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»Du bist nicht sonderlich braun.«

»Meine Mutter ist zur Hälfte Albino.«

Er musterte mich besorgt, und ich seufzte. Viele Wolken und ein Sinn für Humor vertrugen sich offenbar nicht so gut. Ein paar Monate hier, dann würde ich vergessen haben, was Sarkasmus ist.

Wir gingen wieder an der Cafeteria vorbei, zu den Gebäuden auf dem südlichen Teil des Geländes, neben der Turnhalle. Eric brachte mich bis zur Tür, auch wenn sie nicht zu übersehen war.

»Viel Glück«, sagte er, als ich nach der Klinke griff. »Vielleicht haben wir ja noch andere Fächer zusammen.« Es klang hoffnungsvoll.

Ich lächelte unbestimmt und ging hinein.

Der Rest des Vormittags verlief auf dieselbe Weise. Mr Varner, mein Mathelehrer, den ich allein schon seines Faches wegen gehasst hätte, war der Einzige, der mich dazu zwang, mich der Klasse vorzustellen. Ich stammelte, lief rot an und stolperte auf dem Weg zu meinem Platz über meine eigenen Stiefel.

Von der dritten Stunde an erkannte ich in jedem neuen Kurs ein paar Gesichter wieder. Jedes Mal gab es einen, der mutiger war als die anderen, sich vorstellte und mich fragte, wie es mir in Forks gefiel. Ich versuchte diplomatisch zu sein, aber hauptsächlich log ich. Wenigstens kam ich ohne die Karte aus.

Ein Mädchen saß sowohl in Mathe als auch in Spanisch neben mir und begleitete mich in der Mittagspause zur Cafeteria. Sie war winzig, ein ganzes Stück kleiner als meine ein Meter sechzig, aber ihre wilden dunklen Locken machten unseren Größenunterschied fast wieder wett. Ich hatte ihren Namen vergessen, also lächelte ich und nickte, während sie über Lehrer und Fächer schnatterte. Ich versuchte erst gar nicht, mir alles zu merken.

Wir setzten uns ans Ende eines vollbesetzten Tisches zu einigen ihrer Freunde. Sie stellten sich der Reihe nach vor, aber kaum dass sie mir ihre Namen gesagt hatten, vergaß ich sie wieder. Eric, der Junge aus Englisch, winkte mir quer durch den Raum zu.

Und als ich dort saß und versuchte mich mit sieben neugierigen Fremden zu unterhalten, sah ich sie zum ersten Mal.

Sie saßen an einem Tisch in einer entfernten Ecke der Cafeteria, so weit weg von unserem Tisch, wie es in dem langen Raum möglich war. Sie waren zu fünft. Sie redeten nicht und sie aßen nicht, obwohl vor allen ein Tablett mit unberührtem Essen stand. Im Gegensatz zu den meisten anderen glotzten sie mich nicht an, so dass ich sie meinerseits betrachten konnte, ohne fürchten zu müssen, exzessiv interessierten Blicken zu begegnen. Doch all das war es nicht, was meine Aufmerksamkeit erregte – und fesselte.

Sie sahen einander überhaupt nicht ähnlich. Von den drei Jungs war einer ausgesprochen kräftig – er hatte dunkle Locken und Muskeln wie ein aktiver Gewichtheber. Ein zweiter, mit blonden Haaren, war größer und schlanker, aber trotzdem noch muskulös. Der dritte war schlaksig, weniger wuchtig; er hatte verwuschelte bronzefarbene Haare und wirkte jungenhafter als die beiden anderen, die dem Aussehen nach durchaus Collegestudenten hätten sein können, oder sogar Lehrer.

Die Mädchen waren vom Typ her genau gegensätzlich. Die Größere der beiden war eine klassische Schönheit. Sie hatte eine Figur, wie man sie sonst nur auf dem Cover der Bademodenausgabe von Sports Illustrated sah – die Art von Figur, die dem Selbstbewusstsein jedes Mädchens, das sich zufällig im gleichen Raum aufhielt, einen Schlag versetzte. Ihre Haare waren goldblond und flossen in sanften Wellen bis zur Mitte ihres Rückens hinab. Das kleine Mädchen war elfenhaft, extrem dünn und hatte zarte Gesichtszüge. Ihre Haare waren tiefschwarz, kurz und standen in alle Richtungen ab.

Und dennoch glichen sie einander wie ein Ei dem anderen. Sie waren allesamt kreidebleich – die blassesten Schüler dieser sonnenlosen Stadt. Sogar blasser als ich, das Albino-Mädchen. Trotz ihrer verschiedenen Haarfarben hatten sie alle sehr dunkle Augen. Und darunter dunkle Schatten – violett, wie von einem Bluterguss. Sie sahen aus, als hätten sie samt und sonders eine schlaflose Nacht oder einen noch nicht ganz verheilten Nasenbruch hinter sich. Obwohl ihre Nasen andererseits, wie alle ihre Gesichtszüge, gerade und perfekt geformt waren.

Aber auch das war nicht der Grund, warum ich meinen Blick nicht abwenden konnte.

Ich starrte sie an, weil ihre so verschiedenen und doch gleichen Gesichter umwerfend und überirdisch schön waren. Es waren Gesichter, die man normalerweise nur auf den Hochglanzseiten von Modemagazinen zu sehen erwartete. Oder auf den Gemälden alter Meister, als Engelsgesichter. Schwer zu sagen, wer am schönsten war – vielleicht das blonde Mädchen, vielleicht auch der Junge mit den bronzefarbenen Haaren.

Alle schauten in verschiedene Richtungen, ohne jedoch, soweit ich das beurteilen konnte, irgendwas Bestimmtes ins Auge zu fassen. Während ich in ihren Anblick versunken war, erhob sich das kleinere Mädchen mit seinem Tablett – sein Getränk war ungeöffnet, sein Apfel unberührt – und ging mit langen, schnellen und eleganten Schritten davon, als wäre die Cafeteria ein Laufsteg. Es waren die geschmeidigen Schritte einer Tänzerin. Ich folgte ihr mit den Augen, bis sie ihr Tablett abstellte und mit einer Geschwindigkeit zur Hintertür hinausglitt, die ich nicht für möglich gehalten hätte. Mein Blick schnellte zurück zu ihren Tischgenossen, die so reglos dasaßen wie vorher.

»Wer sind denn die dort?«, fragte ich das Mädchen aus meinem Spanischkurs, dessen Namen ich vergessen hatte.

Obwohl sie es an meinem Tonfall wahrscheinlich schon gehört hatte, blickte sie auf, um zu sehen, wen ich meinte; im gleichen Moment schaute sie einer von ihnen plötzlich an – der Dünne, der Jungenhafte, der vielleicht Jüngste. Für Bruchteile einer Sekunde lag der Blick seiner dunklen Augen auf ihr, dann huschte er weiter zu mir.

Er schaute schnell wieder weg, viel schneller, als ich es konnte, obwohl ich sofort verlegen meine Augen niederschlug. In seinem kurzen Blick lag keinerlei Interesse – es war, als hätte sie seinen Namen gerufen und er hätte unwillkürlich aufgeschaut, ohne die Absicht, eine Antwort zu geben.

Meine Nachbarin kicherte verschämt und guckte auf die Tischplatte, genau wie ich.

»Das sind Edward und Emmett Cullen, und Rosalie und Jasper Hale«, flüsterte sie. »Das Mädchen, das gegangen ist, war Alice Cullen; sie leben alle bei Dr. Cullen und seiner Frau.«

Aus den Augenwinkeln betrachtete ich weiter den schönen Jungen, der seinen Blick jetzt auf das Tablett gesenkt hatte und mit langen blassen Fingern einen Bagel zerrupfte. Seine perfekten Lippen waren kaum geöffnet, doch zugleich bewegte sich sein Mund sehr schnell. Und obwohl die drei anderen ihn nicht anschauten, hatte ich das Gefühl, als würde er leise auf sie einreden.

Seltsame Namen, dachte ich. Namen von Außenseitern. Von Großeltern. Aber vielleicht waren die hier beliebt? Kleinstadtnamen? Mir fiel endlich wieder ein, wie meine Tischnachbarin hieß: Jessica. Ein ganz normaler Name. In meinem Geschichtskurs zu Hause hatte es zwei Jessicas gegeben.

»Sie sind … sehr hübsch.« Ich rang mit dem offensichtlichen Understatement.

»Ja, nicht?!«, stimmte Jessica zu und kicherte erneut. »Sie sind aber alle zusammen – ich meine, Emmett und Rosalie, und Jasper und Alice. Und sie wohnen zusammen.« Die ganze Entrüstung der Kleinstadtbewohner klang darin mit, dachte ich missbilligend. Aber wenn ich ehrlich war – selbst in Phoenix würden die Leute darüber tratschen.

»Welche sind die Cullens?«, fragte ich. »Sie sehen sich gar nicht ähnlich …«

»Sie sind auch nicht wirklich verwandt. Dr. Cullen ist selber noch ganz jung, Ende zwanzig oder Anfang dreißig. Sie sind alle adoptiert. Die Hales – die beiden Blonden

– sind tatsächlich Geschwister, Zwillinge. Sie sind Pflegekinder.« »Sie sehen ein bisschen alt aus dafür.«

»Mittlerweile schon, Jasper und Rosalie sind beide achtzehn, aber sie sind schon bei Mrs Cullen, seit sie acht waren. Sie ist ihre Tante oder so ähnlich.«

»Das ist wirklich nett von ihnen. Ich meine, die ganzen Kinder aufzunehmen, wenn sie selber noch so jung sind.«