchen, dies ist euer Vater.«

21

»Der Mann ist nicht mein Vater.« Louise verschränkte die Ar­me vor der Brust.

»Also, wenn er nicht dein Vater ist, dann ist anzunehmen, daß er auch nicht meiner ist«, sagte Julia. Chester und Pearlie saßen in Louises großen Sesseln mit dem dicken wollenen Bezug, der wie ein Teppich aussah und bei warmer Witterung kratzte. Ma­ry und Maizie wurden im Bett vermutet.

Die Mädchen schlichen sich zum Treppenabsatz, um zu lau­schen. Bislang war es ihnen gelungen, sich still zu verhalten.

»Wollt ihr zwei euch nicht setzen? Ihr macht mich ganz schwindlig.« Mit einem ernsten Ausdruck in seinem kantigen Gesicht deutete Pearlie auf das Sofa.

»Ich kann nicht. Beim Rumlaufen kann ich besser denken.«

»Dann mußt du aber noch viel rumlaufen«, sagte Julia halb im Scherz.

»Jetzt ist nicht die Zeit für Späße. Ein Schwindler schleicht sich bei uns ein. Er wird Momma die Haare vom Kopf fres­sen.«

Chessy unterbrach sie: »Er wird nicht viel essen, Wheezie. Er pfeift auf dem letzten Loch.«

»Und die Arztrechnungen?« Louise, den Sinn stets auf Geld gerichtet, hatte Visionen von dicken Stapeln weißen Papiers, die an einem langen Nagel aufgespießt waren. Auf jedem Blatt war ein rotes Rechteck mit dem Wort>Rechnung< in der Mitte. Es war keine Vision, es war ein Albtraum im Wachzustand.

»Und dann die Kosten für das Begräbnis und den Sarg - man muß reich sein, um zu sterben.« Louise schritt schneller auf und ab.

»Man könnte ihn an einen Galgen hängen.« Chester verzog keine Miene. »Ich könnte innerhalb eines Tages einen bauen.«

»Ja, du könntest den Galgen vor Junior McGrails Salon auf­stellen. Das würde die Kundschaft abschrecken!«

»Andererseits, wenn man die Hunde bedenkt.«, wandte Chessy brottrocken ein.

»Wollt ihr zwei wohl den Mund halten.« Louise ließ sich aufs Sofa plumpsen. »Dies ist eine ernste Angelegenheit. Es ist schrecklich.«

»Momma hat so ein weiches Herz, sie wird ihn pflegen, egal, wer er ist. Er kann nicht unser Vater sein. Hansford Hunsenmeir war ein stattlicher Mann mit einem schwarzen Schnauzbart.«

»Nur daß der nicht richtig schwarz war. Er sah auf den Foto­grafien schwarz aus.«

»Woher weißt du das?«

»Ich erinnere mich an ihn - entfernt.« Louise seufzte. »Haupt­sächlich erinnere ich mich daran, wie Momma geweint hat.«

»Vierunddreißig Jahre sind eine lange Zeit. Ich bezweifle, daß irgend jemand so aussieht wie auf Fotos von damals«, bemerkte Pearlie.

»Wieso? Celeste Chalfonte sieht immer noch so aus«, entgeg­nete Louise.

»Sie ist die Ausnahme, die die Regel bestätigt«, sagte Paul.

»Ihr Haar ist silbergrau geworden - das ist aber auch alles.« Chester fuhr sich mit den Händen durch seine blonden Locken; sein Haaransatz war ein wenig zurückgegangen. Das gefiel ihm ganz und gar nicht.

»Also, wer immer er ist, er hat mich schon beleidigt, bevor er überhaupt am Tisch saß. Er hat gesagt,>du mußt Louise sein<. Ich habe>ja< gesagt, und dann hat er mit diesem jämmerlichen Möchtegernschnurrbart gewackelt und gesagt,>du mußt jetzt vierzig sein.<«

»Ach Wheezer, um Himmels willen, du bist vierzig.«

»Bin ich nicht. Das bin ich ganz entschieden nicht, und ich weiß nicht, warum du auf so einer Fehlinformation beharrst.«

»Wenn ich sechsunddreißig bin, bist du vierzig.« Juts blieb standhaft.

»Ich bin nicht vierzig! Und was dich angeht, der hat dich an­geguckt und wollte wissen, wo deine Kinder sind. Ich mag ja näher an den vierzig dran sein als du, aber ich bin wenigstens eine Mutter!«

»Louise, beruhige dich.«

Blitzschnell drehte sie sich zu ihrem Mann um. »Beruhigen? Was würdest du denn tun, wenn so ein gräßlicher Kerl durch die Haustür gefegt käme und behauptete, er wäre dein Vater?«

Pearlie verschränkte die Hände. »Ich würde darauf vertrauen, daß meine Mutter ihren Ehemann kennt.«

»Auf wessen Seite stehst du eigentlich?«, kreischte Louise.

»Auf deiner, Schatz, aber wenn Cora Hunsenmeir sagt, der Mann ist Hansford, dann ist er es.«

»Wie will sie das denn wissen? Sie hat ihn schließlich vier­unddreißig Jahre nicht gesehen.« Louise, deren Wut verebbte, weil sie wußte, daß Pearlie die Wahrheit sprach, sank auf ihrem Sitz zusammen.

»Er hat Recht.« Julia ließ sich neben ihre Schwester fallen, die sich abwandte, noch immer verstimmt, weil sie für vierzig gehalten wurde.

»Juts, ich finde, du läßt dich zu leicht beeinflussen.«

»Ha«, lachte Chessy.

»Leicht beeinflußbar oder nicht, was tun wir jetzt?«

Chesters volle Baritonstimme überraschte sie. »Wir werden tun, was Cora will.«

Tränen schimmerten in Julias Augen. »Aber Chessy, ich will nicht, daß dieser widerliche Kerl mein Vater ist.«

»Ich auch nicht.« Louise legte ihren Arm um Julias Schultern; ihre Kabbelei war augenblicklich vergessen.

»Aber Mädels, wir müssen das Beste draus machen. Chess hat Recht. Es ist Sache eurer Mutter.«

»Momma kann keinem Streuner widerstehen. Sie hat vier Katzen.«

»Fünf«, berichtigte Julia.

»Fünf? Seit wann hat sie fünf?«

»Sie hat ein ausgesetztes Kätzchen mit einem gebrochenen Bein gefunden.«

»Also, ihr wißt, was ich sagen will. Wir müssen Mutter vor sich selbst schützen.« Louises Worte klangen sehr reif.

»Schön, dann praktiziere dein Christentum«, riet Pearlie ihr.

Vom oberen Ende der dunklen Treppe meldete sich eine Stimme. »Geben ist seliger denn nehmen.«