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Dabei ist Radar das Wichtigste auf einem Flugplatz. Was wäre der ganze Flugbetrieb von Tiflis, wenn es Wladimir Mironowitsch nicht gäbe, ich bitte! Über den Schirm mit dem kreisenden Geisterfinger geht einfach alles, was in der Luft ist. Nichts bleibt ihm verborgen, und keiner kann sagen, das stimmt nicht, ich war um diese Zeit nicht am Himmel. Wladimir Mironowitsch zeigte auf sein Berichtsbuch und ließ das besprochene Tonband ablaufen und sagte:»Brüderchen, lüg nicht wie ein Fischweib; du warst um 17.19 Uhr in der Luft!«Das kam allerdings nur bei den Sportfliegern vor, wenn sie den normalen Flugverkehr störten und in die Flugschneisen kamen. Das wurde streng bestraft, und es war immer Bubnow, der als wichtigster Zeuge auftreten mußte. Sie haben also gar keinen Grund, die weiß-hemdigen Genossen von der Flugleitung, die Nase so hoch zu halten, als umgebe den guten Bubnow ständig der Geruch eines entleerten Darmes.

In dieser Nacht also, am 19. Mai gegen 4 Uhr morgens, saß Wladimir Mironowitsch in seinem Kontrollturm, spuckte die Sonnenblumenschalen gegen die Wand und meldete auf Tonband und an die Kontrollstelle I, daß alles in Ordnung sei, der Himmel sei frei, jenseits des Kaukasus, zwischen dem Iran und der Türkei, herrschte ein ganz mistiges Gewitter, und im übrigen sei es toll, daß Spartak Moskau im Fußball gegen Partisan Kasan 2:0 gewonnen habe. Die ersten Frühnachrichten hätten das Ergebnis gebracht.

Um 4.10 Uhr wurde es jedoch im Kontrollturm bei dem guten Bubnow lebendig. Auf dem Radarschirm zeigte sich ein Punkt, der nicht dorthin gehörte. Es war ein konstanter Punkt, der schnell näher kam und der gut zu bestimmen war.

Ein Flugzeug.

Wladimir Mironowitsch überflog die Flugpläne vor sich auf dem Tisch. Die erste Maschine startete von Tiflis um 4.30 Uhr, die erste landende Maschine aus Taschkent traf um 5.07 Uhr ein. Privatmaschinen waren nicht gemeldet, auch keine Regierungsmaschine. Flugzeuge der sowjetischen Luftstreitkräfte hatten ebenfalls keine Übung. Nach Ansicht Bubnows mußte also der Himmel sauber sein wie ein eben gesaugter Teppich.

Aber der Punkt wurde immer größer. Ganz deutlich erfaßte ihn der kreisende Radarstrahl.

«Genossen!«riefWladimir Mironowitsch aufgeschreckt in das Telefon der Flugsicherung I und gleichzeitig auf das Kontrolltonband, das nach dem Dienst vom Leiter des Flugplatzes abgespielt wurde.»In der Luft ist was! Aus Richtung Iran kommt es! Über den Kaukasus! Ein Flugzeug!«

«Erkannt, Genosse!«Die Flugsicherung schaltete sich ein in das Rundsprechnetz, das bei Alarm alle Stellen aufrief, die für Sicherung und Verteidigung zuständig waren.»Behalten Sie Objekt unter Kontrolle.«

«Unter Kontrolle, Genosse!«Bubnow beobachtete den Punkt auf dem Radarschirm. Objekt, dachte er. Wie vornehm das klingt. Die Leute haben so ihre eigene Sprache, je mehr Rubelchen sie verdienen. Oder sollte es gar kein Flugzeug sein? Objekt! Eine Rakete kann's sein. Ein niederkommender, nicht amtlich bekanntgegebener Satellit?

In Bubnow vermehrte sich die Unruhe. Er schaltete sich in die Rundsprechanlage ein und erlebte zum erstenmal, wie lückenlos, schnell und präzise die Verteidigung der Sowjetunion war.

Um Tiflis herum waren in dieser Minute alle Kommandos der sowjetischen Luftflotte alarmiert. Aus den unterirdischen Bunkern und Abschußrampen fuhren lautlos die Abwehrraketen hervor, die Flakbatterien wurden besetzt, auf ein zentrales Kommando hin flammten rund um die Stadt, bis zu den Rändern des Kaukasus, die Scheinwerferstellungen auf und tasteten mit ihren riesigen, grellen Fingern den Nachthimmel ab. Sogar General Fjodor Nikolajewitsch Oro-nitse hatte man aus dem Bett geholt. In Unterhosen, aber wegen der Nachtkühle mit umgehängter Uniformjacke, saß er neben dem Telefon und ließ sich informieren.

«Flugobjekt ausgemacht!«Die Rundsprechanlage summte. Die Luftbeobachtungen an der Grenze gaben die ersten genauen Meldungen durch.»Es handelt sich um ein großes vierstrahliges Flugzeug noch unbekannter Herkunft. Flughöhe zirka 8.000 Meter. Flugrichtung Tiflis.«

General Oronitse legte den Hörer auf, rannte ins Schlafzimmer und zog sich an. Vor dem Haus fuhr bereits der große Moskwitsch-Wagen vor; im Hauptquartier verfolgte man an der großen Leuchtkarte, die an der Wand hing, den Flug des unbekannten Düsenriesen.

4.23 Uhr.

General Oronitse saß an seinem großen Schreibtisch im Hauptquartier Tiflis und telefonierte mit Moskau. Dort saß im Kriegsministerium ein verschlafener Oberst, der sich weigerte, verbindliche Befehle zu geben.

«Handeln Sie nach der Lage, Fjodor Nikolajewitsch«, sagte er zu General Oronitse.»Es wird kein amerikanischer Angriff sein. Und die U-2 fliegt 12.000 Meter hoch!«

Oronitse warf den Hörer zurück auf die Gabel und befahl zunächst drei Mig-Jäger aufsteigen zu lassen, um das unbekannte Flugzeug zu begleiten und zu beobachten.

Wladimir Mironowitsch in seinem Radarturm schwitzte vor Aufregung. Er hatte das alles entdeckt. Er hatte mit seiner Meldung den ganzen riesigen Apparat der Verteidigung mobilisiert. Welche Macht hatte er! Morgen früh würde er die Herren der Flugleitung in ihren weißen Hemden nicht zuerst grüßen und ihnen» Guten Morgen, Genossen!«zurufen. Was waren sie alle ohne ihn, den Radarmann Bubnow? Armselige Stiefelpisser! Jawohl! Man muß endlich mal die Wahrheit sagen, Brüder.

Über Tiflis jagten die drei alarmierten Mig-Jäger mit heulenden Motoren. Die Scheinwerferbatterien tasteten noch immer den Himmel ab, nun alle Strahlen konzentriert auf einen Himmelsstreifen, an dem die unbekannte Maschine auftauchen mußte.

General Oronitse ließ sich zum Flugplatz fahren, um vom Hauptturm aus mit einem Nachtglas das merkwürdige Ereignis zu beobachten.

«Es kann sich nur um eine verirrte ausländische Verkehrsmaschine handeln«, sagte er zuversichtlich.»Über dem Iran tobt ein schreckliches Unwetter. Sie muß vom Kurs abgekommen sein, obgleich mir das rätselhaft ist. Warten wir ab, Genossen!«

Die drei Mig-Jäger hatten unterdessen das fremde Flugzeug erreicht. Wie Mücken umkreisten sie den fliegenden Riesen, versuchten, in Funkverkehr mit ihm zu kommen und bekamen keine Antwort. Ein paarmal überflogen sie die viermotorige Maschine, jagten neben ihr her in bedrohlicher Nähe und kreisten dann wieder über ihr wie Aasgeier, die auf den Tod ihres Opfers warten.

«Da haben wir es!«sagte General Oronitse, als die erste Funkmeldung des Mig-Staffelführers ihm übergeben wurde.»Eine Maschine der DBOA. Reagiert auf keinerlei Anruf und zieht geradewegs nach Tiflis. Lassen Sie alle militärischen Maßnahmen abblasen. Was jetzt folgt, ist Sache der Zivilluftfahrt. Guten Morgen, Genossen! Ich hätte ruhig weiter schlafen können.«

In Tiflis atmete man auf. Aber es sollte sich zeigen, daß man zu früh aufgeatmet hatte. Auch General Fjodor Nikolajewitsch Oro-nitse sollte nicht ruhig weiterschlafen können.

Was da durch den Nachthimmel heranbrummte, war ein Problem, das von Tiflis bis Moskau noch manche Gehirne heißlaufen ließ.

«Es ist alles Scheiße mit Soße!«sagte Paul Andresen und legte die verschiedenen Schraubenzieher hin.»Ich kriege die elektrische Anlage nicht hin. Zwei Hauptstellen sind durch den Blitzschlag durchgeschmort. Verlassen wir uns auf unsere Äugelchen. «Er sah hinaus in die sternenklare Nacht. Unter ihnen wogte ein grauweißes Wolkenmeer.»Wo fliegen wir eigentlich hin?«

Chefpilot Pohlmann hob die Schultern.

«Nach Nordosten«, sagte er nach einer ganzen Weile. Andresen kratzte sich den Kopf.

«Junge, dann sind wir bald in Rußland.«

«Unter uns muß der Kaukasus liegen, das stimmt. «Pohlmann sah auf den einfachen Kompaß, der unabhängig war von Strom und Meßinstrumenten. Eine Landkarte lag auf seinen Knien.»Wenn wir ganz großes Glück haben, landen wir in Tiflis.«

«Und wenn wir keins haben?«

«In der Kalmückensteppe oder im Kaspischen Meer.«

«Prost Onkel Willi!«