Выбрать главу

»So scheint es«, sagte sie hölzern. Sie zitterte. Piotr war in viel besserer Verfassung.

»Das ist ein Randthema«, sagte er, ebenso viel zu sich selbst wie zu ihr, wobei er versuchte, seine Selbstbeherrschung wiederzugewinnen. »Ich habe wichtigere Themen mit dem Lordregenten zu erörtern. Leb wohl, Mylady.« Er neigte den Kopf in einem Versuch, ironisch zu sein, und wandte sich ab.

»Einen schönen Tag noch«, knurrte sie hinter ihm her und rauschte durch die Tür in Arals Quartier.

Zwanzig Minuten lang lief sie im Zimmer hin und her, bevor sie es wagte, selbst mit Drou zu reden, die sich in einen Sessel in der Ecke verkrochen hatte, als wollte sie sich selber ganz klein machen.

»Sie glauben doch wohl nicht wirklich, daß Graf Piotr ein Verräter ist, nicht wahr, Mylady?«, fragte Droushnakovi, als Cordelias Schritte schließlich langsamer wurden.

Cordelia schüttelte den Kopf. »Nein … nein. Ich wollte ihn nur seinerseits verletzen. Dieses Land hier macht mich fertig. Hat mich fertiggemacht.«

Erschöpft sank sie in einen Sessel und lehnte ihren Kopf an die Polsterung zurück. Nach einiger Zeit des Schweigens fügte sie hinzu: »Aral hat recht. Ich habe kein Recht, ein Risiko einzugehen. Nein, das ist nicht ganz richtig. Ich habe kein Recht zu scheitern. Und ich vertraue mir selber nicht mehr. Ich weiß nicht, was mit meinen Nerven passiert ist. Ich habe sie in einem fremden Land verloren.« Ich kann mich nicht erinnern. Kann mich nicht erinnern, wie ich es getan habe. Sie und Bothari waren Zwillinge, richtig genug, zwei Persönlichkeiten, die getrennt aber in gleichem Maße von einer Überdosis Barrayar zu Krüppeln gemacht worden waren.

»Mylady …« Droushnakovi zupfte an ihren Röcken und blickte in ihren Schoß. »Ich gehörte drei Jahre lang zum Sicherheitsteam der Kaiserlichen Residenz.«

»Ja …« Ihr Herz taumelte, würgte. Als Übung der Selbstdisziplin schloß Cordelia die Augen und öffnete sie nicht wieder. »Erzählen Sie mir davon, Drou.«

»Negri hat mich selbst trainiert. Weil ich Kareens Leibwächterin war, sagte er immer, ich wäre die letzte Schranke zwischen Kareen und Gregor und — und allem, was schlimm genug war, so weit zu kommen. Er zeigte mir alles in der Residenz. Er drillte mich dafür. Er zeigte mir Sachen, von denen ich nicht glaube, daß er sie anderen zeigte. Wir hatten in unseren Katastrophenübungen fünf Notfluchtwege ausgearbeitet. Zwei von ihnen waren allgemeine Sicherheitsprozeduren. Einen dritten zeigte er nur ein paar führenden Leuten wie Illyan. Die anderen beiden — ich weiß nicht, ob jemand anderer außer Negri und Kaiser Ezar überhaupt etwas von ihnen wußte. Und ich denke …« — sie befeuchtete ihre Lippen —, »ein geheimer Weg, der von irgendwo herausführt, sollte doch auch genauso ein geheimer Weg hinein sein. Meinen Sie nicht auch?«

»Ihre Gedankengänge interessieren mich außerordentlich. Wie Aral sagen würde. Fahren Sie fort.« Cordelia öffnete ihre Augen immer noch nicht.

»Es geht darum: Wenn ich irgendwie bis zur Residenz kommen könnte, dann wette ich, daß ich auch hinein könnte. Wenn Vordarian genau all die Standardsicherheitsvorkehrungen übernommen und verstärkt hat.«

»Und auch wieder herauskommen?«

»Warum nicht?«

Cordelia bemerkte, daß sie vergessen hatte zu atmen. »Für wen arbeiten Sie, Drou?«

»Oberst …«, sie setzte an zu antworten, hielt dann aber befangen inne. »Negri. Aber er ist tot. Oberstleutnant — Oberst Illyan, jetzt, nehme ich an.«

»Lassen Sie es mich anders formulieren.« Cordelia öffnete endlich ihre Augen. »Für wen haben Sie ihr Leben eingesetzt?«

»Kareen. Und Gregor natürlich. Sie waren sozusagen eins.«

»Sie sind es noch. Darauf wette ich als Mutter.« Sie begegnete dem Blick aus Drous blauen Augen. »Und Kareen hat Sie mir gegeben.«

»Sie sollten mein Mentor sein. Wir dachten, Sie seien eine Soldatin.«

»Das war ich nie. Aber das bedeutet nicht, daß ich nie gekämpft habe.« Cordelia machte eine Pause. »Worum wollen Sie handeln, Drou? Ihr Leben in meiner Hand — ich sage nicht eidgebunden, das ist für diese anderen Idioten — gegen was?«

»Kareen«, antwortete Droushnakovi standhaft. »Ich habe die Leute hier beobachtet, wie sie Kareen nach und nach als entbehrlich einstufen. Drei Jahre lang habe ich jeden Tag mein Leben für sie eingesetzt, weil ich glaubte, daß ihr Leben wichtig war. Wenn man jemanden so lang von so nahe beobachtet, dann hat man nicht mehr zu viele Illusionen über ihn oder sie. Jetzt scheinen alle zu denken, ich sollte meine Loyalität einfach umschalten, wie eine Art Wachmaschine. Da stimmt etwas nicht dabei. Ich möchte — möchte wenigstens einen Versuch zugunsten von Kareen wagen. Im Tausch dafür — was immer Sie wollen, Mylady.«

»Ah«, Cordelia rieb ihre Lippen. »Das scheint … recht und billig. Ein entbehrliches Leben für ein anderes. Kareen für Miles.« Sie versank in ihrem Sessel in tiefem Nachsinnen.

Zuerst siehst du es. Dann bist du es. »Das ist nicht genug«, Cordelia schüttelte schließlich den Kopf. »Wir brauchen … jemanden, der die Stadt kennt. Jemanden mit Muskeln, als Verstärkung. Einen Waffenexperten, ein schlafloses Auge. Ich brauche einen Freund.« Die Winkel ihres Mundes hoben sich in einem sehr subtilen Lächeln. »Der mir näher ist als ein Bruder.« Sie erhob sich und schritt zur Kommunikationskonsole.

»Sie wollten mich sprechen, Mylady?«, sagte Sergeant Bothari.

»Ja. Bitte kommen Sie herein.«

Die Quartiere höherer Offiziere schüchterten Bothari nicht ein, aber er zog seinen Augenbrauen doch zusammen, als Cordelia ihm bedeutete, er sollte sich setzen. Sie nahm ihm gegenüber an dem niederen Tisch Arals üblichen Platz ein. Drou saß wieder in der Ecke und beobachtete die beiden in zurückhaltendem Schweigen.

Cordelia blickte Bothari an, der sie seinerseits anblickte. Er schien körperlich in Ordnung zu sein, obwohl sein Gesicht von Falten der Spannung durchzogen war. Sie spürte, wie mit einem dritten Auge, frustrierte Energien, die durch seinen Körper liefen, Lichtbögen der Wut, Netze der Beherrschung, ein verwikkelter elektrischer Knoten von gefährlicher Sexualität unter all dem. Energien, die zurückstrahlten, die immer wieder ohne Entladung aufgebaut wurden, die verzweifelt eine Aktion verordnet brauchten, damit sie nicht wild auf eigene Faust ausbrachen. Sie blinzelte und stellte ihren Blick wieder auf sein weniger erschreckendes Äußeres ein: ein müde aussehender, häßlicher Mann in einer eleganten braunen Uniform.

Zu ihrer Überraschung begann Bothari: »Mylady, haben Sie etwas Neues über Elena gehört?«

Sie fragen sich wohl, warum ich Sie hierhergerufen habe? Zu ihrer Schande hatte sie Elena fast vergessen. »Nichts Neues, fürchte ich. Man berichtet, daß sie zusammen mit Frau Hysopi in jenem Hotel im Stadtzentrum gefangengehalten wird, das Vordarians Sicherheitsabteilung beschlagnahmt hat, als sie keine freien Zellen mehr hatten, sie ist dort mit einer Menge anderer Geiseln der zweiten und dritten Stufe. Sie wurde nicht in die Residenz oder sonstwo hingebracht.« Elena war nicht, anders als Kareen, ein direktes Ziel von Cordelias geheimer Mission. Wenn er darum bat, wieviel sollte sie wagen zu versprechen?

»Es tut mir leid, was man über Ihren Sohn hört, Mylady.«

»Mein Mutant, wie Piotr sagen würde.« Sie beobachtete ihn: sie konnte in seinen Schultern, seinem Rückgrat, seinem Unterleib besser lesen als in diesem ausdruckslosen vogelartigen Gesicht.

»Über Graf Piotr«, sagte er und brach dann ab. Seine Hände verhakten sich ineinander, zwischen sein Knien, und bogen sich. »Ich dachte, den Admiral deswegen anzusprechen. Ich hatte nicht daran gedacht, mit Ihnen zu sprechen. Ich hätte an Sie denken sollen.«

»Immer.« Also was nun?

»Ein Mann kam gestern auf mich zu. In der Sporthalle. Nicht in Uniform, kein Rangabzeichen, kein Namensschild. Er bot mir Elena an. Elenas Leben, falls ich Graf Piotr umbrächte.«