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»Die Schlampe?«

Doug lächelte matt. »Ja, die.«

»Die schreibt dir immer noch?«

»Du weißt, wer das geschrieben hat«, entgegnete er, und sein Lächeln verschwand. »Michelle war es bestimmt nicht.«

Trish nickte müde. »Was sollen wir tun? Es wird immer schlimmer.«

»Wir müssen der Sache unbedingt einen Riegel vorschieben. Nach dem Frühstück rede ich mit Howard. Wenn ich ihn nicht dazu bringen kann, etwas zu unternehmen, rufe ich das Hauptpostamt in Phoenix an. Ich weiß gar nicht, warum ich das nicht schon gemacht habe. Ich hätte als Erstes da anrufen sollen. Ich hätte denen die Briefe schicken sollen, die wir am Clear Creek gefunden haben ...«

»Sie wären da nie angekommen.«

»Da hast du allerdings recht.«

»Und wie willst du denen alles erzählen? Glaubst du, sie glauben dir? Sie werden dich für einen Spinner halten.«

»Ich werde denen nicht alles erzählen. Aber ich werde ihnen von der Postverteilung berichten. Vielleicht versetzen die den Postboten dann.«

»Und wenn er nicht gehen will?«

Die Frage blieb unbeantwortet zwischen ihnen stehen.

»Komm«, sagte Doug. »Lass uns frühstücken.«

Die Schlange vor dem Postamt war lang, die Kundschaft wütend. Doug überquerte langsam den Parkplatz. Die Leute in der Schlange sahen anders aus als gewöhnlich. Schäbiger, ungepflegter. Sie trugen nicht die gute Kleidung, die sie normalerweise anzogen, wenn sie in die Stadt gingen, sondern ältere, abgetragene Sachen - fleckige Maler-Overalls, Arbeitskleidung, löchrige Unterhemden. Auf den Armen und Gesichtern einiger Männer war Schmierfett, und nur wenige Frauen hatten sich die Mühe gemacht, ihr Haar zu kämmen oder auch nur die Lockenwickler herauszudrehen. Eine alte Frau trug einen Bademantel und Hausschuhe.

Selbst von hier konnte Doug den bedrohlichen Unterton aus dem Gemurmel der Menge heraushören. Die Leute in der Schlange plauderten nicht über Sport, das Wetter oder den neuesten Klatsch im Ort. Sie teilten auch keine Beschwerden oder Probleme miteinander. Sie machten ihrem Zorn Luft, indem sie immer wieder dieselben Ereignisse erzählten, was ihre Wut weiter anheizte. Sie sprachen von gekündigten Versicherungen, von angedrohten Prozessen wegen unbezahlter Rechnungen, von Problemen, die durch die Post verursacht worden waren.

Anstatt sich vor dem Postamt in die Schlange zu stellen, ging Doug durch die zweite der Doppeltüren ins Gebäude. Er blickte sich um. Es hatte sich einiges verändert, seit er zuletzt hier gewesen war. Alles erschien ihm dunkler, schmutziger. Die Vorhänge vor den Fenstern waren zugezogen, und eine der Leuchtstoffröhren war durchgebrannt. Der Verdunstungskühler war wieder abgeschaltet; der Raum war wie eine Sauna, in der sich die schwüle Luft vor dem Gewitter mit dem säuerlichen Geruch von Schweiß und Atemluft mischte. Doug fiel auf, dass an den Wänden andere Plakate hingen. Das Briefmarkenposter mit dem »Love«-Motiv, das seit ewigen Zeiten über dem Tisch mit den Formularen gehangen hatte, war durch ein Poster für eine neue Fünfzig-Cent-Gedenkmarke mit einem makabren Motiv verdrängt worden. Das Plakat, weiß vor schwarzem Hintergrund, zeigte eine große Guillotine, deren Metallschneide glänzte, während sich Horden von boshaft aussehenden Gestalten um sie drängten. An der Seitenwand, an der Howard traditionell Anzeigen für neu erscheinende Briefmarken mit Berühmtheiten aufgehängt hatte, hing ein großes Poster mit einer Hitler-Briefmarke; daneben eine Sondermarke mit dem wahnsinnigen Gesicht von Charles Manson.

Hinter dem Schalter stand der Postbote. Sein rotes Haar leuchtete im halbdunklen Raum.

Dougs Nackenhaare stellten sich auf, doch er weigerte sich, dem Postboten seine Angst zu zeigen. Er ging bis zum Schalter vor. »Ich möchte mit Howard sprechen«, sagte er so bestimmt, wie er konnte.

Der Postbote sah ihn kalt an. »Ich bediene gerade jemand anderen. Warten Sie bitte, bis Sie an der Reihe sind ...«

»Sagen Sie mir einfach, ob Howard da ist oder nicht.«

»Sie müssen warten, bis Sie dran sind.«

»Ja«, riefen mehrere Leute in der Schlange.

»Er ist nicht da«, sagte ein Mann in der Schlange. »Ich habe gehört, wie Mr. Smith zu jemandem gesagt hat, dass Howard nicht da ist.«

Doug drehte sich um und schaute den Sprecher an. Es war ein Mann, den er nicht kannte, ein kleiner, schüchtern wirkender Bursche, der zwischen einer mürrischen Frau und einem Teenager mit ausdruckslosem Gesicht eingezwängt war. Der Mann war es offensichtlich nicht gewohnt, laut seine Meinung zu äußern, denn er hatte die verschüchterte Miene der ständig Ängstlichen, doch nun lag in seinem Gesicht Entschlossenheit, und er blickte Doug beinahe mit Heldenmut an. Der Mann war ein Verbündeter im Kampf gegen die Tyrannei des Postboten.

»Ich danke Ihnen«, sagte Doug.

Der kleine Mann grinste. »Kein Problem.«

Der Postbote bediente wieder den Kunden in der Schlange und tat so, als wäre nichts geschehen. Doug verließ das Gebäude durch dieselbe Tür, durch die er gekommen war. Er überquerte den kleinen Parkplatz und nahm die Autoschlüssel aus der Tasche. Er würde zu Howard fahren und mit ihm sprechen. Für Doug war nun offensichtlich, dass der Postchef Angst vor seinem Untergebenen hatte, wie alle anderen auch. Aber vielleicht konnte Doug ihn dennoch überreden, etwas zu unternehmen. Es musste etwas getan werden.

Doug öffnete die Wagentür und stieg ein. Von draußen hatte er es nicht bemerkt, aber nun sah er, dass seine Windschutzscheibe voller Spucke war. Der Speichel lief das Glas herunter. Wer hatte das getan? Doug schaute zu der Schlange vor dem Gebäude hinüber, doch niemand blickte in seine Richtung.

Er betätigte den Scheibenwischer, setzte aus der Parklücke zurück und fuhr zu Howard.

Der Postler wohnte auf einem flachen Hügel in einem der hübscheren Viertel der Stadt. Sein Haus stand in einer Siedlung nicht weit vom Postamt entfernt. Im Unterschied zu den Häusern in der Gegend, in der Hobie wohnte, waren die einstöckigen Gebäude in Howards Straße sehr gepflegt.

Doug parkte den Wagen vor dem mit weißen Holzschindeln verkleideten Haus und stellte den Motor ab. Von Howards Wagen war nichts zu sehen, aber das hatte nichts zu bedeuten. Er konnte ebenso gut in der Garage abgestellt sein.

Doug stieg aus und ging den Weg vor dem Haus entlang. Er bemerkte, dass das Gras gelblich braun war, nicht grün wie der Rasen vor den anderen Häusern. Das war seltsam: Wie viele ältere Leute war Howard geradezu fanatisch darauf bedacht gewesen, seinen Garten in Schuss zu halten.

Doug stieg die Stufen zur Eingangstür hinauf, drückte auf den Knopf der Türglocke und lauschte auf das Klingeln. Nichts. Er klopfte an, wartete einen Augenblick und schlug noch einmal gegen die Tür. »Howard!«, rief er. »Sind Sie zu Hause?«

Aus dem Innern des Hauses kam kein Laut. Drei weitere Versuche und zwei Minuten später stieg Doug die Stufen am Eingang hinunter und ging zu den großen Wohnzimmerfenstern. Die Vorhänge waren zugezogen, doch sie waren durchscheinend. Doug glaubte, drinnen etwas erkennen zu können, doch er irrte sich: Durch das Material war nichts zu sehen, und im Innern des Hauses war es zu dunkel, um einzelne Objekte unterscheiden zu können. Doug ging seitlich um das Haus herum zum Esszimmerfenster, dann zur Küche, dann zum hinteren Schlafzimmer auf der Rückseite. Er hoffte, dass wenigstens ein Vorhang einen Spalt offen stünde, damit er hineinblicken konnte, aber die Vorhänge waren alle sorgfältig zugezogen. Doug versuchte es an der Hintertür: Sie war abgeschlossen.

»Howard!«, rief er und klopfte wieder.

Er schaute zu den Nachbarhäusern, doch niemand war zu sehen. Überhaupt schien die ganze Gegend leer und verlassen zu sein. Doug überlief eine Gänsehaut. Er kam sich vor wie in einem dieser Filme, in denen irgendeine pseudo-wissenschaftliche Katastrophe stattgefunden hatte, sodass er der letzte lebende Mensch auf Erden war, der einsam und allein durch die perfekt erhaltenen Artefakte einer ansonsten unbelebten Welt wanderte.