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Ohne eine Miene zu verziehen, ließ Grant auch das geschehen. »Anders ausgedrückt –«, fuhr Rembrandt nach einer Kunstpause fort, während er behaglich die Beine ausstreckte, »um mich aufs Kreuz zu legen, müssen Sie schon etwas früher aufstehen. Wie kann man nur so borniert sein und annehmen, ich würde Ihre diskret gekleideten Landsleute übersehen, die sich drunten in der Lobby tummeln. Tarnung ist alles, ich weiß. Aber wenn Sie jemanden in eine Falle locken wollen, tun Sie mir bitte den Gefallen und stellen sich in Zukunft etwas geschickter an. Dilettantismus ist mir ein Gräuel.« Rembrandt lächelte affektiert. »Eins zu null für mich, hab ich recht, Mister Grant? Um Sie nicht weiter auf die Folter zu spannen: Sie werden mir das Geld aushändigen, die Karte ablichten und keinen Finger rühren, wenn ich mich diskret zurückziehe. Haben wir uns verstanden, Deputy Director? Vorausgesetzt, Ihre Gorillas treten nicht in Aktion, werde ich Ihnen im weiteren Verlauf des Tages eine Nachricht zukommen lassen, aus der hervorgeht, wo genau sich das Versteck des Bernsteinzimmers befindet.«

»Soll das etwa bedeuten, dass …«

»Sie haben es erfasst, Mister Grant«, kam Rembrandt der Frage seines Gegenspielers zuvor. »So leid es mir für Sie tut – mit der Karte allein werden Sie nichts anfangen können. Aus Gründen, die Sie sicher nachvollziehen können, habe ich mir erlaubt, sämtliche Ortsangaben zu tilgen. Sozusagen als Vorsichtsmaßnahme, die, wie Ihr Vorgehen beweist, ihre volle Berechtigung zu haben scheint.«

Rembrandt reckte sich, öffnete den Umschlag und breitete die Karte auf dem Teetisch aus.

»Bedienen Sie sich, Mister Grant«, forderte er seinen Auftraggeber auf. »Ich darf doch wohl annehmen, dass der stellvertretende Direktor der CIA eine Sofortbildkamera parat hat, oder?«

»Alle Achtung – Sie scheinen sich Ihrer Sache ziemlich sicher zu sein.«

»Pure Routine, Deputy Director, weiter nichts.«

»Und was, wenn ich mich weigere?«

»Sie werden lachen, Grant – für den Fall, dass Sie tatsächlich so töricht sein sollten, habe ich längst vorgesorgt. Also, was ist? Kommen wir nun ins Geschäft – ja oder nein?«

»Nur keine übertriebene Eile, mein Bester«, beschwichtigte Grant seinen Widersacher, nur mäßig beeindruckt und längst nicht so willfährig wie erhofft, »so viel Zeit, um mit mir anzustoßen, werden Sie gerade noch haben.« Ohne sich weiter um ihn zu kümmern, nahm Grant zwei Gläser zur Hand, goss sich selbst und Rembrandt einen Jack Daniel’s ein und machte es sich anschließend auf dem Sofa bequem. »Cheers!«, rief er bestens gelaunt aus und prostete seinem Gegenüber zu. »Oder – wie es hierzulande so schön heißt – prost!«

»Was soll der Quatsch, Grant?«, knurrte Rembrandt, sprang auf und machte einen Schritt nach vorn. »An Ihrer Stelle würde ich die Faxen bleiben lassen, sonst …«

»Sonst was?«, fiel ihm Grant ins Wort, kaum fähig, mit seiner Schadenfreude hinterm Berg zu halten. »Zu Ihrer Information, Genosse – im Ventilator, der sich da oben über dem Teetisch befindet, ist eine Kamera versteckt. Made by CIA, ferngesteuert und in der Lage, gestochen scharfe Bilder zu schießen und sie anschließend per Funkbild zu übertragen. Mit einem Wort: Die Mühe, mit Ihnen um die Karte zu feilschen, kann ich mir getrost sparen. Und die Arbeit, das Geld aus dem Safe zu holen, ja wohl auch. Sie haben sich verkalkuliert, Genosse, kapiert? Um Ihre Haut zu retten, müssen Sie sich etwas einfallen lassen. Ich für meinen Teil ziehe es dagegen vor, mich … wie sagten Sie doch gleich? … mich auf diskrete Art und Weise zurückzuziehen.« Offenbar bester Laune, ließ Grant seinem Sarkasmus freien Lauf. »Mein Kompliment, wie immer Sie auch heißen mögen. Wenigstens waren Sie nicht so einfältig, von dem schottischen Whiskey zu kosten.« Ein Lächeln auf den Lippen, in dem das Höchstmaß an Verachtung steckte, zu dem er fähig war, trank Grant sein Glas auf einen Zug leer, schnalzte mit der Zunge und sagte: »Wirkt nicht sonderlich schnell, das Zeug, aber wenigstens so, dass man keinerlei Schmerzen verspürt und nicht wie ein Tier verenden muss. Ein Cocktail nach Art des Hauses, Sie verstehen. Schade nur, dass ich das dumme Gesicht eines gewissen David McAllister von der Special Operations Division aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr zu sehen bekommen werde.«

Dunkelrot vor Zorn, riss Rembrandt die Karte an sich und baute sich drohend vor seinem Kontrahenten auf. »Dafür wirst du mir büßen, Arschficker!«, zischte er, nur um Sekundenbruchteile später in die Mündung eines Revolvers vom Fabrikat Smith & Wesson zu blicken. »Her mit den Moneten, sonst …«

»Sonst was?«, fuhr Grant ihn an. »An Ihrer Stelle, Sie Dilettant, würde ich meine Waffe stecken lassen und den Mund nicht so voll nehmen. So, und jetzt raus hier, bevor ich es mir anders überlege und Ihnen eine Kugel verpasse. Hören Sie schlecht? Raus!«

Kurz davor, endgültig die Beherrschung zu verlieren, fletschte Rembrandt die Zähne und stierte den Mann, der ihm die schmerzlichste Lektion seines bisherigen Lebens verpasst hatte, mit einer Mischung aus Hass, Verblüffung und ungläubigem Staunen an und ließ die Karte in der Innentasche seiner Uniformjacke verschwinden. Kaum war dies geschehen, riss er die Tür auf und verschwand.

Für Grant, der seine Waffe achtlos aus der Hand gleiten ließ, jedoch kein Grund zur Freude. »So, und jetzt zu uns beiden«, murmelte er, griff zum Hörer und wählte. Bis das Freizeichen ertönte, dauerte es beinahe eine halbe Minute, und das Knacken in der Leitung, verlässliches Indiz für einen mithörenden Agenten, versetzte ihn in ungeahnte Euphorie. Grant strahlte über das ganze Gesicht, alsbald von einer sämtliche Sinne lähmenden, überall an seinem Körper spürbaren Taubheit erfasst. »Wäre doch gelacht, wenn ich es nicht schaffen würde, dich aufs Kreuz zu … Hallo, Mister K, schön, Sie am Apparat zu haben.«

Um seinen Gesprächspartner ans Messer zu liefern und sich für all das, was ihm angetan worden war, zu rächen, brauchte Gregory Boynton Grant nur wenig Zeit. Danach war das Leben von Oleg Kwaczynski, schwerreicher und zugleich schwerkranker Ölmagnat, Kunstmäzen und Baulöwe aus Chicago, keinen Schuss Pulver mehr wert.

Im wortwörtlichen wie auch übertragenen Sinn.

Mit sich und der Welt im Reinen. legte Grant auf, schloss die Augen und verlor kurz darauf das Bewusstsein, ein entspanntes Lächeln im Gesicht.

32

Berlin-Wannsee, Seestraße | 14.25 h

»Ich habe gewusst, dass du kommen wirst, Tom. Die Frage war eigentlich nur, wann«, sprach Lea von Oertzen mit Blick auf die neueste Ausgabe der Morgenpost, die aufgeschlagen auf dem Wohnzimmertisch lag, erhob sich und trat an die Terrassentür, von der aus man einen ungestörten Blick auf den Wannsee genoss. Wind kam auf, und im Licht der Nachmittagssonne, die immer häufiger hinter dichtem Gewölk verschwand, bildeten sich smaragdfarbene Schaumkronen.

Sydow, der sich wie ein schüchterner Pennäler vorkam, hatte keine Ahnung, was er darauf antworten sollte. In Gegenwart seiner Jugendliebe, die er mit 17 aus den Augen verloren hatte, fiel es ihm schwer, die richtigen Worte zu finden und den Grund für seinen Besuch, nämlich die Vergangenheit ihres unlängst verstorbenen Gatten, nicht zu vergessen. Zu viel ging ihm in diesem Moment durch den Kopf, als dass er sich voll und ganz darauf hätte konzentrieren können, nicht zuletzt die Zeit mit Lea, die an seinem inneren Auge vorüberzog. Damals, im Sommer 1930, war die Welt noch in Ordnung gewesen, anders als heute, wo kein Tag verging, an dem er nicht mit den Abgründen der menschlichen Existenz konfrontiert wurde.

»Tut mir leid, Lea, dass ausgerechnet ich es bin, der … der …« Auch sonst nicht unbedingt dafür geschaffen, die richtigen Worte zu finden, blieb Sydow mitten im Satz stecken und stierte verlegen vor sich hin.