Cora mutmaßte, daß Celeste in Washington eine Affäre hatte, doch mit wem, wußte sie nicht. Celeste sagte nie ein Wort darüber.
Ramelle kam im Herbst zurück, doch Celeste setzte ihre Ausflüge nach Washington fort. Manchmal nahm sie Ramelle mit. Cora dachte sich, daß sie früher oder später dahinter kommen würde, was da vorging.
Der Sommer war bemerkenswert wegen der Schwadronen von Schmetterlingen und weil die Orioles am Tabellenende landeten. Joe DiMaggio erzielte in sechsundfünfzig Spielen in Folge einen Treffer, was alle Welt ebenso begeisterte wie Whirlaways Dreifachsieg mit Eddie Arcaro im Sattel. Der Herbst war bemerkenswert wegen der großen Anzahl von Ringfasanen. Die Maisfelder waren voll von ihnen.
Als das Jahr 1941 auf den Winter zuging, zahlten die Schwestern Hunsenmeir Mr. Cadwalder einen Schwung ihrer Schulden zurück. Extra Billy fuhr fort, ein wenig dezenter - zumindest in Gegenwart von Louise und Pearlie -, Mary den Hof zu machen. Louise wirkte etwas besänftigt. Nicht, daß sie nicht noch immer auf das Erscheinen eines geeigneten jungen Mannes hoffte, eine Verbindung, die mit ihren hochfliegenden Zukunftserwartungen in Einklang stand. Sie betete weiterhin zur heiligen Jungfrau und setzte ihre gelegentlichen Besuche bei Diddy Van Düsen fort, von der berichtet wurde, daß sie anfange, sich für die heilige Jungfrau zu halten.
Juts war morgens die Erste, die die Ladentür aufschloß. Sie brühte Zichorienkaffee, um die Kundinnen zu verwöhnen, häufte Plätzchen, Kuchen und Doughnuts auf Teller und schrieb mit roter Kreide das Datum - 26. November 1941 - auf die Klatschzentralentafel. Da es Mittwoch war, würde es sehr geschäftig zugehen. Morgen war Thanksgiving, und die Damen wollten so schön aussehen, wie sie nur konnten.
24
Marys Augen glichen runden, roten Eidechsenaugen, die es der Eidechse ermöglichten, in zwei Richtungen zugleich zu sehen. Sie warf sich auf den mittleren Frisierstuhl imCurl 'n' Twirl und heulte noch mehr.
Ein wilder Truthahn, ein Beweis der Fertigkeit des Präparators, teilte sich das Schaufenster mit blank polierten Garten- und Riesenkürbissen. Die Leute winkten im Vorübergehen. Das Schild im Fenster zeigteGeschlossen an; denn es war halb sieben. An diesem Tag war es so lebhaft zugegangen, daß nicht mal Zeit für eine Kaffeepause geblieben war. Maizie war mit ihrem Vater einkaufen, und das war gut so, da Louise, die mit ihrer Geduld am Ende war, sie zusammenfalten würde, wenn sie während dieses letzten Wortwechsels den Mund aufmachte. Es versprach, ein freudloses Thanksgiving zu werden.
»Ich liebe ihn, Mutter!« Mary fing aufs Neue zu schluchzen an.
Juts schrubbte die Waschbecken, Louise kehrte den Fußboden. Mary, durch ihr Leid wie gelähmt, tat nichts als leiden, worin sie unübertrefflich war.
»Hör auf zu sabbern.« Wheezie rummste mit dem Besen an die Stuhllehne. »Wenn ich das Wort>lieben< noch einmal höre, schneid ich dir die Zunge raus.«
Mary heulte gequält auf.
»Ach Louise, nicht die Zunge rausschneiden, kleb ihr einfach den Mund zu.« Juts' Hände schwitzten in den dicken roten Gummihandschuhen. Sie war eitel mit ihren Händen.
»Tante Julia, ich dachte, du bist auf meiner Seite.« Marys Nase tropfte mit ihren Augen um die Wette.
»Ich bin auf deiner Seite, Mary. Deswegen muß ich deiner Mutter beipflichten - fünfzehn ist zu jung zum Heiraten. Du kannst Billy später heiraten.«
»Wann? Sie wird alles tun, um uns auseinander zu bringen.« Dem folgte ein Stöhnen, das Tote hätte auferwecken können.
»Er hat keine Zukunft, keine Herkunft, kein gar nichts.« Louise schlug wieder mit dem Besen.
»Du kennst ihn nicht, Momma.«
»Ich will ihn auch nicht kennen. Du hast dir von einem hübschen Gesicht den Kopf verdrehen lassen. Die Ehe ist mehr als das.« Auf ihren Besen gestützt, hielt sie inne. »Wie bedauerlich, daß Ramelle nicht einen Jungen hat statt eines Mädchens. Das wäre eine himmlische Verbindung.«
»Dir geht es einzig und allein ums Geld.«
»Genau«, blaffte Wheezie zurück. »Und wenn du erwachsen bist und deine Rechnungen selbst bezahlen mußt, wird es endlich in deinen Dickschädel dringen, daß ich nur dein Bestes will. Ein mittelloser Ehemann macht nicht glücklich, glaub mir. Die Liebe nutzt sich nach einer Weile ab, und du tust gut daran, mehr zu haben als das, sonst bist du bloß ein dämliches Weib, das einem dämlichen Kerl hinterher läuft.«
»Ich hasse dich!« Mary sprang vom Stuhl und rannte zur Tür.
»Mary«, rief Julia ihr nach, »komm wieder her. Ihr seid wie zwei Kampfhähne. Es muß doch einen Kompromiß geben.«
»Mit ihr nicht.« Mary quietschte beinahe.
Louise brüllte zurück: »Hör zu, mein Fräulein, wenn du meinst, du könntest hinter meinem Rücken heiraten, werde ich die Ehe in Nullkommanix annullieren lassen, schreib dir das hinter deine feuchten Ohren.«
»Du verstehst es nicht. Du verstehst es einfach nicht.« Mary plärrte wieder los.
»Setzt euch hin, alle beide. Ich hab dieses Gezerre satt. Himmel noch mal, davon kriegt man ja Kopfschmerzen.« Juts deutete auf die beiden äußeren Stühle. Sie stand vor dem mittleren Stuhl, mit dem Rücken zu Ablage und Spiegeln. »Jetzt sage ich euch mal meine Meinung, und ich will, daß ihr beide eure große Klappe haltet.« Sie zeigte auf Mary. »Du bist fünfzehn Jahre alt. An deinem Alter kannst du nichts ändern.«
Mary wandte ein: »Wieso nicht, tut Mom doch auch.«
»Du kleines.« Louise sprang auf, um ihr eine zu verpassen, doch Juts stieß sie auf ihren Sitz zurück.
»Das reicht jetzt mit euch beiden. Ich meine es ernst.« Sie setzten sich wieder wie zerzauste Hühner in ihren Brutkäfigen, und Juts fuhr fort: »Mary, Extra Billy wird noch da sein, wenn du im Januar sechzehn wirst. Wozu die Eile? Du kannst ihn heiraten, wenn du deinen High-School-Abschluß in der Tasche hast.«
»Julia Ellen!«, brüllte Louise. »Hast du den Verstand verloren?«
»Nein, hab ich nicht. Louise, sie ist verliebt. Sie wird diesen Jungen heiraten, ob es dir paßt oder nicht. Nun kann sie entweder durchbrennen und uns alle zu Tode ängstigen, oder sie machen das Beste draus, und es gibt hier zu Hause eine anständige Hochzeit mit genug Zeit für die Vorbereitungen. Da sie eine Klasse übersprungen hat, ist sie im Juni mit der High School fertig und für sich selbst verantwortlich.«
»Du willst, daß ich einen Kieselstein zum Diamanten schleife«, schrie Louise mit hervortretenden Halsadern.
»Mutter!« Mary hatte etwas dagegen, als Kieselstein bezeichnet zu werden, obwohl ihre Mutter es so nicht gesagt hatte.
»Ich will, daß du dich in das Unvermeidliche fügst. Himmel, Louise, vielleicht wird es sogar eine gute Ehe.«
»Daß ich nicht lache.« Louise knallte die Faust auf die Armlehne des Frisierstuhls.
»Wirst du lachen, wenn ein uneheliches Kind kommt?« Juts zeigte mit dem Finger auf ihre Schwester.
»Was? Was!« Louise schoß vom Stuhl und schob ihr Gesicht ganz nahe an Marys. »Bist du.?«
»Nein!«
»Lüg mich nicht an, du Flittchen.«
»Ich lüg dich nicht an.« Mary wollte ihre Mutter täuschen, doch da sie schwanger war, verriet ihre Stimme sie.
»Julia, lügt sie mich an?«
Juts zuckte viel sagend die Achseln. Sie wußte es wirklich nicht, vermutete es aber.
»Ich will nicht Großmutter werden«, jammerte Louise. »Ich bin nicht alt genug, um Großmutter zu sein.«
»Na schön, dann geben wir dich eben als Marys Schwester aus - ihre deutlich ältere Schwester«, höhnte Julia.
»Wirst du wohl still sein!« Mit bebenden Nasenflügeln drehte Louise sich zu Juts um. »Du hast Mary diesen Unfug von Liebe und Eintracht mit einem Mann eingetrichtert, ach, da kann einem ganz schlecht werden. Es gibt keine Eintracht mit Männern, Mary. Weit gefehlt, Töchterchen - du sagst den Männern, wo es lang geht. Du organisierst ihr Leben. Du reißt ihnen die Lohntüte aus der Hand, bevor sie das Geld verpulvern können. Du sagst, was sie hören wollen. Du läßt sie in dem Glauben, deine Ideen seien ihre Ideen. Es ist ein Haufen Arbeit, einen Mann zu gängeln, aber du mußt es tun, weil sie so gottverdammt dämlich sind!« Sie erschrak über ihr eigenes »Gottverdammt«.