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Das Gelände auf der Kuppe war flach, und überall ragten Felsblöcke unterschiedlicher Größe aus dem hohen Gras, doch es gab kaum Gebüsch, hinter dem man sich hätte verstecken können. Doug schaltete die Scheinwerfer aus, fuhr an den Straßenrand und stellte den Motor ab, um keine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Er hatte Angst, aber er musste jetzt da durch. Er kurbelte das Seitenfenster des Bronco herunter. Im Osten ging langsam der Mond auf und warf lange Schatten über die Hügelkuppe. Die Straße, das wusste Doug, endete knapp zwei Kilometer weiter; wenn der Postbote inzwischen nicht weggefahren war, befand er sich irgendwo zwischen diesen beiden Punkten.

Doug blieb noch ein paar Sekunden im Wagen sitzen und nahm seinen Mut zusammen, während er seinen Augen Zeit gab, sich an das Dämmerlicht zu gewöhnen. Es wehte eine ganz leichte Brise, ein dünner, kaum wahrnehmbarer Luftzug, der über die Grashalme strich, raschelte und wisperte. Nur ... nur war da außer dem Wispern des Windes noch ein anderes Geräusch. Ein leises, kaum hörbares Murmeln, das von weiter vorn kam und mit der Brise an- und abschwoll.

Der Postbote.

Doug bekam eine Gänsehaut. Vorsichtig öffnete er die Wagentür, stieg aus und drückte sie fast geräuschlos zu. Er ging los, wobei er sich am Rand der Straße hielt, dankbar, dass er dunkle Kleidung trug.

Der Bergrücken war nicht vollkommen flach, sondern stieg unmerklich weiter an, gerade genug, um die Mitte des Rückens vor Blicken zu verbergen, wie Doug nun sah.

Das Murmeln wurde ein wenig lauter.

Doug ging weiter. Seine Schlüssel und das Kleingeld klimperten in seiner Hosentasche, und er legte die Hand darum, um das Geräusch zu dämpfen. Die Straße machte eine leichte Kurve. Das Gelände wurde jetzt eben. Doug blieb abrupt stehen, während das Herz in seiner Brust heftig pochte. Der Postbote war drei-, vierhundert Meter vor ihm, abseits der Straße mitten im Gelände. Selbst von hier aus konnte Doug den dünnen Körper wie verrückt zwischen den Steinen und Felsblöcken tanzen sehen, hingebungsvoll, mit wild rudernden Armen. Doug wollte nahe genug heran, um besser zu sehen, und er verließ die Straße und bewegte sich geduckt durchs Gras. Überall in seinem Körper war die Angst wie mit Händen zu greifen. Hinter ihm ging der Mond auf, voll und leuchtend, verwandelte den Bergrücken in ein phosphoreszierendes Relief und tauchte die Landschaft in weiches Licht.

Leise bewegte Doug sich vorwärts. Das Geräusch wurde lauter. Der Postbote skandierte etwas. Zuerst klang es wie eine Fremdsprache, so merkwürdig und fremdartig waren Rhythmus und Tonfall. Doch als Doug genauer hinhörte, als er sich dem Postboten näherte, erkannte er, dass die Worte des Sprechgesangs Englisch waren.

»Weder Regen noch Schnee, Eis oder Hagel ...«

Er skandierte das Motto des US Postal Service.

Doug spürte ein Kribbeln, als seine Nackenhärchen sich aufrichteten. Er kroch hinter einen großen, unregelmäßig geformten Felsblock und spähte aus dessen Deckung hervor. Der Postbote sprang in die Luft, wirbelte herum, tanzte wild und ausgelassen. Aus dieser kurzen Entfernung konnte Doug erkennen, dass der Mann die vollständige Uniform trug: Hose und Schuhe, Hemd und Mütze. Messingknöpfe glänzten im Mondlicht. Blauschwarz schimmerten seine auf Hochglanz geputzten Schuhe.

Dougs Mund war trocken und wie aus Watte; sein Herz hämmerte so laut, dass er sicher war, der Postbote konnte es hören. Doug hatte gewusst, dass der Mann etwas Merkwürdiges, Fremdartiges, Böses an sich hatte. Aber nun wurde ihm klar, dass es viel mehr war als das: Der wahnsinnige Tanz des Postboten war spontan und konnte sehr gut etwas mit Zauberei oder Satanismus zu tun haben - mit etwas, das er nicht verstand und vielleicht nie verstehen würde.

Der Postbote verstummte und grinste irre. Seine perfekten Zähne schienen im Mondschein zu leuchten, und er starrte selbstvergessen in den Himmel, während seine Beine sich in unmöglichen Schrittfolgen bewegten und seine Arme jede Bewegung der Füße nachahmten. Dann nahm er den Sprechgesang wieder auf. Das Motto des US Postal Service.

Der Postbote hatte nun wenigstens fünf Minuten lang getanzt, unter Einsatz all seiner Kräfte, doch er zeigte keine Zeichen der Ermüdung. Er schien nicht einmal zu schwitzen.

Doug hatte keinen Zweifel, dass der Mann bis zur Morgendämmerung so weitermachen konnte.

Er zog sich auf demselben Weg zurück, den er gekommen war. Eine Sekunde lang hatte Doug das Gefühl, dass der Postbote ihn direkt ansah und lachte; dann rannte er und eilte durchs Gras und die Straße hinunter zu seinem Bronco.

Ohne die Scheinwerfer einzuschalten, wendete er und jagte über die Ridge Road nach Hause.

Er hatte Billys Schokoriegel und seine angebliche Fahrt zum Einkaufszentrum völlig vergessen, doch weder Trish noch Billy sagten irgendetwas, als er zurückkam, und er wusste, dass sie wussten, dass er gelogen hatte.

In dieser Nacht starrte er in die Dunkelheit, als er im Bett lag, und lauschte Trishs tiefem, gleichmäßigem Atem und den Geräuschen der nächtlichen Natur. Irgendwo in der Nähe zirpte unermüdlich eine Grille, und aus den Bäumen hinter dem Haus kam immer wieder der klagende Schrei einer Eule.

Normalerweise hatte Doug keine Schwierigkeiten einzuschlafen. In dieser Nacht aber lag er lange wach, und während er im Bett lag und in die Dunkelheit starrte, vermeinte er, in der leichten Brise den Klang weit entfernten Sprechgesangs zu hören.

21.

Hobie wurde durch das Scheppern von Metall geweckt. Sein vom Schlaf umnebeltes Hirn brauchte einen Augenblick, um das Geräusch zu identifizieren. Seine Gedanken waren noch halb in seiner Traumwelt gefangen, ein wunderbarer Ort, wo es einen riesigen Swimmingpool gab, wo er der Bademeister war und wo alle Frauen nackt herumschwammen. Er hatte seine Badehose ausgezogen und wollte sich gerade zu einer hübschen Blonden aufs Badetuch legen, als der Lärm in seinen Schlaf eindrang und ihn in die reale Welt zurückholte.

Das Geräusch wiederholte sich, ein metallisches Scheppern, und diesmal erkannte er es: der Deckel des Briefkastens. Hobie runzelte die Stirn und blickte auf den Wecker neben seinem Bett. Himmel, es war drei Uhr morgens. Warum zum Teufel wurde seine Post um drei Uhr morgens gebracht?

Hobie schlug die Decke zurück und wollte aufstehen, hielt dann aber inne. Wie war es möglich, dass er das Öffnen und Schließen des Briefkastendeckels gehört hatte? Der Briefkasten befand sich am hinteren Ende des Wohnwagens, und das Geräusch, das er machte, konnte man nur hören, wenn man direkt daneben stand. Und wie hatte das Geräusch ihn wecken können? Er hatte einen tiefen Schlaf und schlief normalerweise die Nacht durch, ohne aufzuwachen. Selbst sein Wecker hatte es schwer, ihn aus seinen Träumen zu holen.

Plötzlich wurde ihm kalt, und er stand rasch auf und zog seinen Bademantel an. Irgendetwas Merkwürdiges ging hier vor sich. Wenn der Postbote noch draußen war, würde er diesen seltsamen kleinen Mistkerl fragen ...

Woher wusste er, dass es der Postbote war?

Die Kälte wurde stärker und kroch seinen Rücken hinauf. Es war bizarr und beängstigend, dass er gewusst hatte, dass der Postbote mitten in der Nacht Briefe zustellte. Warum hatte er nicht an etwas Naheliegendes gedacht? Dass Vandalen sich an seinem Briefkasten zu schaffen machten? Dass Kinder Eier hineinwarfen?

Hobie ging ins Wohnzimmer im vorderen Teil des Wohnwagens. Er war kein ängstlicher Typ, aber er musste sich zwingen, weiterzugehen. Am liebsten wäre er wieder ins Bett gegangen und hätte sich die Decke über den Kopf gezogen.

Er öffnete die Tür. Die Straße war leer. Mondlicht fiel auf die Kühlerhauben seiner Autos vor dem Wohnwagen. Er griff in den Briefkasten und holte einen Umschlag heraus. Der Umschlag war dick und gepolstert. Hobie schloss die Tür hinter sich und verriegelte sie, schaltete dann die Lampe im Wohnzimmer ein und betrachtete den Umschlag. Es gab keinen Absender, aber der Poststempel war aus Vietnam.