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»Worum geht es, wenn man fragen darf?«

Volltreffer!, stellte Sydow erleichtert fest und setzte sein Strahlemannlächeln auf. Im Adressbuch war nur der Name des Hausherrn verzeichnet, deshalb hatte er einfach drauflosspekuliert. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, möchte ich es der Dame des Hauses lieber persönlich sagen.«

»Muss das wirklich sein?«, widersetzte sich das Mädchen und trat Sydow mit verschränkten Armen in den Weg. »Meine Mutter fühlt sich nicht wohl.«

»So leid es mir tut, junge Dame«, beharrte Sydow, der nicht vorhatte, sich wie ein Hausierer abfertigen zu lassen. »Ich muss auf diesem Gespräch bestehen.«

Das Mädchen rümpfte die Nase, baute sich trotzig vor ihm auf. Von Oertzens Tochter war bildhübsch anzuschauen, mit Sommersprossen, langem, zu einem Pferdeschwanz zusammengebundenem Haar, gertenschlank und einem cremefarbenen, mit roten Kirschen verzierten Petticoat samt Stöckelschuhen. Allem Anschein nach war sie auf dem Weg zu irgendeiner Feier, möglicherweise auch zu einem Besuch. Auf Polizisten war sie offenbar nicht gut zu sprechen, obwohl der Eindruck, den Sydow von ihr bekam, an sich kein negativer war.

»Ob es Ihnen behagt oder nicht.« Mit das Auffälligste, wenn nicht gar Anziehendste an der jungen Dame waren ihre Augen – blau schimmernd, weit offen und von zarten Brauen überwölbt. Sydow stutzte, und während er sie so betrachtete, dachte er an die Zeit vor dem Krieg, als er 17 und zum ersten Mal richtig verknallt gewesen war. Und dann, zur Verwunderung des Mädchens, fiel es ihm plötzlich wie Schuppen von den Augen, und er war so perplex, dass er es einfach nur weiter anstarrte und keinen vernünftigen Ton mehr herausbrachte.

»Ist Ihnen etwa nicht gut?«, fragte sie in verunsichertem Ton. »Vielleicht ist es wirklich besser, wenn Sie nachher noch mal wieder…«

»Schon gut, Liebes«, machte plötzlich eine Stimme auf sich aufmerksam, »du kannst jetzt ruhig rüber zu deiner Freundin gehen. Ich komme schon allein zurecht.«

»Wirklich?«

Die adrette, ihrer Tochter wie aus dem Gesicht geschnittene Enddreißigerin gab ein bekräftigendes Nicken von sich. »Auf alle Fälle!«, versicherte sie, verabschiedete sich von ihrem Kind und wandte sich daraufhin Sydow zu. Der wiederum wusste nicht, wie ihm geschah, konnte den Blick von der Frau, die ihn mit gewinnendem Lächeln willkommen hieß, einfach nicht abwenden. Zuerst glaubte er, einer Sinnestäuschung zu erliegen und bekam vor lauter Überraschung den Mund nicht mehr zu. Unmittelbar darauf, als er von Oertzens Frau Auge in Auge gegenüberstand, bestand jedoch kein Zweifel mehr. Sydow errötete, die Knie weich wie Butter.

»Komm doch rein, Tom«, lud ihn die Frau vor dem von ionischen Säulen gestützten Portikus ein, machte eine einladende Handbewegung und wartete, bis er seine Verblüffung überwunden hatte. »Ich bin mir sicher, es gibt eine Menge zu bereden.«

31

Berlin-Charlottenburg, Hotel Kempinski am Kurfürstendamm | 14.15 h

»Eine Luxussuite – na, wenn das kein gutes Omen ist.« Kurz vor dem ersehnten Ziel machte sich Rembrandt einen Spaß daraus, Gregory Boynton Grant noch eine Weile zappeln zu lassen. Seine Worte trieften nur so vor Hohn, und er genoss seinen Auftritt in vollen Zügen. In Gedanken längst auf der Siegerstraße, stellte er seinen Aktenkoffer ab, rieb sich die Hände und ließ seinen Blick durch das Hotelzimmer schweifen. Der stellvertretende Direktor der CIA, scheinbar abgestumpft, müde und apathisch, ließ es geschehen. Für ihn, so schien es, war das Spiel gelaufen. Der einzige Triumph, der ihm vergönnt war, würde darin bestehen, die Pläne dieses arroganten Schnösels zu durchkreuzen und ihn McAllister ans Messer zu liefern. Anschließend würden sie ihm die Quittung präsentieren, ihn für das, was er zu verantworten hatte, zur Rechenschaft ziehen. Um sich auszumalen, was das bedeutete, musste er seine Fantasie erst gar nicht bemühen. Diesbezüglich war er Realist genug. Gregory Boynton Grants Blick trübte sich, seine Hand umschloss das mit Schweißperlen übersäte Genick. Es ging nur noch darum, wie sie ihn aus dem Weg räumen würden. Und wo.

»Freut mich, dass es Ihnen gefällt, Mister …«

»Glauben Sie im Ernst, ich bin so dämlich, dass ich meine Karten auf den Tisch lege? So gut müssten Sie mich inzwischen kennen, Mister Grant.« Überheblich wie ehedem, beendete Rembrandt die Inspektion der luxuriösen, mit allen Schikanen ausgestatteten Suite und fläzte sich wie selbstverständlich in den Plüschsessel, neben dem ein aus Mahagoni gefertigter und mit Intarsien in Form eines Schachbrettmusters verzierter Teetisch stand.

»Na gut, dann eben nicht«, gab Grant achselzuckend klein bei und warf einen Blick auf die Standuhr in unmittelbarer Nähe der Tür. Viertel nach zwei, stellte er fest, bemüht, seine Nervosität zu überspielen. Gerade einmal drei Stunden war es her, seit er in Tempelhof gelandet war. Drei lumpige Stunden, in deren Verlauf seine Aktien auf null gesunken waren.

Oder sogar noch tiefer.

»Hübsch, wirklich sehr hübsch«, spöttelte Rembrandt, streckte alle viere von sich und erweckte den Eindruck, als sei er zum Vergnügen hier. »Für einen stellvertretenden CIA-Direktor gar nicht mal so übel.«

»Wohl neidisch, was?«

Äußerlich gelassen, ging Rembrandt über die Provokation hinweg. »Höchste Zeit, zum Geschäftlichen zu kommen, finden Sie nicht auch?«, schlug er vor, in den Anblick eines Spitzweg-Repros vertieft, auf dem ein verschneiter Friedhof zu sehen war.

»Von mir aus.«

»Eine Million – und keinen Cent weniger.«

»Erst die Ware, dann das Geld.«

»Die Ware?« Rembrandts Augen funkelten amüsiert. »Kann es sein, dass Sie mich diesbezüglich falsch verstanden …?«

»Schluss mit der Komödie!«, fuhr Grant dazwischen, durchmaß den Raum und baute sich drohend vor seinem Widersacher auf. »Sie wissen ganz genau, was ich meine. Haben Sie die Karte aufgetrieben – ja oder nein?«

»Selbstverständlich«, versetzte Rembrandt, von der Drohgebärde nicht im Mindesten berührt. Um dies zu bekräftigen, ließ er die Handfläche auf der Brusttasche der tadellos sitzenden Pagenuniform ruhen. »Äußerst adrett, finden Sie nicht auch?«, lenkte er mit Blick auf seine Montur ab und zupfte am Stehkragen der weinroten, mit Goldfäden durchwirkten Jacke herum. »Keine Sorge – ihr rechtmäßiger Besitzer wird es überstehen. Ein kleines Nickerchen im Dienst – kommt hin und wieder mal vor.«

»Was mit der Karte ist, will ich wissen.«

»Alles hier drin«, beteuerte er. »Oder zweifeln Sie etwa an mir?«

»Zeigen Sie her.«

»Nur keine unarische Hast«, antwortete Grants Kontrahent mit unverhüllter Ironie, vollführte eine schwungvolle Gebärde und zog einen braunen Umschlag hervor.

»Sie denken aber auch an alles.«

»Voilà, Deputy Director«, verkündete Rembrandt, tat so, als wolle er ihn Grant überreichen und zog ihn im letzten Moment wieder zurück. »Das Objekt Ihrer Begierde.«

»Wie gesagt: erst die Ware, dann das Geld.«

»Auf die Gefahr, Sie enttäuschen zu müssen, Deputy Director: Ganz so einfach, wie Sie sich das gedacht haben, wird unsere kleine Transaktion nicht werden.«

»Und weshalb nicht, wenn man fragen darf?«

»Weil ich – um es offen auszusprechen – restlos enttäuscht von Ihnen bin, Mister Grant«, antwortete Rembrandt, erhob sich und schob den verdutzten Spitzenagenten kurzerhand beiseite. Der war so verblüfft, dass kein Wort des Protestes über seine Lippen kam, nicht einmal, als Rembrandt auf den massiven Marmortisch kletterte und eine Wanze entfernte, die an einem der acht Arme eines Kristallleuchters aus venezianischem Buntglas befestigt gewesen war. Das Gleiche geschah mit den Miniaturmikrofonen, die sich hinter dem Repro und unter dem Teetisch befanden, alles in allem ein halbes Dutzend. Nach getaner Arbeit, ein hämisches Grinsen im Gesicht, warf Rembrandt die Wanzen in den Papierkorb und ließ sich wieder in den Plüschsessel fallen.