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Die Willis Highschool wurde von Eichen, Akazien und Ponderosa-Kiefern umschlossen und befand sich neben dem Edward G. Willis Memorial Park. Das Footballfeld war an einem Ende einer natürlichen Wiese angelegt worden. Das Schwimmbad, das Schule und Park sich teilten, befand sich am anderen Ende.

Als sie eintrafen, hatte sich eine Menschenmenge angesammelt, die neben der offenen Tür der Sporthalle stand. Auf dem Schulparkplatz standen zwei Streifenwagen sowie ein Rettungswagen mit flackernden Lichtern, obwohl Doug und Hobie den ganzen Morgen keine Sirenen gehört hatten. Doug warf seinem Freund einen fragenden Blick zu und schaute dann aus dem Fenster auf die Szene vor ihnen. Ein seltsames Gefühl erfasste ihn: Er war angespannt und wie betäubt zugleich, als er die Menge betrachtete. Er wusste, es würde schlimm werden.

»Da ist was passiert«, sagte er.

Hobie fuhr den Wagen unter einen Baum, damit er im Schatten stand; dann stiegen sie aus und eilten zur Sporthalle. Mehrere andere Lehrer waren dort, außerdem Anwohner aus der Nachbarschaft sowie ein Mitglied des Schulvorstandes.

Doug ging zu Jim Maxwell, der in der neunten Klasse Sozialkunde unterrichtete. »Was ist denn los?«

»Bernie Rogers hat sich in der Sporthalle aufgehängt.«

»Was!« Doug sah Hobie schockiert an. Er hatte das Gefühl, als hätte jemand ihm in den Magen getreten. Er wusste zwar nicht, was er eigentlich erwartet hatte, aber das bestimmt nicht. Bernie Rogers, ein Schüler der Oberstufe, der das Jahr mit Auszeichnung abgeschlossen hatte, war sowohl in den akademischen Fächern als auch sportlich sehr begabt. Er war Star-Stürmer des Basketballteams und zugleich der beste Oberstufenschüler in Englisch und Geschichte. Außerdem war er der Einzige, der sowohl an Dougs Kurs für amerikanische Literatur als auch an Hobies Autokurs für Fortgeschrittene teilgenommen hatte, beide Male mit hervorragenden Leistungen.

»Lass mich sehen«, sagte Hobie und schob sich durch die Menge zur Tür durch. Doug folgte ihm und schlängelte sich an den Leuten vorbei, bis er durch die Tür und in der Sporthalle war.

Bernie war nackt, sein Körper aufgedunsen. Seine Augen waren geöffnet, starrten ins Leere und wirkten gespenstisch weiß im Kontrast zur dunkel verfärbten Haut. Auf Bernies Brust war ein Zettel befestigt; die Nadeln waren unter die Haut geschoben. Blut war über das Blatt gelaufen und hatte verdeckt, was immer dort geschrieben stand. Der Junge hatte sich die Schlinge offensichtlich selbst um den Hals gelegt und war von der Tribüne gesprungen. Doug fragte sich allerdings, wie Bernie ohne Leiter das Ende des Seils am Dachbalken befestigt haben konnte.

Zwei Polizisten, ein Fotograf und ein Gerichtsmediziner standen neben der Leiche und sprachen miteinander. Zwei Rettungssanitäter hatten sich an der hinteren Wand postiert und warteten. Ein weiterer Polizist hielt die Menge davon ab, zu nahe zu kommen.

»Du lieber Himmel«, stieß Hobie hervor. Die übliche Prahlerei und Aggressivität waren aus seiner Stimme verschwunden, und sein Gesicht war aschfahl. Er trat zur Seite, als sich zwei weitere Polizisten - der eine mit einer Gartenschere, der andere mit einer ausziehbaren Trittleiter - durch die Sporthallentür hinter ihm schoben.

»Ich kannte Bernie«, sagte Hobie. »Er war ein guter Junge.«

Doug nickte. Er sah schweigend zu, als die Polizisten die Leiter aufstellten und die Leiche abschnitten. Offenbar hatte der Fotograf seine Bilder bereits gemacht, bevor sie angekommen waren. Bernies Körper war steif, Arme und Beine erstarrt. Die Männer legten ihn vorsichtig auf eine weiße Kunststoffplane, die einer der Rettungssanitäter auf dem Boden ausgebreitet hatte. Der Gerichtsmediziner kam nach vorn, um sich den Leichnam anzusehen, ging auf ein Knie und öffnete seine schwarze Tasche.

»Ich habe erst letzte Woche mit ihm gesprochen«, erklang eine Männerstimme. »Nachdem die Schule zu Ende war.«

Doug blickte nach rechts und sah Ed Montgomery, den Trainer. Er schüttelte langsam den Kopf. »Er sagte, dass er diesen Sommer einen Teilzeitjob im Postamt bekommen würde. Davon wollte er im Herbst die Kosten für die Schule bezahlen. Sein Stipendium reichte nicht für die Bücher und das Essen, nur für die Studiengebühren.«

Doug spürte, wie es ihm eiskalt den Rücken herunterlief. »Wo sollte er einen Job kriegen?«, fragte er den Trainer.

Ed sah ihn verständnislos an. »Im Postamt. Er hatte es schon mit Howard abgesprochen.« Er schüttelte den Kopf. »Ich verstehe nicht, warum der Junge so etwas Schreckliches getan hat. Es lief doch alles gut für ihn!« Der Trainer blickte Doug fragend an. »Glaubst du, es könnte Mord gewesen sein?«

»Ich weiß nicht«, antwortete Doug. Und er wusste es wirklich nicht. Plötzlich wollte er unbedingt sehen, was auf dem Zettel stand, der an Bernies Brust steckte. Er trat einen Schritt vor.

»Bleiben Sie bitte zurück«, warnte ihn der Polizist.

»Ich war Bernies Lehrer und ...«

»Nur offizielles Personal und Familienmitglieder dürfen in die Nähe der Leiche.«

»Nur für eine Sekunde.«

»Tut mir leid«, entgegnete der Polizist.

Doug drehte sich um und ging aus der Sporthalle hinaus an die frische Luft. Er brauchte Platz, Raum zum Atmen. In seinen Schläfen pochte das Blut.

Bernie Rogers hatte einen Teilzeitjob im Postamt übernehmen wollen.

Das Postamt.

Es ergab zwar keinen Sinn, doch auf irgendeine verdrehte Weise passte es - und das machte Doug eine Heidenangst.

Er drängte sich durch die Menschenmenge, lehnte sich gegen einen Baum und atmete gierig die frische Luft ein. Als er ein Fahrzeug hörte, blickte er zur Straße.

Durch die Kiefern hindurch glaubte er zu sehen, wie ein roter Wagen vom Park in Richtung Stadtzentrum fuhr.

14.

Trish saß allein auf der Veranda. Sie war deprimiert, was untypisch für sie war. Doug und Billy waren nicht da: Doug war bei seinem Meeting und Billy irgendwo mit Lane unterwegs. Trish war ganz allein. Normalerweise war sie gerne für sich. Sie hatte nur noch so selten Zeit für sich selbst, dass sie dankbar war, wenn sich die Gelegenheit bot. Aber heute hatte sie ein seltsames Gefühl.

Der Kassettenrecorder stand neben ihr auf den Holzdielen der Veranda. Als sie ihn vorhin eingeschaltet hatte, hatte das Band sich viel zu langsam gedreht, aber sie hatte drei Batterien aus einem von Billys alten, ferngesteuerten Autos stibitzt und eine vierte in einer Küchenschublade gefunden, und jetzt spielte das Gerät perfekt. Sie hatte die Lautstärke aufgedreht. George Winston. Normalerweise wählte sie etwas aus, das zu ihrer Stimmung passte, aber heute erschien ihr die Musik völlig ungeeignet. Sie passte zwar zum blauen Sommerhimmel und dem grünen Wald, doch nicht zu Trishs Innerem. Sie fühlte sich hoffnungslos aus dem Takt.

Trish starrte in die Bäume, ohne sie wahrzunehmen. Ihr Bewusstsein war weit weg.

Trish dachte an etwas ganz anderes.

Sie dachte an den Postboten.

Sie hatte Doug nicht erzählt, dass sie den Mann in der vergangenen Nacht gesehen hatte, und auch nichts von dem Albtraum danach, auch wenn sie sich nicht sicher war, warum sie es verschwieg. Es war eigentlich nicht ihre Art, Doug etwas vorzuenthalten. Sie hatten immer eine enge und ehrliche Beziehung gehabt, hatten einander alles anvertraut, hatten ihre Hoffnungen geteilt, ihre Ängste, Gedanken und Meinungen. Doch aus irgendeinem Grund brachte Trish es nicht fertig, mit Doug über den Postboten zu reden. Die Wahrheit war, dass sie nicht mit Doug reden und ihm nicht sagen wollte, was passiert war. Trish hatte sich noch nie so gefühlt, hatte noch nie so etwas erlebt, und es machte ihr mehr Angst, als sie sich einzugestehen bereit war.