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»So will ich nicht lieben«, sagte Mary entschlossen.

»Juts, du bist an allem Schuld. Du und dein Getue um Chessy. Der ist doch arm wie eine Kirchenmaus.« Louise fuchtelte mit dem Finger vor dem Gesicht ihrer Schwester herum. »Du hast doch nur Flausen im Kopf.«

»Wir wohnen in einem hübschen Haus.« Juts hielt ihre auf­steigende Wut im Zaum.

»Du hättest gar nichts ohne meine ausrangierten Sachen - oder Celestes. Eins steht fest, Mutter Smith würde dir nicht mal einen verschimmelten Laib Brot geben.«

»Louise, ich gestehe dir zu, daß du überreizt bist.«

»Überreizt? Ich könnte jemandenumbringen.« Sie atmete langsam ein und stieß die Luft dann heftig aus. »Du bist keine Mutter. Du kannst nicht verstehen, wie mir zumute ist.«

Julia hatte das schon viel zu oft gehört, aber diesmal biß sie nicht an. Sie wußte nicht, ob ihre Nichte in Schwierigkeiten steckte oder nicht. Doch sie wollte nicht, daß Mary durchbrann­te. Ebenso wenig wollte sie, daß das Mädchen den Rest seines Lebens gegen seine Mutter anzukämpfen hatte. Louise mußte nachgeben, um sich die Liebe ihrer Tochter zu bewahren und ihre Familie zusammenzuhalten. Juts lebe seit vierzehn Jahren mit einem Ehemann, dessen Mutter Tag für Tag deutlich mach­te, daß sie für unzulänglich befunden wurde. Das war kein schönes Gefühl. Zuerst ignorierte man es. Dann wurde man wütend. Schließlich stumpfte man ab, aber das Schlimme war, daß man auch in anderen Dingen abstumpfte, anderen Men­schen gegenüber. Es griff um sich, dieses taube Gefühl.

»Louise, du bist eine gute Mutter.«

»Oh, vielen Dank«, sagte Louise spöttisch.

»Vogelmütter stoßen ihre Kinder aus dem Nest. Mary ist be­reit, aus dem Nest zu fliegen. Alles, was du ihr beigebracht hast, wird sie behalten. Quäl dich nicht so. Sie hat sich einen Jungen ausgesucht, der dir nicht gefällt. Aber Wheezie, er hat ein gutes Herz.« sie holte Luft ». hoffe ich. Die meiste Zeit hat der Junge nicht mal genug zu essen gehabt, und das weißt du! Der Kleine hat angefangen, sich sein Essen zu verdienen, als er sie­ben Jahre alt war. Wenn du eins über ihn weißt, dann daß er nicht faul ist. Er hat Mary gefunden, und sie hat ihn gefunden. Laß den Herrn seine Wunder wirken. Immerhin hat er sie zu­sammengebracht.«

Die Anrufung des Herrn war Julias Trumpf.

Louise schürzte die roten Lippen. Nichts kam heraus, nicht einmal ein leises Zischen.

Auch Mary war sprachlos.

Schließlich fand Louise die Sprache wieder. Auch wenn ihre Schwester mit einem überzeugenden Argument zu ihr durchge­drungen war, sie mußte die Wahrheit wissen. Mit ruhiger Stimme fragte sie: »Mary, bevor ich irgend etwas entscheiden kann, muß ich es wissen. Bist du schwanger?«

Mary brach in Tränen aus. Louise hatte ihre Antwort.

Juts tätschelte Marys Hand. »Ist schon gut, Kind, du bist nicht die Erste.«

Ernüchtert fing Louise an zu weinen. »O Mary, wie konntest du? Nach allem, was ich dir beigebracht habe.«

»Das hilft jetzt nicht weiter.« Julia sah die beiden Frauen an, die in Tränen aufgelöst waren. »Alle Erziehung der Welt kann Mutter Natur nicht ändern.« Ehe Wheezie ihre moralischen Einwände auffahren konnte, fuhr Juts fort: »Mary, das war sehr unklug. Du mußt dir klar machen, daß du etwas getan hast, das sich nicht ungeschehen machen läßt. Selbst wenn alles gut wird, hast du dein ganzes Leben verändert, bevor wir die Möglichkeit hatten, es gemeinsam zu überdenken - deine Zukunft, meine ich.«

»Ich weiß«, heulte Mary. »Aber ich liebe ihn.« Der Ge­fühlsausbruch erzeugte einen weiteren Tränenschwall.

»Louise?«

Leichenblaß krächzte Louise: »Ich kann nicht glauben, daß sie mir das angetan hat.«

»Sie hat es nicht dir angetan, Schwesterherz. Sie hat es sich selbst angetan. Wie sehr hast du mit fünfzehn an andere Men­schen gedacht? Das Kind steckt in der Klemme. Ob es dir paßt oder nicht, wir sind ihre Familie. Wir müssen ihr helfen.«

Inzwischen gefaßter, fragte Louise ihre Tochter: »Weiß er Be­scheid?«

»Ja. Er hat letzte Woche gesagt, daß er mich heiraten will.«

»Letzte Woche!«

Juts hob die Hand. »Das war richtig von ihm. Hängen wir uns doch jetzt nicht an dem Zeitpunkt auf.«

»Ich wußte nicht, wie ich's dir sagen sollte.« Mary schluchzte aufs Neue.

Mit klarer Stimme sagte Julia: »Gib ihnen deinen Segen. Er­mögliche ihr eine anständige katholische Trauung. Pearlie wird Billy über seine Verpflichtungen aufklären müssen. Chester kann dabei helfen. Das machen die Männer unter sich aus. Uns bleibt nur, ihn in unserer Familie willkommen zu heißen.«

Louise kämpfte mit den Tränen. »Ich will nicht, daß ihr weh­getan wird.«

»Das wird so oder so passieren. Da kann sie es ebenso gut selbst in die Hand nehmen.«

»Was meinst du damit, Tante Juts?«

»Sie meint, Billy wird sich mit anderen herumtreiben.«

»Wird er nicht!«

Julia hob Schweigen gebietend die Hände. »Nichts derglei­chen habe ich gesagt. Ich weiß nicht, was geschehen wird. Ich weiß nur, daß das Leben einem ab und zu eins reinwürgt. Da kommt man drüber weg. Louise, dreh mir die Worte nicht im Mund herum. Mary, wenn deine Eltern das für dich tun, mußt du die Schule zu Ende machen, bevor du arbeiten gehst.«

Diese Aussicht war nicht verlockend, aber Mary nickte zum Einverständnis. Ein langes Schweigen folgte. Draußen hörten sie knirschende Schritte, wenn Leute vorübergingen. Hin und wieder winkte Julia jemandem zu.

Schließlich sagte Louise im Flüsterton: »Also, Mary, es ist dein Leben. Ich bin Risiken eingegangen. Da wirst du wohl auch deine Risiken eingehen müssen.«

Mary taumelte zu ihrer Mutter und umarmte sie. Dann ergin­gen sie sich in vereintem Schluchzen.

Erschöpft vom Schlichten und Geradebiegen, schaltete Juts die Deckenbeleuchtung aus. Tante zu sein war harte Arbeit; eine Mutter zu sein mußte die Hölle sein, und doch, man sehe sie sich jetzt an, die beiden.

25

»Mom, ich kann mein Bouquet nicht finden.« Maizie rang ver­zweifelt die Hände.

»Du wirst es finden!«, befahl Louise.

»Aber Mom, ich kann mich an nichts erinnern.« Das junge Mädchen, mit glänzendem Pagenschnitt, lehnte an der Wand des Kirchenvestibüls.

»Paß auf, daß du dein Kleid nicht zerknitterst. Es hat fast so viel gekostet wie das Brautkleid deiner Schwester. Ich kann mich nicht erinnern, daß die Preise so hoch waren, als ich ge­heiratet habe.«

»Sie trägt deinen Schleier. Damit hast du bestimmt eine Men­ge Geld gespart«, erwiderte Maizie, bei der sich erste Anzei­chen von Aufsässigkeit bemerkbar machten.

Louise, erschöpft und mit ihrer Geduld am Ende, ging darüber hinweg und nahm ihr jüngeres Kind in die Mangel. »Wo bist du in den letzten zwanzig Minuten gewesen?«

»Ich war auf der Toilette.«

»Hast du das Bouquet vielleicht da liegen gelassen?«

»Weiß ich nicht. Da ist dauernd jemand drin.«

»Ich würde dort anfangen.«

»Und wenn es da nicht ist, Mom?«

»Dann denk nach, wo du sonst noch gewesen bist.« Louise sah auf ihre Uhr. »Immer einen Schritt zurück.«

»Ja.« Maizie wackelte auf ihren hochhackigen Schuhen Rich­tung Toilette.