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Cordelia leerte die Schuhe aus, stolperte zurück um das Bett herum und hob Vordarians Kopf von der Stelle auf, wo er hingerollt war. Er war schwer, aber nicht so schwer wie der Uterusreplikator. Sie zog die Verschlußschnüre fest zu.

»Drou. Sie sind in der besten Verfassung. Tragen Sie den Replikator. Beginnen Sie mit dem Abstieg. Lassen Sie ihn nicht fallen.« Wenn sie selbst Vordarian fallen ließe, sagte sich Cordelia, so würde ihm das kaum noch Schaden zufügen.

Droushnakovi nickte und nahm sowohl den Replikator wie das weggeworfene Schwert auf. Cordelia war sich nicht sicher, ob Drou das Schwert wegen seines neu erworbenen historischen Wertes aufhob oder aus einem Gefühl der Verpflichtung für eines von Kous Besitztümern.

Cordelia redete Bothari zu, er solle aufstehen. Kühle Luft kam aus der Öffnung in der Wandtäfelung heraufgeströmt, angezogen von dem Feuer auf der anderen Seite der Tür. Das würde eine schöne Feueresse geben, bis die brennende Wand einstürzen und den Eingang blockieren würde.

Vordarians Leute würden viel zu rätseln haben, wenn sie die Asche durchsuchten und sich fragten, wohin die Gesuchten verschwunden wären.

Der Abstieg war alptraumhaft in dem engen Zwischenraum, wobei Bothari zu ihren Füßen wimmerte. Sie konnte den Beutel weder neben sich noch vor sich tragen, so mußte sie ihn auf einer Schulter balancieren und einhändig gehen, wobei ihre Handfläche auf die Sprossen herabklatschte und ihr Handgelenk schmerzte.

Als sie ebenen Boden erreicht hatten, trieb sie den weinenden Bothari rücksichtslos voran und erlaubte ihm nicht stehenzubleiben, bis sie wieder zu Ezars Geheimversteck im Keller der alten Ställe kamen.

»Ist er in Ordnung?«, fragte Droushnakovi nervös, als Bothari sich hinsetzte und den Kopf zwischen seine Knie steckte.

»Er hat Kopfschmerzen«, sagte Cordelia. »Es kann eine Zeit dauern, bis die vorbei sind.«

Droushnakovi fragte noch zaghafter: »Sind Sie in Ordnung, Mylady?«

Cordelia konnte nichts dagegen tun, sie mußte lachen. Sie würgte die Hysterie hinunter, als Drou wirklich erschrocken dreinzublicken begann.

»Nein.«

KAPITEL 19

Ezars Geheimversteck enthielt einen Kasten mit Geld, barrayaranische Mark in Banknoten zu unterschiedlichen Nennwerten. Es enthielt auch eine Auswahl von Ausweisen, die auf Drou abgestimmt waren, und einige davon waren noch gültig. Cordelia brachte beides, Geld und Ausweise, zusammen und schickte Drou hinaus, einen gebrauchten Bodenwagen zu kaufen. Sie selbst wartete neben dem Versteck, während sich Bothari langsam aus seiner zusammengerollten Embryohaltung des Schmerzes löste und sich genügend erholte, um laufen zu können.

Aus Vorbarr Sultana wieder herauszukommen war immer der schwache Teil ihres Plans gewesen, fand Cordelia, vielleicht weil sie nie wirklich geglaubt hatte, daß sie so weit kommen würden. Reisen war streng eingeschränkt, da Vordarian verhindern wollte, daß die Stadt unter ihm zusammenbrach, falls ihre geängstigte Bevölkerung wegströmen sollte.

Für den Monorail brauchte man Pässe, und außerdem wurden dort Kontrollen durchgeführt. Leichtflieger waren absolut verboten, willkommene Ziele für schießwütige Wachen. Bodenwagen mußten immer wieder Straßensperren passieren. Eine Reise zu Fuß war zu langsam für ihre beladene und erschöpfte Gruppe. Es gab keine wirklich gute Wahl.

Nach einer Ewigkeit kam Drou zurück, ganz bleich im Gesicht, und führte sie hinaus durch die Tunnels in eine verborgene Seitenstraße. Die Stadt war von rußigem Schnee überstäubt. Aus der Richtung der Residenz, einen Kilometer entfernt, stieg eine dunklere Wolke auf und vermischte sich mit dem wintergrauen Himmel, das Feuer war anscheinend noch nicht unter Kontrolle. Wie lang würde Vordarians kopflose Kommandostruktur noch funktionieren? War das Gerücht von seinem Tod schon nach draußen gedrungen?

Wie sie instruiert worden war, hatte Drou einen sehr einfachen und unauffälligen Bodenwagen ausgesucht, obwohl sie genug Mittel hatten, um das luxuriöseste neue Fahrzeug zu kaufen, das es in der Stadt noch gab. Cordelia wollte diese Geldreserve für die Kontrollpunkte aufheben.

Aber diese Kontrollpunkte waren nicht so schlimm, wie Cordelia gefürchtet hatte. Tatsächlich war der erste unbesetzt, seine Wachmannschaft war abgezogen worden, vielleicht um das Feuer zu bekämpfen oder die Umgebung der Residenz abzuriegeln. Am zweiten wartete eine Menge Fahrzeuge mit ungeduldigen Fahrern. Die Kontrolleure arbeiteten nur oberflächlich, sie waren nervös, abgelenkt und halb zermürbt von weiß Gott was für Gerüchten, die aus der Innenstadt kamen. Ein dickes Bündel Geld, überreicht zusammen mit Drous perfekt gefälschtem Ausweis, verschwand in die Tasche eines Wächters. Er winkte Drou durch, die angeblich ihren ›kranken Onkel‹ heimfuhr.

Bothari sah gewiß krank genug aus, zusammengekauert unter einer Decke, die auch den Replikator verbarg. Am letzten Kontrollpunkt ›wiederholte‹ Drou eine wahrscheinliche Version eines Gerüchts von Vordarians Tod, und der beunruhigte Wächter desertierte auf der Stelle, warf seine Uniform zugunsten eines zivilen Mantels ab und verschwand in einer Seitenstraße.

Sie fuhren den ganzen Nachmittag im Zickzack über schlechte Seitenstraßen, um Vorinnis’ neutralen Distrikt zu erreichen, wo der altersschwache Bodenwagen nach einem Bruch der Kraftübertragung den Geist aufgab. Sie verließen ihn und wechselten jetzt zum Monorail-System über, wobei Cordelia ihre erschöpfte kleine Gruppe vorantrieb, im Wettlauf mit der Uhr in ihrem Kopf.

Um Mitternacht meldeten sie sich bei der ersten militärischen Einrichtung hinter der nächsten loyalistischen Grenze, einem Nachschubdepot. Drou mußte sich einige Minuten mit dem Nachdienstoffizier herumstreiten, bis sie ihn überreden konnte, 1. die Gruppe zu identifizieren, 2, sie hereinzulassen und 3. sie das militärische Kommunikationsnetz benutzen zu lassen, um in Basis Tanery anzurufen und ein Transportmittel anzufordern. An diesem Punkt wurde der Offizier vom Dienst erheblich effizienter. Ein Hochgeschwindig-keitsshuttle mit einem frischen Piloten wurde eilends losgeschickt, um sie abzuholen.

Als sie sich Basis Tanery im Morgengrauen aus der Luft näherten, erlebte Cordelia ein außerordentlich unangenehmes deja vu. Es glich alles so ihrer ersten Ankunft aus den Bergen, daß sie das Gefühl hatte, in einer Zeitschleife gefangen zu sein. Vielleicht war sie gestorben und in die Hölle gekommen, und ihre ewige Qual würde darin bestehen, die Ereignisse der letzten drei Wochen immer wieder und wieder ohne Ende wiederholen zu müssen. Sie zitterte.

Droushnakovi beobachtete sie besorgt. Der erschöpfte Bothari schlummerte in der Passagierkabine des Shuttle. Illyans zwei Männer vom Sicherheitsdienst, die nach Cordelias Eindruck wie Zwillinge der Männer Vordarians aussahen, die sie in der Residenz getötet hatten, bewahrten nervöses Schweigen. Cordelia hielt den Uterusreplikator besitzergreifend auf ihrem Schoß. Der Plastikbeutel befand sich zwischen ihren Füßen. Sie war auf irrationale Weise unfähig, eines dieser beiden Objekte aus ihrer Sicht wegzugeben, obwohl es klar war, daß es Drou vorgezogen hätte, wenn der Beutel im Gepäckbereich befördert worden wäre.

Die Luftfähre kam elegant auf ihrer Landezone nieder, ihre Motoren heulten noch einmal auf und schwiegen dann.

»Ich möchte Hauptmann Vaagen sehen, und ich möchte ihn sofort sehen«, wiederholte Cordelia zum fünftenmal, als Illyans Männer sie unterirdisch in den Meldebereich des Sicherheitsdienstes führten.

»Jawohl, Mylady. Er ist schon unterwegs«, versicherte ihr der Sicherheitsoffizier erneut. Sie warf ihm einen finsteren, mißtrauischen Blick zu.