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Droushnakovi blickte unglücklich in dem Raum umher.

»Was ist los, Drou?«, flüsterte Cordelia.

»Zu einfach«, murmelte das Mädchen.

»Wir haben es noch nicht geschafft. Sagen Sie in einer Stunde ›einfach‹.« Sie leckte sich die Lippen, erschüttert durch geheime, unterbewußte Zustimmung zu Droushnakovis Einschätzung. Aber man konnte es nicht ändern. Den Replikator nehmen und abhauen.

Schnelligkeit, nicht Geheimhaltung, war jetzt ihre Hoffnung.

Sie setzte das Tablett auf dem Tisch ab, streckte die Hand nach dem Tragegriff des Replikators aus und hielt inne. Irgend etwas, irgend etwas stimmte nicht … sie blickte näher auf die Anzeigen. Der Monitor des Oxyge-nerators funktionierte überhaupt nicht. Obwohl sein Indikatorlicht grün leuchtete, wurde der Stand der Nährflüssigkeit mit 00.00 angezeigt.

Leer.

Cordelias Mund öffnete sich zu einem lautlosen Schrei. Ihr Magen drehte sich um. Sie neigte sich noch näher an das Gerät und verschlang mit den Augen das ganze unlogische Durcheinander falscher Anzeigen. Der Alptraum, der sie verfolgt hatte, war plötzlich und schrecklich Wirklichkeit geworden — hatten sie den Inhalt auf den Boden geschüttet, in einen Abwasserkanal, in eine Toilette? War Miles schnell gestorben, aus Mitleid erschlagen, mit dem Absatz zermalmt, oder hatten sie das winzige Kind, seiner Lebensunterstützung beraubt, sich in Schmerzen zu Tode zucken lassen, während sie zuschauten? Vielleicht hatten sie sich nicht einmal die Mühe gemacht, zuzuschauen …

Die Seriennummer. Schau auf die Seriennummer! Eine hoffnungslose Hoffnung, aber … sie zwang ihren verschwimmenden Blick zur Schärfe, ihre sich überschlagenden Gedanken zur Erinnerung. Sie hatte diese Nummer damals in Vaagens und Henris Labor nachdenklich befingert und dabei über dieses Stück Technologie und die ferne Welt, auf der es geschaffen worden ward, nachgesonnen — und diese Nummer hier stimmte nicht. Es war nicht derselbe Replikator, nicht der von Miles!

Einer der sechzehn anderen, als Köder für diese Falle benutzt.

Ihr sank das Herz. Wieviele andere Fallen waren gelegt? Sie sah sich verrückt von Replikator zu Replikator rennen, wie ein verzweifeltes Kind auf der Suche in einem grausamen Versteckspiel … Ich werde gleich verrückt.

Nein. Wo auch immer der echte Replikator sich befand, er war in der Nähe von Vordarians Person. Dessen war sie sicher. Sie kniete neben dem Tisch nieder und stützte für einen Moment ihren Kopf auf, um die blutleeren schwarzen Blasen zurückzudrängen, die ihren Blick trübten und ihrem Geist das Bewußtsein zu rauben drohten. Sie hob das Tuch hoch.

Da! Ein Drucksensor. War dies Vordarians eigene schlaue Idee? Raffiniert und tückisch. Drou bückte sich auf ihren Wink hin.

»Eine Falle«, flüsterte Cordelia. »Wenn man den Replikator hebt, dann wird der Alarm ausgelöst.«

»Wenn wir ihn lahmlegen …«

»Nein, verschwenden Sie daran keinen Gedanken. Das ist nur ein Köder. Nicht der richtige Replikator. Der hier ist leer, und man hat an den Kontrollen herumgepfuscht, um den Eindruck zu erwecken, daß er in Betrieb wäre.« Cordelia versuchte trotz des Pochens in ihrem Schädel klar zu denken. »Wir müssen den gleichen Weg zurückgehen. Wieder hinunter, und dann wieder hinauf. Ich hatte nicht erwartet, dort auf Vordarian zu stoßen. Aber ich garantiere, er wird wissen, wo Miles ist. Ein kleines altmodisches Verhör. Wir werden gegen die Zeit arbeiten. Wenn der Alarm losgeht …«

Schritte auf dem Korridor, dann folgten Rufe. Das zirpende Summen eines Schusses aus dem Betäuber. Fluchen. Bothari kam rückwärts durch die Tür. »Jetzt ist’s passiert. Sie haben uns entdeckt.«

Wenn der Alarm losgeht, dann ist alles vorbei, ergänzten Cordelias Gedanken in einem Schwindelgefühl des Verlustes. Kein Fenster, nur eine einzige Tür, und gerade hatten sie die Kontrolle über ihren einzigen Ausweg verloren. Vordarians Falle hatte schließlich doch funktioniert.

Vidal Vordarian soll in der Hölle schmoren …

Droushnakovi griff nach ihrem Betäuber. »Wir werden Sie nicht ausliefern, Mylady. Wir werden bis zum Ende kämpfen.«

»Unsinn«, versetzte Cordelia, »es gibt nichts, was unser Tod hier erkaufen würde, außer dem Tod von ein paar mehr von Vordarians Schlägern. Das ist sinnlos.«

»Sie meinen, wir sollten einfach aufgeben?«

»Der Ruhm des Selbstmords ist der Luxus der Unverantwortlichen. Wir geben nicht auf. Wir warten auf eine bessere Gelegenheit, um zu gewinnen. Die wir nicht wahrnehmen können, wenn wir betäubt oder von Nervenfeuer getroffen sind.« Natürlich, wenn dies der echte Replikator gewesen wäre, da auf dem Tisch … sie war jetzt wahnsinnig genug, das Leben dieser Leute für das Leben ihres Sohnes zu opfern, überlegte Cordelia reumütig, aber noch nicht verrückt genug, sie gegen nichts zu tauschen. Sie war noch keine Barrayaranerin geworden.

»Sie geben sich Vordarian als Geisel in die Hand«, warnte Bothari.

»Vordarian hält mich als Geisel, seit dem Tag, wo er Miles genommen hat«, sagte Cordelia traurig. »Das ändert nichts.«

Ein paar Minuten laut durch die Tür geführter Verhandlungen vollendeten ihre Kapitulation, obwohl die Nerven der Sicherheitsleute aufs äußerste gespannt waren. Sie warfen ihre Waffen hinaus. Die Wachen machten sicherheitshalber eine Überprüfung mit dem Energiescanner, dann drängten sich vier von ihnen in den kleinen Raum, um ihre neuen Gefangenen zu durchsuchen. Zwei weitere warteten zur Verstärkung draußen. Cordelia machte keine plötzlichen Bewegungen, um sie nicht zu verwirren. Einer der Wächter runzelte irritiert die Stirn, als der interessante Klumpen in Cordelias Weste sich als ein bloßer Kinderschuh herausstellte. Er legte ihn auf den Tisch neben das Tablett.

Der Kommandant, ein Mann in der kastanienbraungoldenen Livree der Vordarians, sprach in sein Kom-Link am Handgelenk. »Ja, wir sind hier sicher. Sagen Sie es Mylord. Nein, er hat gesagt, man solle ihn wecken. Wollen Sie erklären, warum Sie es nicht getan haben? Danke.«

Die Wachen führten sie nicht hinaus auf den Korridor, sondern warteten. Der noch bewußtlose Mann, den Bothari niedergeschlagen hatte, wurde hinausgeschleift. Die Wachen stellten Cordelia mit zur Wand ausgestreckten Armen und gespreizten Beinen in eine Reihe mit Bothari und Droushnakovi. Sie war benommen vor lauter Verzweiflung. Aber Kareen würde irgendwann zu ihr kommen, selbst wenn Cordelia gefangen war. Mußte zu ihr kommen. Alles, was sie brauchte, waren dreißig Sekunden mit Kareen, vielleicht sogar weniger. Wenn ich Kareen begegne, bist du ein toter Mann, Vordarian. Du magst herumgehen und reden und Befehle geben und dir wochenlang deines Ablebens nicht bewußt sein, aber ich werde dein Schicksal so sicher besiegeln, wie du das meines Sohnes besiegelt hast.

Der Grund für das Warten erschien schließlich auf der Bildfläche: Vordarian selbst, in grünen Uniformhosen und Hausschuhen und mit nackter Brust, bahnte sich seinen Weg durch die Tür. Hinter ihm folgte Prinzessin Kareen, die sich in einen dunkelroten Morgenmantel aus Samt gehüllt hatte. Cordelias Herz pochte doppelt so schnell, jetzt?

»So, so. Die Falle hat funktioniert«, begann Vordarian selbstgefällig, fügte jedoch ein »Was?« echter Überraschung hinzu, als sich Cordelia von der Wand abstieß und sich umwandte, um ihn anzublicken. Ein Zeichen mit der Hand hielt einen der Wächter davon ab, sie wieder in ihre Stellung zurückzuschieben. Die Überraschung auf Vordarians Gesicht wich einem wölfischen Grinsen. »Mein Gott, hat das aber funktioniert! Ausgezeichnet! « Kareen, die hinter ihm stand, blickte in Bestürzung und Staunen auf Cordelia.

MEINE Falle hat funktioniert, dachte Cordelia, überwältigt von ihrer Gelegenheit. Schau mich nur an …

»Die Sache ist so, Mylord«, sagte der Livrierte keineswegs glücklich. »Es hat nicht funktioniert. Wir haben diese Gruppe nicht im Außenbereich der Residenz aufgespürt und dann ihren Weg verfolgt, sondern sie tauchten verdammt noch mal hier auf — ohne irgendeinen Alarm auszulösen. Das hätte nicht passieren dürfen. Wenn ich nicht vorbeigekommen wäre, um nach Roget zu suchen, hätten wir sie vielleicht nicht entdeckt.«