»Wie sieht es mit den anderen Pflanzen aus?«, fragte er.
»Die Radieschen sind okay, die Zucchini sind noch zu retten, die Gurken sind in Ordnung, der Koriander und die anderen Kräuter sind unberührt, aber der Mais ist ruiniert. Verdammt!«
»Brauchst du Hilfe?«
Sie nickte. »Wir retten nach dem Frühstück, was zu retten ist. Jetzt gieße ich erst mal zu Ende.«
»Wir könnten Fallen aufstellen, wenn du willst. Hobie weiß, wie das geht.«
»Keine Fallen«, sagte sie. »Und kein Gefängnis. Ich hasse die kleinen Bastarde, und ich wünschte, dass sie tot wären, aber ich will nicht diejenige sein, die sie umbringt.«
»Es ist dein Garten.« Doug ging zur Vorderseite des Hauses und stieg die Stufen zur Veranda hinauf. Als er die Gittertür öffnete, hörte er das Geräusch langsamer, müder Schritte auf dem Fußboden. Er stand bewegungslos da, den Mund vor gespielter Ungläubigkeit geöffnet, als Billy von der Couch in die Küche ging. »Ich glaube es nicht«, sagte er. »Wunder über Wunder!«
»Ja, ja«, maulte Billy.
»Du bist tatsächlich von selbst aufgestanden!«
»Ich muss ins Badezimmer«, murmelte Billy und ging über den Flur.
»Warte mal«, sagte Doug.
Billy drehte sich um.
»Alles in Ordnung?«
Der Junge starrte ihn einen Augenblick lang an; dann nickte er müde, ging ins Bad, schlug die Tür zu und schloss ab.
Doug legte den Brief auf den Tisch vor der Couch, öffnete den Kühlschrank und nahm Butter und Marmelade heraus. Aus dem Schrank holte er Honig und Erdnussbutter und stellte alles auf die Theke neben die Teller. Die schmutzigen Teller vom Vorabend standen noch in der Spüle. Er würde das gesamte Geschirr waschen, wenn sie mit dem Frühstück fertig wären. Doug öffnete das Waffeleisen, das nun heiß war, goss ein wenig Teig darauf, schloss das Eisen und roch den vertrauten, üppigen Duft von Buttermilch.
Die Toilette rauschte, und Billy kam heraus und ging geradewegs durch die Küche ins Wohnzimmer, wo er den Fernseher einschaltete.
»Fernsehen am Samstagmorgen?«, sagte Doug. »Das macht einen ja krank.«
Billy ignorierte ihn, zappte auf einen Zeichentrickfilm und machte es sich auf der Couch gemütlich.
Trish kam erhitzt und wütend herein, gerade als Doug die ersten vier Waffelquadrate vom Eisen abhob. »Möchtest du?«, fragte er.
Sie schüttelte den Kopf. »Gib sie Billy.«
»Warum machen wir heute nicht mal ein Picknick?«, schlug Doug vor und legte die Waffeln auf einen Teller. »Das haben wir schon ziemlich lange nicht mehr gemacht. Es wird heiß heute. Wir könnten nach Clear Creek.«
»Klingt gut«, sagte Billy aus dem Wohnzimmer.
Trish blickte ihren Sohn an, strich sich das Haar aus der Stirn und nickte dann zustimmend. »In Ordnung«, sagte sie.
Sie beschlossen, über den Pfad durch den Grüngürtel zu wandern, anstatt zu fahren oder den Weg über die Straße zu Fuß zu gehen. Über den Pfad ging es schneller, machte mehr Spaß und führte an einen Teil des Bachs, an dem es kaum Touristen gab. Trish machte für alle Salami-Käse-Sandwiches mit ihrem selbst gebackenen Brot, und Doug schleppte die Kühltasche, während sie und Billy die Klappstühle trugen. Zu ihrer Rechten ging der sanfte Hügel in einen steileren Anstieg über; Erde und heller Sandstein wichen dunklerem Granit. Die Vegetation wechselte von Kiefern und Manzanitas zu Espen und Akazien. Ranken wilder Erdbeeren wucherten über die Felsoberfläche, vermischt mit Farn, Zylinderputzer-Büschen und Giftsumach. Der Pfad selbst war von den winzigen roten Blüten der Indian Paintbrush gesäumt. Zur Linken fiel das Gelände zum Bach hin ab; der Pfad folgte diesem Abhang auf gemächliche Weise.
Sie hörten den Bach, ehe sie ihn sahen - ein leises, beständiges Gurgeln, das wie das Grummeln eines fernen Gewitters klang. Doch als sie näher kamen, konnten sie einzelne Geräusche unterscheiden; Vögel und Insekten waren zu vernehmen. Dieser Abschnitt des kleinen Flusses war von jungen Bäumen gesäumt - Espen, Pappeln und Platanen -, die in chaotischer Üppigkeit zwischen den Felsblöcken wuchsen, die sich am Ufer reihten. Billy und seine Eltern mussten ein ganzes Stück um die Flussbiegung herumwandern, ehe sie einen Flecken fanden, der dicht genug am Wasser war, um das Lager aufzuschlagen.
Sie stellten die Kühltasche zwischen den Klappstühlen ab. Billy trug seine abgeschnittenen Jeans, sodass er sofort in den Bach sprang, um sich abzukühlen, nachdem er sich eine Coladose geschnappt hatte. Der Wasserspiegel war niedrig. Billy spritzte eine Weile wild herum. Dann langweilte es ihn, und er watete den Bach aufwärts.
»Geh nicht zu weit weg«, rief Trish.
»Nee!«, rief er zurück.
Doug setzte sich auf seinen Stuhl. Er hatte sich den neuesten Roman von Joyce Carol Oates mitgebracht. Als Menschen fand er Oates großspurig und verlogen, und die meisten ihrer Bücher fand er langweilig und viel zu lang. Doch sie hatte etwas Bezwingendes; er konnte nicht anders, als ihre Romane und Kurzgeschichten-Sammlungen zu lesen, sobald sie erschienen. Er mochte weder sie noch ihr Werk, war aber trotzdem ein Fan. Hobie stand mehr auf Filme und war ein eingefleischter Fan von Clint Eastwood, obwohl er die Filme als solche nicht so toll fand. Es war paradox.
Genau wie mit dem Postboten: Doug hasste den Mann, aber der Bursche hatte ihm die erfreulichste Post zugestellt, die er je bekommen hatte. Natürlich hatte der Bote nichts mit dem Inhalt der Post zu tun - wenn man dem Überbringer keine Schuld an einer schlechten Nachricht geben konnte, konnte man ihm ebenso wenig für gute Nachrichten danken -, aber irgendwie brachte man beides doch in Verbindung.
Doug warf einen Blick zu Trish hinüber, die den Blick friedvoll über den Bach und die Klippen dahinter schweifen ließ. Er war überrascht, dass sie keine echte Abneigung gegen den Postboten verspürt hatte - dass sie nicht die Unnatürlichkeit bemerkt hatte, die ein Teil seiner Persönlichkeit zu sein schien. Für gewöhnlich war Trish die bei weitem Sensiblere von ihnen, bemerkte sofort jedes abweichende Verhalten und fällte spontan und intuitiv Urteile, die in der Regel zutreffend waren. Doug begriff nicht, weshalb sie diesmal so blind war.
Warum hatte er in letzter Zeit so viel über diesen Postboten nachgedacht? Es grenzte fast schon an Besessenheit. Er musste sich zwingen, damit aufzuhören. Er musste aufhören, herumzusitzen und sich Sorgen zu machen. Er musste etwas anderes finden, mit dem er seine Zeit ausfüllen konnte. Anstatt über den Postboten nachzudenken, sollte er sich an den Bau dieses verdammten Geräteschuppens machen.
Aber Howard mochte den Postboten auch nicht ...
Nun, das bedeutete gar nichts. Er und Howard mochten den Typen nicht, aber das hieß längst nicht, dass er böse war.
Böse.
Böse.
Da. Er hatte es gedacht, wenn auch nicht gesagt. Denn das war das Wort, das ihm seit dem Tag des Begräbnisses, als er den Postboten zum ersten Mal gesehen hatte, im Hinterkopf herumgeisterte. Es war ein schlichtes, ein vereinfachendes Wort, doch es beschrieb am besten, was er dem Postboten gegenüber fühlte.
Der Mann war böse.
»Was denkst du?«, fragte Trish.
Überrascht und verlegen, bei seinen dunklen Gedanken ertappt zu werden, blickte Doug auf. »Nichts«, log er und widmete sich dem Buch auf seinem Schoß.
»Nun sag schon.«
»Nichts.« Ihm war bewusst, dass sie ihn anstarrte, er zog es aber vor, ihren Blick zu ignorieren. Stattdessen konzentrierte er sich auf die Worte vor ihm, auf die Bedeutung hinter den Worten, auf die Gedanken hinter der Bedeutung und versuchte, sich in der Prosa zu verlieren. Schließlich gelang es ihm. So wie er als Kind immer eingeschlafen war, wenn er zu schlafen vorgegeben hatte, als seine Eltern nach ihm schauten, begann er nun zu lesen, als er zu lesen vorgab.