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»Glückliche Kindheit?«

Er zauderte. »Glücklich genug.«

»Krippe oder Biofamilie.«

»Bio. Gibt keine Krippen in Red Thorn; wir sind konservativ.«

»Du vermisst das Habitat?«

»Oft.«

Er gab Acht, bemerkte sie. Dachte an sie, an ihre schwierige Kindheit. »Weißt du, es war nicht so schlimm für mich, wie du vielleicht denkst. Ein Heimbaby zu sein, meine ich. Vor Teheran sowieso nicht. Ich war gern mit meinen Schwestern zusammen, mit den Kindermädchen.«

»Vermisst du das Heim?«

»Es gibt Dinge, die kriegt man nicht zurück. Dieses Gefühl… am richtigen Platz zu sein.«

»Hier sind wir alle fehl am Platz.«

Die Haut ihres Schutzanzugs war äußerst sensibel, zu sensibel. Sie fuhr zusammen, als ein Blatt auf ihre Schulter fiel.

»Zoe?«

»Tut mir Leid. Falscher Alarm. Der Wind frischt auf hier. Hab so ein Gefühl, als würd es bald regnen.« Sie fragte sich, wieso es leichter fallen sollte, mit Hayes über Sprechfunk zu reden als von Angesicht zu Angesicht. »Ich kann mir schon denken, wie ich einer Kuiper-Person vorkommen muss. So wie ich aufgewachsen bin, meine ich.«

»Keiner kann sich seine Kindheit aussuchen, Zoe.«

»Wie eine von diesen altmodischen, aristokratischen Chinesinnen, die ihre Füße in winzige Schuhe zwängen — du weißt schon. Sich verbiegen, bis man in irgendeine Schablone von Schönheit oder Nützlichkeit passt.«

»Zoe…« Er hielt inne. »Alte Kuiper-Maxime: ›Ein gebrochenes Menschenwesen ist nicht mal als Werkzeug zu gebrauchen.‹ So wie du das alles überlebt hast, musst du einen soliden Kern haben, etwas, das nur dir gehört.«

Jetzt war es an ihr, innezuhalten.

Theo hatte immer gesagt: Du spielst wieder Verstecken, Zoe.

Und er hatte immer herausbekommen, was er herausbekommen wollte.

Meistens.

Hayes sagte: »Still jetzt, Zoe, ein bisschen noch. Das Objekt bewegt sich wieder in deine Richtung. Die Roboter locken es weg, aber lenk jetzt nicht die Aufmerksamkeit auf dich. Und nimm bitte die Restlichtverstärkung zurück, Zoe. Die Linsen bluten, sie glühen wie Katzenaugen.«

»Du kannst mich sehen?« Sie wusste nicht, wie sie das finden sollte.

»Ich bin eins von den Telesensorien. Pssst. Ich halte dich auf dem Laufenden.«

Sie seufzte und schaltete den Restlichtverstärker ab. Sofort herrschte absolute Finsternis. Sie schloss die Augen und lauschte.

Der Wind wehte stärker inzwischen. Wolken hatten sich vor die Sterne geschoben. Von Westen schob sich eine Kaltfront heran, so der Wetterbericht am Morgen. Regentropfen klatschten auf das Walddach.

Es raschelte im Unterholz, vielleicht ein paar Meter von ihr entfernt. Ihr Puls raste.

Hayes sagte: »Das ist ein Roboter, dein Flankenschutz. Ich weiß, du siehst nicht einmal die Hand vor Augen. Aber du musst jetzt Ruhe bewahren, still jetzt.«

Sie konnte den Triraptor nicht durch den Wald schnüffeln sehen, aber ihr Schutzanzug roch ihn und übersetzte die luftgestützten Moleküle in eine elektronische Reizung ihrer Rezeptoren: Sie hatte ein schwaches Echo von etwas Beißendem und Bitterem in der Nase.

Das Tier war jetzt ganz in der Nähe. Für Nachteinsätze getrimmte Telesensorien umschwirrten sie. Schließlich hörte sie die unverkennbaren Geräusche von etwas Lebendigem und Massivem, das sich durchs Gestrüpp bewegte.

»Ruhig Blut, Zoe.«

Theo hatte ihr mehr Disziplin beigebracht als sie jetzt bewies. Sie riss die Augen weit auf und stellte sich vor, ihn zu sehen, den Triraptor — seine Augen zumindest, den schwachen Abglanz des Sternenlichts am östlichen Himmel, klassische Raubtieraugen, Chromgelb und wachsam.

Und vorbei.

»Stillhalten, Zoe.«

Das Tier verfolgte eine Robotspinne, kein Zweifel.

»Warte noch.«

Die Geräusche entfernten sich.

Vorsichtig hob sie das Gesicht in den Sprühregen.

»Ich vermisse Elam«, flüsterte sie.

»Ich weiß, Zoe. Ich vermisse sie auch.«

»Uns bleibt nicht mehr viel Zeit, oder?«

»Sag so was nicht.«

Elf

Degrandpre hatte Avrion Theophilus durch das volle Besichtigungsprogramm der IOS schleusen wollen — wann hatten sie jemals einen Besucher wie Avrion Theophilus gehabt? —, doch der Mann von Devices & Personnel hatte abgewinkt.

»Was ich mir heute Morgen ansehen möchte«, hatte Theophilus freundlich gesagt, »das ist Ihre Shuttle-Quarantäne.«

Und was für ein grandioser Spross der Familien dieser Theophilus war! Groß gewachsen, gertenschlank, grauhaarig, Adlernase und von vornehmer Blässe. Degrandpres Orchidektomie-Abzeichen, das seine Untergebenen derart beeindruckte, war für diesen Mann nichts weiter als die Tätowierung eines Dienstboten. Ohne jeden Zweifel hatte Theophilus bereits eine ganze Horde junger Aristokraten gezeugt, stramme Geschöpfe mit blauen Augen und makellosen Zähnen.

Imposant, einflussreich — und potenziell sehr gefährlich. Avrion Theophilus war ein D&P-Funktionär von unbekanntem Rang und mit der typischen Arroganz eines Kartellbeamten — was besonders zu denken gab.

Die Nachrichten von der Erde waren nicht minder beunruhigend. Hinweise auf Aufruhr zwischen Konzernen und Familien, Schauprozesse, vielleicht eine Säuberungsaktion im Kartell. Doch Nachrichten, die durch die Partikelpaar-Verbindung kamen, waren stark zensiert, und obwohl dieser Theophilus sehr viel mehr über die Krise wissen musste als irgendjemand sonst an Bord der IOS, erbot er sich nicht, darüber zu sprechen.

Und Degrandpre, aus Angst, unverschämt zu erscheinen, traute sich nicht, danach zu fragen.

Es war zum Verrücktwerden, alles hatte zwei Gesichter. Sollte er sich um die Gunst eines Avrion Theophilus bemühen? Was würden seine Sponsoren im Kartell dazu sagen? Gab es einen Mittelweg?

So sehr sich Degrandpre um das Gegenteil bemühte, die Stimmung in der IOS wurde immer gedrückter. Der Verlust der Meeresstation hatte alle miteinander schwer getroffen; nach allem was man hörte, war das Oberflächenpersonal völlig entmutigt. Manche sahen darin das Ende der menschlichen Präsenz auf Isis. Und auszuschließen war das nicht, auch wenn dieser Theophilus eine befremdende Gleichgültigkeit zur Schau trug. »Ihre Orbitalstation braucht ein bisschen mehr Wartung«, bemerkte Theophilus höflich. »Der Ringkorridor ist schmutzig und die Luft nicht minder.«

Die Wände waren dreckig, ja. Reinigungsroboter wurden neuerdings für das Interferometer-Projekt abgestellt und bis jetzt hatten die Turingfabriken noch nicht für Ersatz gesorgt. Und was den Geruch anging… »Wir hatten Probleme mit den Rieseltürmen im Recycling-Aggregat. Vorübergehend, versteht sich, doch inzwischen… Ich bitte um Nachsicht. Man gewöhnt sich daran.«

»Vielleicht nicht so leicht, wie man meinen möchte.«

Ganz der Aristokrat, dachte Degrandpre: Beleidigung und Drohung in ein und derselben Phrase. Er versprach, sich um das Problem zu kümmern, obwohl er nichts anderes tun konnte, als den Ingenieuren einmal mehr auf die Nerven zu gehen. Die Higgs-Kugel hatte keine Ersatzteile gebracht und Degrandpre stellte sich die zynische Frage, ob Ersatz zurückgestellt worden war, um Raum für die edle Masse eines Avrion Theophilus zu schaffen.

Er begleitete seinen Gast bis an die massiven Schotts, die die Shuttle-Quarantäne vom Rest der IOS trennten.

Theophilus machte sich daran, Dichtungen und Nietköpfe minutiös in Augenschein zu nehmen, und ließ Degrandpre warten. »Wie Sie sicher wissen«, gab Degrandpre zu bedenken, »sind das die Standardschotts; die sterile Zone liegt dahinter.«

»Nichtsdestoweniger wünsche ich die tägliche Inspektion dieser Schotts. Durch qualifizierte Ingenieure.« Angesichts von Degrandpres schockierter Miene, setzte er hinzu: »Ich glaube nicht, dass der Konzern etwas dagegen hat, oder?«