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»Ich habe noch einen Brief von Dan gekriegt«, sagte Hobie und setzte sich auf die schmutzige Couch. »Er hat ihn letzte Woche geschrieben.«

Doug blickte ruckartig auf, doch es war offensichtlich, dass sein Freund keinen Witz machte. Er meinte es vollkommen ernst. Und er hatte eine Heidenangst.

»Da. Lies.« Hobie gab ihm ein Blatt, auf dem in einer kräftigen, schwungvollen Handschrift eine Nachricht stand. Doug konnte die Schrift nicht lesen, und so stand er auf und zog den Vorhang auf, um Sonnenlicht hereinzulassen.

Bei Tageslicht sah der Wohnwagen noch schlimmer aus als im Dunkeln. Es war abstoßend dreckig.

»Er sagt, dass er mich besuchen kommt«, sagte Hobie ruhig.

Doug las den Brief:

Bruderherz,

hab endlich Heimaturlaub bekommen. In ungefähr einer Woche komme ich dich besuchen, sobald ich einen Transport weg von hier erwische. Ich bring dir Frischfleisch mit, von dem keiner was weiß, sodass wir richtig Spaß haben können. Sie ist zwölf und noch Jungfrau. Das hat jedenfalls der Typ gesagt, der sie mir verkauft hat.

Ich bringe auch meine Messer mit.

Bis bald.

Der Brief war mit »Dan« unterschrieben und trug das Datum der vergangenen Woche.

Doug faltete das Blatt zusammen und schaute Hobie an. »Du weißt, dass das nicht echt ist«, sagte er. »Er macht das. Der Postbote. Er versucht ...«

»Es ist Dan«, beharrte Hobie. »Ich kenne meinen Bruder.«

Doug leckte sich die Lippen, die plötzlich ganz trocken geworden waren. »Was bedeutet das mit dieser Zwölfjährigen? Und was meint er damit, wenn er schreibt, dass er seine Messer mitbringt?«

Hobie stand auf und ging nervös auf und ab. Sein Gang hatte etwas von einem Tier in einem Käfig. »Ich will ihn nicht sehen«, sagte er.

»Was ist mit dem zwölfjährigen Mädchen und den Messern?«

Hobie blieb stehen. »Das kann ich dir nicht sagen.« Mit angsterfülltem Blick sah er Doug an. »Ich will nicht, dass er hierherkommt. Er ist mein Bruder, und ich habe ihn nicht gesehen, seitdem ich sechzehn war, aber ... aber er ist tot. Er ist tot, Doug.« Hobie begann wieder herumzulaufen. »Ich will nicht, dass er hierherkommt. Ich will ihn nicht sehen.« Er atmete tief ein. »Ich habe Angst vor ihm.«

Doug hörte die Panik in der Stimme seines Freundes, eine drohende Hysterie dicht unter der Oberfläche. Er stand auf, legte Hobie die Hände auf die Schultern und blickte ihm fest in die Augen. »Hör mal«, sagte er, »ich weiß, dass du die Handschrift deines Bruders erkennst. Ich weiß, dass in den Briefen Dinge stehen, die nur er wissen könnte. Aber hör mir genau zu: Es ist ein Trick. Der Postbote macht das. Du weißt genauso gut wie ich, was in der Stadt los ist, und wenn du logisch darüber nachdenkst, wirst du erkennen, dass mit dir dasselbe passiert. Du hast selbst gesagt, dass dein Bruder tot ist. Es tut mir leid, dass ich so direkt sein muss, aber glaubst du wirklich, dass seine verweste Leiche in einem Transportflugzeug von Vietnam kommt, in Phoenix landet und einen Bus oder ein Taxi nimmt, um nach Willis zu fahren? Ergibt das irgendeinen Sinn für dich?«

Hobie schüttelte den Kopf.

»Es ist der Postbote«, sagte Doug.

Hobie sah Doug in die Augen, und zum ersten Mal, seitdem Doug den Wohnwagen betreten hatte, schien sein Freund sich wieder im Griff zu haben. »Ich weiß«, sagte er. »Ich weiß, dass der Postbote das macht. Die Briefe kommen nachts. Ich kann nicht mehr schlafen, weil ich wach bleibe und horche, bis ich sein Auto höre und das Klappern, wenn er die Briefe in den Kasten steckt. Ich würde am liebsten zum Postamt gehen und den Hurensohn windelweich prügeln, aber ich habe Angst vor ihm, weißt du? Vielleicht ... vielleicht trägt er wirklich Dans Briefe aus. Vielleicht kann er Dan von den Toten zurückholen.«

»Er versucht nur, Druck auf dich auszuüben, bis du zusammenbrichst.«

Hobie lachte nervös auf. »Er macht seine Arbeit verdammt gut.« Er wandte sich von Doug ab und ging in seine verwahrloste Küche, nahm eine Flasche Jack Daniels vom vollgestellten Regal und goss sich einen Schluck in ein schmutziges Glas. In einem raschen Zug stürzte er den Whisky hinunter. »Wenn er diese Briefe fälscht und selbst schreibt, dann weiß er viele Dinge, die nur Dan wissen konnte. Er war sogar fähig, seine Handschrift perfekt zu kopieren. Wie erklärst du das?«

»Das kann ich nicht.«

Hobie goss sich noch einen Schluck ein und trank ihn. »Da geht eine ganz beschissene, ganz böse Sache vor sich«, sagte er. »Eine ganz, ganz böse Sache.«

Doug nickte. »Da hast du recht.«

Hobie sah ihn an. »Er ist kein Mensch, oder?«

»Ich glaube nicht«, gab Doug zu, und allein, dass er es laut aussprach, ließ ihn schaudern. »Aber ich weiß nicht, was er ist.«

»Nun, was immer er ist, er kann die Toten zurückholen. Dan hat mir geschrieben. Und jetzt kommt er mich besuchen.«

»Vielleicht sollten wir der Polizei erzählen ...«

»Scheiß auf die Polizei!« Hobie knallte sein Glas auf den Tisch und vergoss dabei den Rest Whisky. Er schüttelte den Kopf, und seine Stimme war nun sanfter. »Keine Polizei.«

»Warum?«

»Darum.«

»Sag schon, warum?«

»Verdammt, wenn du so anfängst, dann verschwinde von hier, und geh nach Hause.«

Beschwichtigend hielt Doug die Hände hoch. »Okay, okay.«

Und er blieb schweigend da, während Hobie Glas für Glas die Flasche leerte.

Er ging erst, nachdem Hobie auf der Couch eingeschlafen war.

Fünfmal klingeln. Sechs. Sieben. Acht.

Beim zehnten Klingeln legte Trish schließlich auf. Irgendwas stimmte nicht. Irene meldete sich immer bis zum dritten Klingeln. Es war möglich, dass sie nicht zu Hause war, aber nicht wahrscheinlich. In letzter Zeit schien sie nicht in der Stimmung gewesen zu sein, überhaupt noch das Haus zu verlassen.

Vielleicht musste sie Lebensmittel kaufen.

Nein, dachte Trish. Irgendetwas war geschehen.

Sobald Doug zurück war, würden sie beide zu Irene fahren und nachsehen, ob es ihr gut ging.

Wieder nahm sie den Hörer ab und wählte Irenes Nummer.

Einmal Klingeln. Zweimal. Drei. Vier. Fünf. Sechs.

Aus einem Impuls heraus hielt Doug gleich hinter der Kreuzung am Straßenrand. Der Nachmittag war halb vorbei, und die Zikaden waren in Hochform. Ihr tiefes Summen war der einzige Kontrapunkt zum gedämpften Geplätscher und Gemurmel des Bachs. Neben der Straße waren die Ufer schmal und felsig. Schösslinge und Jungpflanzen bildeten ein Labyrinth, das jeden Versuch vereitelte, dort entlangzugehen. Doug trug seine guten Tennisschuhe, und er wusste, dass er am Ufer bleiben sollte, doch er stieg trotzdem mitten in den Bach und wartete dort eine Weile, bis seine Füße sich an die Kälte des Wassers gewöhnt hatten, ehe er flussaufwärts ging.

Er watete zu der Stelle, wo Billy die Post entdeckt hatte. Seit dem Picknick war er nicht mehr dort gewesen, obwohl er oft daran gedacht hatte. Er hatte nie davon gehört, dass die Polizei das Gelände untersucht hätte. Sie hatten die feuchten Briefumschläge an sich genommen, und Mike hatte John Smith damit konfrontiert, doch am Creek waren keine Nachforschungen angestellt worden.

Die Einsamkeit des Ortes war Doug überdeutlich bewusst. Hohe Steilhänge erhoben sich auf beiden Seiten des Bachs, und es waren keinerlei menschliche Geräusche zu hören.

Doug bewegte sich weiter vorwärts. Es war dumm gewesen, ganz allein hierherzukommen, ohne jemandem zu sagen, wo er war. Er hätte wenigstens Trish anrufen sollen. Wenn ihm etwas zustieß ...