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»Louise«, hielt Juts ihr vor, »du warst von Pearliebesessen. Du hast seinen Namen in deine Schulbücher geschrieben, und Miss Dwyer hat puterrote Flecken gekriegt, als sie sah, daß du Staatseigentum verunstaltest. Du warst schrecklich.«

»War ich nicht. Ich habe Mutter nicht angelogen.«

»Nein.« »Und ich war nicht frech zu ihr. Du dagegen warst eine Ner­vensäge.«

»Zu Recht. Pearlie hat mir immer zehn Cent gegeben, damit ich euch beide allein lasse. Ich hab einen ganz schönen Reibach gemacht.« Sie lächelte. »Ich glaube, du warst mehr in Pearlie verliebt als ich in Chester. Aber du warst jünger, als du ihn ken­nen gelernt hast. Ich liebe Chessy, aber ich glaube, ich war ihm nicht ganz so verfallen.«

»Nein, aber du warst ja schon immer unabhängig.«

»Er ist mir noch immer böse.«

»Oh.«

»Er kommt spät von der Arbeit nach Hause und liest Zeitung. Er spricht kaum mit mir.«

»Chessy?« Das überraschte Louise. Ihr Schwager war ein be­sonnener Mensch.

»Gestern ist er eine Dreiviertelstunde mit Buster spazieren ge­gangen.«

Buster war ihr Irish Terrier, ein munteres, ausgelassenes Kerl­chen, das an Juts und Chessy ebenso hing wie an Yoyo, der Katze.

»Na und? Chester geht gern mit Buster spazieren.«

»Ich weiß, aber gewöhnlich geh ich mit.«

»Er ist krank vor Sorge wegen dem Geld.«

»Ich auch!« Juts zog ihre Schuhe wieder an. »Ich glaube, mei­ne Füße wachsen. Jedenfalls, ich tu was nach dem Schlamassel, den wir angerichtet haben. Ich bin bereit zu arbeiten, aber Ches­sy sagt, man braucht Geld, um Geld zu verdienen. Ich hoffe sehr, daß du bei Diddy was erreichst, denn dann brauchen wir für den Anfang nicht so viel Geld.«

»Ja.« Louise war ebenfalls besorgt. Eigentlich war sie zu Ce­leste gegangen, um sie um ein Darlehen zu bitten. Ehe sie den Mund aufmachen konnte, bat Celeste sie, bei Diddy zu vermit­teln. Da Diddy und Louise zusammen zur Schule gegangen und Freundinnen geblieben waren, hatte sich Louise gerne bereit erklärt. Es ersparte ihr die Demütigung, der Arbeitgeberin ihrer Mutter etwas zu schulden. Als sie endlich zu Wort kam, bat sie um die Miete für ein Jahr. Celeste hatte gelacht und sie ver­schlagen genannt. Verschreckt wäre zutreffender gewesen.

»Weißt du, was Chessy gestern Abend zu mir gesagt hat?«, fuhr Juts fort. »Er hat gesagt, die gefährlichste Speise der Welt sei eine Hochzeitstorte.«

6

Diddy Van Düsen pflegte die Askese der unermeßlich Reichen. Selbstverleugnung in solch verschwenderischen Ausmaßen verschlug Juts die Sprache. Mit Freuden hätte sie die abgelegten Kleidungsstücke genommen, die Diddy an die Armen verteilte. Nicht, daß Juts so entsetzlich arm war, doch ihr war bewußt, daß sie sich im amerikanischen Klassensystem mit Mühe und Not in der unteren Mittelschicht hielt. Ihre gute Herkunft hielt sie aufrecht, aber nicht so sehr wie Louise, die die Töchter der Revolution anrief, sobald sie sich bedroht fühlte. Erlauchte Vor­fahren hatten Julia Ellen nie einen Penny eingebracht, also ent­hielt sie sich des großen Südstaaten-Lasters der Ahnenvereh­rung.

Als sie jetzt mit Diddy über das Immaculata-Grundstück schritt, bemühte sie sich um eine heitere Miene.

»Wir haben einen neuen Schlafsaal gebaut, seit du zuletzt hier warst.«

»Wunderbar«, gurrte Louise.

»Wir bemühen uns um strenge Disziplin - immerhin steckt das Leben voller Prüfungen.« Diddys ausgeprägte Züge glichen ihren blassen Teint aus. Sie sah eher wie eine Van Düsen aus als wie eine Chalfonte.

»Wird dir das hier nie zu viel?«, entführ es Juts.

Diddy blieb an der Sonnenuhr mitten im Innenhof stehen. »Nein, ich führe Mutters großartiges Werk fort.«

»Deine Mutter war eine Heilige.«

Juts unterdrückte ein Feixen, als Louise Diddy mit Lobprei­sungen, die ihrer verstorbenen Mutter, ihr selbst und Immacula­ta galten, überschüttete. Als Juts wieder im Auto saß, schmerz­ten ihre Gesichtsmuskeln von all dem falschen Lächeln.

Louise frohlockte über ihren Sieg.

»...bei der bloßen Erwähnung gottloser Menschen fing Car­lotta an zu zittern. Aber es ist wahr, weißt du.«

»Was ist wahr?«

»Julia Ellen, du hast mir überhaupt nicht zugehört.« »Doch, hab ich wohl. Du hast über die Engländer und die Deutschen gesprochen, die in Nordafrika kämpfen. Es war doch Nordafrika?«

»Liest du keine Zeitung?«

»Ich lese den Sportteil von vorne bis hinten. Die Orioles wer­den dieses Jahr groß rauskommen.«

»Juts, außer dir schert sich kein Mensch um eine Zweitliga­mannschaft. Die Orioles sind kleine Fische; in der ersten Liga, da spielt die Musik.«

»Baseball ist Baseball!«

»Also, was ich sagen wollte, ich habe den Verkauf ihrer Akti­en zur Sprache gebracht und ihr offen gesagt, daß Celeste mich geschickt hat, weil sie weiß, wie sehr mir diese wichtigen mora­lischen Angelegenheiten am Herzen liegen.«

»Ha.«

»Sie liegen mir sehr am Herzen - jedenfalls, ich habe ihr ge­sagt, so schlimm es im Augenblick auf der Welt zugeht, es wird noch viel schlimmer kommen, wenn die Kommunisten sich zurücklehnen und zugucken, wie Deutschland alle in die Knie zwingt, um dann einzugreifen und das geschwächte Deutsch­land einzunehmen, während sie ganz Europa überrennen. Sie glauben nicht an Gott. Sie meinen, alles dreht sich ums Geld.«

»Tut es das nicht?«

»Julia!«

»Schon gut, schon gut. Gute Arbeit. Celeste wird dir dankbar sein.«

»Eine Jahresmiete!«

Juts' Miene hellte sich auf. »Wir wär's mit einer gestreiften Markise draußen? Rotweiß.«

»Grünweiß.«

»Das würde wie ein Lebensmittelladen aussehen. Wir müssen knalliger sein, und wir dürfen Junior keine Angriffsfläche bie­ten. Das müßte sie sich schon aus den Fingern saugen - ver­stehst du, was ich meine?«

»Hm...«

»Rotweiß.«

»Rotweiß«, stimmte Louise zu.

Juts betrachtete die dunkelgrauen Wolken, die von Westen he­ranzogen. »Louise, ich bin richtig stolz auf dich. Ich hätte nicht mit Diddy reden können. Ich kann nicht mal mit meinem Mann reden.«

»Ach, das geht vorbei. Was du brauchst, ist ein Kind.«

»Es ist ja nicht so, als hätte ich mich nicht bemüht. Er will nicht zum Arzt gehen. Ich hab ihm sogar erzählt, daß ich dort war und bei mir alles in Ordnung ist.«

Der erste Regentropfen, der auf die Windschutzscheibe platschte, zwang Louise, langsamer zu fahren. »Ich fahr nicht gern im Regen.«

»Dann geht's uns beiden so, wenn du am Steuer sitzt. Warum läßt du mich nicht fahren?«

»Ich hab dir doch gesagt, Pearlie würde sterben oder mich umbringen. Ich hab den Wagen heute nur gekriegt, weil Pearlie sich bei Ihrer Hoheit lieb Kind machen will.«

»Nicht dumm von ihm. He, Wheezer, halt doch mal an der Es­so-Tankstelle da vorne, ich brauche eine Coca-Cola.«

Während Juts zwei kalte Flaschen aus dem großen roten Kühlautomaten zog, sah Louise den spritzenden, mit Graupeln vermischten Regentropfen zu.

»Jetzt muß ich den Wagen waschen und wachsen.«

»Die Männer lieben ihre Autos mehr als uns.«

»Pearlie sagt, der Wagen ist zuverlässiger und wirft nicht mit Tellern nach ihm.«

Juts schnippte den Metallverschluß von der Flasche. Er fiel mit einem Klick in den Schlitz. Sie reichte ihrer Schwester die Flasche.

»Ich bringe Celestes Geld morgen früh zu Barnhart. Wollen wir uns um neun am Laden treffen?«

»Abgemacht.«

Sie stiegen wieder ins Auto; Regen und Graupel platschten in grauen Strömen herunter.

Juts schlug vor: »Laß uns warten, bis es vorbei ist. Außerdem hätte ich gern ein paar Erdnüsse.«

»Du kannst sie nicht im Auto essen. Ein Fitzelchen Schale, und mein Mann zieht mir bei lebendigem Leibe die Haut ab.« »Schon gut. Schon gut.« Juts schlug die Tür zu und flitzte zu dem kleinen Verkaufsstand.