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Piotrs knorrige Hände fingerten an einem braunen Seidensäckchen herum, auf das in Silber das Wappen der Vorkosigans gestickt war.

Cordelia betrachtete es interessiert. »Was ist das?«

Piotr lächelte leicht und gab es ihr. »Goldmünzen.«

Noch mehr Volkskunst, das Säckchen und sein Inhalt waren ein Vergnügen für den Tastsinn. Sie streichelte über die Seide, bewunderte die Stickerei und schüttelte ein paar der glänzenden Scheibchen heraus, auf ihre Hand. »Hübsch.« Cordelia erinnerte sich gelesen zu haben, daß vor dem Ende der Zeit der Isolation Gold auf Barrayar einen großen Wert besessen hatte. Gold war für ihr betanisches Denken etwa Metall, das manchmal für die elektronische Industrie nützlich ist, aber alte Völker hatten damit etwas Mystisches verbunden. »Bedeutet das irgend etwas?«

»Aber ja! Das ist das Geburtstagsgeschenk für den Kaiser.«

Cordelia stellte sich den fünfjährigen Gregor vor, wie er mit einem Säckchen voll Gold spielte. Was konnte der Junge denn damit anfangen, außer Türmchen zu bauen und vielleicht das Zählen zu üben? Sie hoffte, daß er schon aus dem Alter heraus war, wo Kinder alles in den Mund stecken, denn diese Scheibchen hatten genau die richtige Größe, daß ein Kind sie verschlucken oder daran ersticken konnte. »Ich bin sicher, er wird sich freuen«, sagte sie mit leisem Zweifel.

Piotr kicherte. »Du weißt, was damit los ist, nicht wahr?«

Cordelia seufzte: »Das weiß ich fast nie. Gib mir einen Tip.« Sie lehnte sich zurück und lächelte. Piotr hatte sich nach und nach dafür begeistert, ihr Barrayar zu erklären, er schien sich immer zu freuen, wenn er einen neuen weißen Fleck der Unwissenheit bei ihr entdeckte, den er mit Informationen und Meinungen füllen konnte. Sie hatte das Gefühl, er könnte ihr die ganzen nächsten zwanzig Jahre lang Vorträge halten, ohne Mangel an verblüffenden Themen zu haben.

»Des Kaisers Geburtstag ist das traditionelle Ende des Rechnungsjahres, für den Distrikt eines jeden Grafen in Beziehung zur kaiserlichen Regierung. Mit anderen Worten, es ist der Tag, an dem die Steuern fällig werden, außer — daß die Vor nicht besteuert werden. Das würde eine zu untergeordnete Beziehung zum Imperium bedeuten. Statt dessen geben wir dem Kaiser ein Geschenk.«

»Aha …«, sagte Cordelia. »Sie verwalten doch diese Gegend nicht für ein Jahr um sechzig kleiner Säcke voll Gold willen, Sir.«

»Natürlich nicht. Die wirklichen Summen sind heute schon vorher von Hassadar nach Vorbar Sultana über Kom-Link transferiert worden. Das Gold ist nur symbolisch.«

Cordelia runzelte die Stirn: »Einen Augenblick. Habt ihr das nicht schon einmal in diesem Jahr getan?«

»Im Frühling für Ezar, ja. So haben wir nur das Datum für unser Rechnungsjahr geändert.«

»Bringt das nicht euer Banksystem durcheinander?«

Er zuckte die Achseln: »Wir kommen zurecht.« Plötzlich grinste er: »Was glaubst du, woher überhaupt das Wort ›Graf‹ kommt?«

»Von der Erde, dachte ich. Ein Wort aus der Voratomzeit — tatsächlich spätrömisch — für einen Adeligen, der eine Grafschaft leitete. Oder vielleicht war der Distrikt nach dem Rang benannt.«

»Auf Barrayar ist Count, also ›Graf‹, eine Abkürzung von ›Accountant‹, d. h. Buchhalter. Die ersten ›Counts‹ waren Varadar Taus Steuereintreiber. Übrigens ein erstaunlicher Bandit, dieser Varadar Tau, du solltest einmal etwas über ihn nachlesen.«

»Und die ganze Zeit dachte ich, Graf wäre ein militärischer Rang, der mittelalterliche Geschichte nachahmt!«

»Oh, der militärische Teil kam gleich darauf, als die alten Schläger zum erstenmal versuchten, einen fertigzumachen, der keinen Tribut zahlen wollte. Später bekam dann der Rang mehr Glanz.«

»Das habe ich nicht gewußt.« Sie schaute ihn mit einem plötzlichen Verdacht an: »Du nimmst mich doch nicht auf den Arm, Sir, oder?«

Er breitete seine Hände in einer abwehrenden Geste aus.

Überprüfe deine Vermutungen, dachte Cordelia amüsiert bei sich, wirklich, überprüfe deine Vermutungen schon an der Tür.

Sie kamen am großen Tor der Kaiserlichen Residenz an. Die Atmosphäre war an diesem Abend ganz anders als bei einigen von Cordelias früheren Besuchen bei dem sterbenden Ezar und den anschließenden Trauerzeremonien.

Bunte Lichter hoben architektonische Details an den steinernen Fassaden hervor. Die Gärten leuchteten, Fontänen glitzerten.

Schön gekleidete Menschen belebten die Szenerie, sie strömten aus den Staatsräumen des Nordflügels auf die Terrassen. Aber die Überprüfungen durch die Wachen waren nicht weniger gründlich, und die Anzahl der Wachen hatte sich beträchtlich vervielfacht. Cordelia hatte das Gefühl, dies würde ein wesentlich weniger ausgelassenes Fest als manche, an denen sie in den Straßen der Stadt vorbeigekommen waren.

Arals Wagen hielt hinter ihrem, als sie bei einem westlichen Säulengang ausstiegen, und Cordelia hängte sich wieder dankbar an seinem Arm ein.

Er lächelte sie stolz an, und als sie einen Augenblick relativ unbeobachtet waren, küßte er sie verstohlen auf ihren Nacken und genoß den Duft der Blumen in ihrem Haar. Sie erwiderte seine Zärtlichkeit, indem sie heimlich seine Hand drückte. Sie schritten durch die Türen und einen Korridor. Ein Haushofmeister in der Livree des Hauses Vorbarra kündigte sie laut und vernehmlich an, und dann fanden sie die Blicke von — so schien es Cordelia einen Moment lang — einigen tausend kritischen Augenpaaren der barrayaranischen Vor-Klasse auf sich gerichtet. In Wirklichkeit waren nur ein paar hundert Leute in dem Raum. Besser als die Mündung eines auf volle Kraft eingestellten Nervendisruptors zu schauen, allemal. Wirklich.

Sie gingen herum, tauschten Grüße aus, erwiesen Reverenzen. Warum können diese Leute keine Namensschilder tragen? dachte Cordelia hilflos.

Wie üblich schien jeder außer ihr jeden anderen zu kennen. Sie stellte sich vor, eine Gespräch so zu eröffnen: Hallo Sie, VorTyp … Sie packte Aral fester und versuchte, eher geheimnisvoll und exotisch auszusehen als sprachlos und verloren.

Die kleine Zeremonie mit den Säckchen voller Münzen fand in einem anderen Saal statt, die Grafen oder ihre Repräsentanten standen Schlange, um sich jeder mit ein paar formellen Worten ihrer Verpflichtung zu entledigen.

Kaiser Gregor, dessen Zeit ins Bett zu gehen nach Cordelias Vermutung schon längst gekommen war, saß mit seiner Mutter auf einer erhöhten Bank, er wirkte klein und wie in einer Falle gefangen und versuchte mannhaft, sein Gähnen zu unterdrükken. Cordelia kam der Gedanke, ob er die Säcke mit den Münzen tatsächlich behalten mußte oder ob sie einfach wieder in Umlauf gebracht und nächstes Jahr wieder präsentiert wurden.

Tolle Geburtstagsfeier: Kein einziges anderes Kind war zu sehen. Aber die Abfertigung der Grafen ging ziemlich flott vor sich, vielleicht konnte das Kind dem Ganzen bald entfliehen.

Ein Vasall in rot-blauer Uniform kniete vor Gregor und Kareen nieder und überreichte sein Säckchen aus kastanienbrauner und goldener Seide.

Cordelia erkannte Graf Vidal Vordarian, den tellergesichtigen Mann, von dem Aral höflich gesagt hatte, er gehöre der ›zweitkonservativsten Partei‹ an, d. h. er habe in etwa die gleichen politischen Anschauungen wie Graf Piotr. Arals Ton hatte dabei aber geklungen, als sei dies eine Code-Formel für ›isolationistischer Fanatiker‹. Der Mann sah nicht wie ein Fanatiker aus. Frei von entstellendem Ärger war sein Gesicht viel anziehender, er wandte es jetzt Prinzessin Kareen zu und sagte etwas, das sie veranlaßte, ihr Kinn zu heben und zu lachen. Seine Hand ruhte für einen Moment auf ihrem vom Kleid verdeckten Knie, und ihre Hand bedeckte kurz die seine, bevor er sich wieder etwas mühsam erhob, sich verneigte und Platz für den nächsten Mann machte. Kareens Lächeln erlosch, als Vordarian ihr den Rücken kehrte.