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Wie würde es mit Franziska sein?

Der Laden war wirklich ziemlich klein. Eva wäre lieber in einen größeren gegangen, in einen, in dem sie nicht so aufgefallen wäre, eine Kundin unter vielen, nicht jemand, den man besonders beachtet. Aber Franziska schien sich hier wohl zu fühlen.»Hier habe ich schon oft eingekauft«, sagte sie.»Hier kauf ich gern. Die haben tolle Sachen.«

«Das Hemd hier gefällt mir«, sagte Eva. Das Hemd war rosa.

«Kauf es dir doch.«

«Ich möchte eine Jeans, eine blaue«, sagte Eva zu der Verkäuferin. Und sie dachte: So eine helle Hose würde mir viel besser gefallen. So eine ganz helle. Und dazu das rosa Hemd! Schade.

Sie stand in der Kabine und bemühte sich verzweifelt, den Reißverschluss zuzumachen. Es ging nicht.

«Na, was ist?«, fragte Franziska von draußen.

«Zu klein.«

Franziska brachte die nächste Hose. Noch eine. Sie hob den Vorhang zur Seite und kam herein.

«Hier, probier mal.«

«Aber die ist viel zu hell«, sagte Eva.»So helle Farben machen mich doch nur noch dicker.«

«Ach was. Helle Farben stehen dir sicher viel besser als das ewige Dunkelblau oder Braun.«

Eva wagte nicht zu widersprechen. Sie hoffte, Franziska würde hinausgehen, würde nicht zusehen, wie Eva sich in die Hose quetschen musste. Aber Franziska ging nicht. Sie blieb auf dem Hocker sitzen und schaute zu.

«Die Farbe der Hose passt zu deinen Haaren«, sagte sie.

«Genierst du dich nicht mit mir?«, fragte Eva.

«Wieso?«

«Weil ich so dick bin.«

«Du spinnst«, sagte Franziska.»Wieso soll ich mich da genieren? Es gibt halt Dünne und Dicke, na und?«

Der Reißverschluss ging zu, ein bisschen schwer, aber er ging.

«So muss es sein«, sagte Franziska.»Wenn du sie weiter nimmst, hängt sie morgen schon wie ein Sack an dir.«

Die Farbe der Hose passte wirklich gut zu ihren Haaren. Sie war so hell wie ihre Haare am Stirnansatz. Franziska kam mit dem rosafarbenen Hemd zurück.»Hier, zieh an.«

Dann stand Eva vor dem Spiegel, erstaunt, verblüfft, dass sie so aussehen konnte, so ganz anders als im blauen Faltenrock. Ganz anders als in den unauffälligen Blusen. Überhaupt ganz anders.

«Schön ist das«, sagte Franziska zufrieden.»Ganz toll. Die Farben sind genau richtig für dich.«

Dunkle Farben strecken, helle tragen auf.»Ich bin zu dick für so etwas. Findest du nicht, dass ich zu dick bin für solche Sachen?«

«Finde ich nicht«, sagte Franziska.»Mir gefällst du so. Und was soll's! Im dunklen Faltenrock bist du auch nicht dünner. So bist du nun mal. Und du siehst wirklich gut aus. Schau nur!«

Und Eva schaute: Sie sah ein dickes Mädchen, mit dickem Busen, dickem Bauch und dicken Beinen. Aber sie sah wirklich nicht schlecht aus, ein bisschen auffällig, das schon, aber nicht schlecht. Sie war dick. Aber es musste doch auch schöne Dicke geben. Und was war das überhaupt: schön? Waren nur die Mädchen schön, die so aussahen wie die auf den Fotos einer Modezeitschrift? Worte fielen ihr ein wie langbeinig, schlank, rassig, schmal, zierlich. Sie musste lachen, als sie an die Frauen auf den Bildern alter Meister dachte, voll, üppig, schwer. Eva lachte. Sie lachte das Mädchen im Spiegel an. Und da geschah es.

Das Fett schmolz zwar nicht, es war ganz anders, als sie erwartet hatte, dass es sein würde, kein stinkender Fettbach floss in den Rinnstein, eigentlich geschah nichts Sichtbares, und trotzdem war sie plötzlich die Eva, die sie sein wollte. Sie lachte, sie konnte nicht mehr aufhören zu lachen, lachte in Franziskas erstauntes Gesicht hinein und sagte, während ihr das Lachen fast die Stimme nahm:»Wie ein Sommertag sehe ich aus. So sehe ich aus. Wie ein Sommertag.«

Roman

BELTZ & Gelberg

Oldenburger Jugendbuchpreis 1980 Bitterschokolade wurde von Gabriele Presber verfilmt (25 Min., 16 mm).

Informationen über FWU, Institut für Film und Bild,

Postfach 1261, D-82026 Grünwald, Tel. 089/6497444, Fax 089/6497240;

E-maiclass="underline" info-fwu@t-online.de

http://www.FWU.de

Zu Bitterschokola.de gibt es ein Lehrerbegleitheft,

erhältlich gegen eine Schutzgebühr von DM 3,-

Beltz Verlag, Postfach 100161, 69441 Weinheim

ISBN 3 407 99061 8

Gulliver Taschenbuch 403

© 1980, 1986 Beltz Verlag, Weinheim und Basel

Programm Beltz & Gelberg, Weinheim

Alle Rechte vorbehalten

Einband von Max Bartholl

unter Verwendung eines Fotos von Monika Paulick

Gesetzt nach der neuen Rechtschreibung

Gesamtherstellung Druckhaus Beltz, 69494 Hemsbach

Printed in Germany

ISBN 3 407 78403 l

21 22 23 03 02 01 00