»Ich weiß.« Sie lächelte. »Natürlich verratet ihr keiner Menschenseele, daß ich ein japanisches Kleidungsstück trage.«
»Besser als Lederhosen«, witzelte Juts.
»Da hätte ich kalte Beine.« Celeste setzte sich zu ihnen an den Tisch und durchstöberte ihr Sattelzeug. »Irgend etwas ist immer, nicht? Ich habe zwei Martingale zerrissen - das heißt, nicht ich, sondern Rambunctious - und, oh, danke.«
Cora stellte Celeste eine Tasse Tee hin, dann bediente sie Hansford, Juts und schließlich sich selbst, bevor sie sich neben Celeste setzte. »Maizie hat eine Stinkwut im Bauch.«
»Sie kann nicht nackt auf den Ball gehen.« Celeste lachte.
»Louise kriegt einen Tobsuchtsanfall.« Hansford schüttelte den Kopf.
»Wenn's nach Louise geht, ist sie die einzige Mutter auf der Welt. Ansonsten hat niemand von uns die leiseste Ahnung. Sie legt sich sogar mit dir an, Momma«, sagte Juts.
Cora lächelte. »Louise bildet sich eine Menge ein.« Sie fügte hinzu: »Selbst wenn ihr alle zusammenlegt und Maizie das Kleid kauft, wird Louise es zurückbringen, das steht fest.«
»Tja. Ekelhaft, gemein und herrisch - das steht auch fest.«
»So spricht eine richtige kleine Schwester«, bemerkte Celeste. »Ich war selbst eine.«
Hansford zog an seiner Zigarre. Er musterte Juts. »Sie ist wie deine Mutter«, bemerkte er kichernd zu Cora.
»Nun ja - Momma hatte auf alle Fälle Sinn für Humor.«
»Bepe war total bekloppt.« Hansford nannte Harriet Buckingham bei ihrem Kosenamen.
»Ich bin nicht verrückt. Louise ist verrückt. Ich bin vollkommen normal.«
»Ist die Erinnerung nicht gnädig?«, meinte Celeste.
»Moment mal, Hansford, Bepe war kein bißchen übergeschnappt.« Cora klapperte mit ihrer Teetasse; ihre Hände waren zierlich geblieben, obwohl sie mit den Jahren zugenommen hatte.
»Sie hat bei Pauline Basehart ein Netz über deinen Vater geworfen und ihn raus auf die Straße gezogen. Hat die Mädels wahrlich überrumpelt. Ich sag euch, das war ein Anblick.« »Na wenn schon. Ist lange her.«
»Wer war Pauline Basehart?«, fragte Juts.
»Die Puffmutter«, klärte Celeste Juts auf.
»Mom!«, rief Juts.
»Mein Vater hatte eine Schwäche für Frauen.«
»Schwäche - er ist daran gestorben. Da stand er mitten auf der Hanover Street, splitterfasernackt, und Bepe hat ihm den Arsch versohlt, bis er aus der Nase blutete. Er konnte sich nicht aus dem Netz befreien, und Pauline dachte nicht daran, ihm rauszuhelfen. Sie hat ein Mädchen losgeschickt, um Ardant Trumbull zu holen - Pearlies Großonkel -, der damals Sheriff war.«
»Das hab ich nicht gewußt«, rief Juts.
Hansford lachte. »Mädchen, in Runnymede ging es hoch her, bevor du auf die Welt kamst.«
»Mein Vater.« Cora zuckte die Achseln. Sie wußte nicht, was sie sagen sollte.
»Er war nicht besser und nicht schlechter als viele andere, aber Bepe hat ihn Mores gelehrt.« Hansford schüttelte den Kopf.
»Du findest, ich bin wie Bepe?«, fragte Juts.
»Haargenau.« Hansford klatschte in die Hände. »Wie aus dem Gesicht geschnitten.«
»Alte Männer leben in der Vergangenheit«, hielt Cora ihm vor.
»Wenigstens kann ich mich dran erinnern. Harold Mundis' Großvater hat nicht mal seine Kinder erkannt, als er in meinem Alter war.«
»Ich erfahre ja allerhand.« Juts stand auf und schenkte allen noch einmal Tee ein. »Celeste, ich sterbe vor Hunger. Kann ich eins von Ihren Hörnchen haben?«
»Stell sie auf den Tisch. Dann haben wir alle was davon.«
Juts bewunderte das handbemalte Porzellan, als sie die Hörnchen mitten auf den Tisch stellte.
»Wir haben das Problem Maizie noch nicht gelöst.«
Ramelle kam zur Haustür herein. Sie hörten, wie sie den Schnee von den Füßen stampfte.
»Jemand zu Hause?«
»Wir sind in der Küche«, antwortete Celeste.
Ramelle kam herein und rieb sich die Hände. »Es wird eiskalt da draußen. Hörnchen! Cora, Sie haben sich selbst übertroffen.«
Ramelle quetschte sich neben Celeste und vernahm die ganze traurige Geschichte von Maizie und dem smaragdgrünen Kleid bei Bon-Ton, das es ihr angetan hatte. Cora machte frischen Tee.
»Kann sie nicht eins von Spotts' Kleidern anziehen? Maizie hat jetzt ungefähr ihre Größe, oder?«
»Prima Idee«, fand Celeste.
Sie marschierten nach oben zu dem riesigen Kleiderschrank aus Zedernholz. Das Treppensteigen strengte Hansford an. Keuchend setzte er sich auf einen Regency-Stuhl. Viele Kleider waren aus der Mode, doch ein entzückendes aus flammend rotem Chiffon war genau das Richtige.
»Maizie wird aussehen wie das leibhaftige Weihnachten«, sagte Ramelle.
»Und wenn Louise sagt, es ist ein Almosen?« Juts befühlte den hauchdünnen Stoff.
»Das laß mal meine Sorge sein«, erklärte Celeste.
Als sie hinuntergingen, sagte Julia zu Ramelle: »Louise reitet dauernd darauf herum, wie anders es ist, eine Mutter zu sein. Sie sagt immer, ich könne das nicht verstehen. Sie sind eine Mutter. Ich finde, Sie sind kein bißchen anders als vor Spottiswoods Geburt.«
»Äußerlich nicht; innerlich ja. Jemand anders trat an erste Stelle.«
»Oh«, antwortete Juts matt.
Cora hielt sich unten am Geländerknauf der dunklen Mahagonitreppe fest und wartete auf Juts. »Gräm dich nicht so deswegen. Du wirst nie ein Kind bekommen, wenn du die ganze Zeit dran denkst. Das bringt deine Innereien durcheinander.«
»Da hat sie Recht.« Celeste legte Juts den Arm um die Schultern.
»Bei mir steht Chessy an erster Stelle. Das kann ja nicht so ein Unterschied sein.«
»Chessy ist nicht hilflos«, erklärte Ramelle.
»Wollen wir wetten?«, entgegnete Juts.
»Alle Frauen meinen, die Männer seien hilflos ohne sie«, sagte Celeste. »In Wahrheit kommen sie ganz gut ohne uns zurecht. Vielleicht genießen sie es nicht so sehr, aber sie werden's überleben.«
Cora widersprach ihr. »Eine Frau kann ohne Mann leben, aber ein Mann nicht ohne Frau.«
»Was meinen Sie, Hansford? Sprechen Sie für die Männerwelt.«
»Nun ja, ein Mann kann vielleicht ohne Frau leben, aber dann wäre das Leben nicht lebenswert. Ich habe Männer in den Minen an Einsamkeit sterben sehen, jawohl.« Er kam wieder auf Juts' Dilemma zurück. »Mädchen, wenn du ein Kind willst, dann solltest du eins kriegen.«
»Ich weiß nicht, ob ich kann.« Juts schluckte schwer an den Worten.
»Du kannst«, sagte Celeste mit Bestimmtheit. »Der Doktor hat bei dir nichts festgestellt. Du mußt Chester dazu bewegen, zum Arzt zu gehen.«
»Männer sind eigen in solchen Dingen.« Hansford hustete; er brauchte ein paar Sekunden, um wieder zu Atem zu kommen. »Wenn er nicht hingehen will, Julia - es gibt Kinder, die ein Zuhause brauchen. Denk mal drüber nach.«
»Ich weiß nicht, ob Chessy ein Kind großziehen möchte, das nicht von ihm ist.«
»Hast du ihn gefragt?« Celeste ging die Dinge gewöhnlich ganz rational an, so daß die empfindlichsten Punkte gar nicht berührt wurden.
»Nein.« Juts' Stimme wurde schwächer.
»Also - frag ihn.«
»Ich kann nicht. Ich hab Angst.« Julias Kinn zitterte.
»Du mußt das Thema nur ganz geschickt zur Sprache bringen«, meinte Ramelle beschwichtigend.
»Ein unerwünschtes Kind würde nicht anerkannt. Mutter Smith würde sich anstellen wie von der Kuh ge...«
Celeste unterbrach sie: »Mutter Smith ist eine Kuh.«
Julia lächelte matt. »Chessy würde sich nicht gegen seine Mutter stellen, und sie wird kein Kind wollen, das nicht von ihrem Fleisch und Blut ist.«
»Ich glaube, du hast Recht, was Mutter Smith angeht, aber vielleicht unterschätzt du deinen Mann - immerhin hat er dich geheiratet«, sagte Ramelle.