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Die Stimme eines Agenten drang krachend aus dem Lautsprecher: „Irgendeine Art von Selbstzerstörung. Die rösten ihre Festplatten!“

Cumberland biss sich nervös auf die Lippen und stellte das Funkgerät ab. Kriminelle mit Computern? Das war ja noch schlimmer als erwartet.

Im Bootshaus wurde Whistler allmählich müde. Der Rauch war noch dicker geworden, nachdem die Agenten eine zweite Granate durch die Tür geschleudert hatten, um ihn nach draußen zu treiben. Bevor sie jedoch hochgegangen war, hatte er es geschafft, ein Fenster einzuschlagen, so dass ein Teil der Rauchschwaden abziehen konnte. Doch der Qualm war nach wie vor praktisch nicht zu durchdringen.

Whistler konnte kaum die Hand vor Augen erkennen und bediente die Computer nur noch nach Gefühl. Er wusste, dass der Rauch seinen Lungen schwere Schäden zufügte, doch es kümmerte ihn nicht. Ein Leben lang hatte er fünfzig Zigaretten am Tag geraucht, da kam es auf das bisschen Qualm auch nicht mehr an.

Egal was kam, die Polizei durfte niemals auf seine Datenbanken Zugriff erhalten. Das Video, das zeigte, wie Blade einen Menschen tötete, war schon belastend genug. Doch wenn die Cops seine Aufzeichnungen in die Finger bekamen, die von den Grundrissen der Tresorräume örtlicher Banken bis hin zu Blades täglicher Quote an getöteten Vampiren reichte… nun, er wollte nicht derjenige sein, der Blade vor der ersten und einzigen öffentlichen Hinrichtung in dieser Stadt retten musste.

Whistler war so in seine Arbeit vertieft, dass er den Agenten nicht bemerkte, der hinter ihm lautlos aus dem Rauch trat.

Der Agent sah, dass er freie Schussbahn hatte, und das nutzte er auch aus.

Whistler drehte sich herum, als er das Rascheln von Kleidung wahrnahm, doch es war bereits zu spät. Die Kugel traf ihn mitten in die Brust.

„Whistler!“ Blade befand sich im Raum nebenan, als er seinen Mentor vor Schmerzen aufschreien hörte, doch immer noch waren zu viele Agenten im Weg, als dass er zu ihm hätte gelangen können. Brüllend bewegte er sich durch die feindselige Menge zurück zum Waffenraum und bahnte sich seinen Weg, ohne davon Notiz zu nehmen, dass man ihn mit Fäusten und Gewehrkolben traktierte.

Ein Agent hob sein Gewehr und zielte auf Blade, doch in seinem verzweifelten Versuch, zu Whistler zu gelangen, ließ er sich von nichts aufhalten. Er verpasste dem Mann einen Schlag seitlich gegen den Kopf. Der Agent wurde zu Boden geworfen, noch bevor er den Abzug hatte berühren können Nebenan wankte Whistler durch den Einschlag der Kugel, blieb aber stehen. Die Lippen hatte er entschlossen zusammengepresst, während das Blut in seine Kleidung sickerte. Er verzog das Gesicht und presste einen Handballen auf das Einschussloch, um den Blutverlust in Maßen zu halten.

Whistler wusste, dass er schwer verletzt worden war, aber er musste weitermachen. Diese Hurensöhne würden ihm schon eine Kugel durch den Kopf jagen müssen, um ihn aufzuhalten. Er musste um jeden Preis seines und Blades Geheimnis wahren. Und das war seine einzige Chance dazu. Vielleicht würde er nicht überleben, aber er wollte verdammt sein, wenn er zuließ, dass sie Blade auch erledigen konnten.

Er kämpfte gegen die Schwärze an, die begann, sein Blickfeld einzuengen, ging zu einer anderen Arbeitsstation, löste das Notfallprotokoll aus und gab den Code zur Selbstzerstörung ein. Farbenprächtige Warnungen auf den Monitoren machten auf den drohenden Datenverlust aufmerksam, während sich die Speicher auf Hochtouren löschten, ehe sie einer nach dem anderen explodierten.

In dem Moment spähte ein zweiter Agent vorsichtig um die Ecke, sah Whistler und feuerte eine Salve auf seinen Oberschenkel ab, um den Mann am Weiterkommen zu hindern.

Gegen seinen Willen schrie Whistler auf.

Als er den zweiten Schuss hörte, schüttelte Blade die Agenten von sich ab, die sich auf ihn gestürzt hatten. Wut verzerrte sein Gesicht zu einer Grimasse, während sich Hände, Ellbogen, Knie und Füße so schnell bewegten, dass sie nur noch als verwischte Schemen wahrzunehmen waren. Mit einer unglaublichen Schnelligkeit ließ Blade seine Gliedmaßen wirbeln, um sich den Weg zu Whistler freizukämpfen. Arme und Beine wurden gebrochen, Blut spritzte, doch Blade scherte sich nicht darum.

Er durfte Whistler nicht sterben lassen.

Aber die Polizei war noch längst nicht zum Aufgeben bereit. Während sich Blade der Waffenkammer näherte, stürzten sich zwei Mann gleichzeitig auf ihn und rammten ihm ihre Gewehrkolben gegen Brust und Rippen. Dabei gingen sie mit solcher Entschlossenheit vor, dass Blade tatsächlich das Gleichgewicht verlor. Sein Stiefel blieb an einem dicken Kabelstrang hängen, so dass er nach hinten fiel, dabei aber die Uniformen der Agenten zu fassen bekam und sie mit sich zu Boden zog.

Ehe er seinen Fall bremsen konnte, explodierte der Computer gleich neben ihm und schleuderte ihn und die beiden Angreifer durch die Luft. Von einem Regen aus Holz- und Glassplittern begleitet flogen die drei durch eine Tür und landeten auf einem Stapel Holzreste gleich neben dem Bootshaus.

Als sich der aufgewirbelte Staub legte, trat Agent Cumberland in Aktion, setzte das Megaphon an den Mund und winkte den versammelten Polizisten zu: „Schnappt ihn euch!“

Einer der wartenden FBI-Agenten hob eine Coda-Netzpistole und feuerte sie auf Blade ab. Vier dolchähnliche Projektile schossen heraus und bohrten sich hinter Blade in den Boden, dann spannte sich das stählerne Netz, wickelte sich um den Daywalker und legte sich um seine Arme und Beine, als er sich zu befreien versuchte. Im nächsten Moment stürzte sich eine kleine Armee aus Agenten auf ihn, die aus einem der Wagen herbeigeeilt gekommen waren, und traktierten ihn mit Fausthieben, damit er sich endlich ergab. Ein nervös dreinblickender Arzt stieg aus einem schwarzen Armeelaster, in einer Hand eine große Spritze mit einem Beruhigungsmittel.

Agent Cumberland hinter seinem Polizeiwagen streckte eine Faust in die Luft und führte einen Freudentanz auf.

Whistler lag in den Überresten des Bootshauses. Er war noch nicht tot. Doch er wusste, dass es nicht mehr lange dauern würde. Jede Zelle seines Körpers sagte ihm das, und ausnahmsweise widersprach er nicht. Er wusste, was kommen würde, aber er hatte keine Angst.

Es war den Preis wert gewesen.

Blades Leben für seines.

Er hatte immer gewusst, dass er eines Tages diesen Preis würde bezahlen müssen. Doch je näher der Zeitpunkt rückte, desto mehr wünschte sich Whistler, diesmal anschreiben lassen zu können.

Er zog seinen von Kugeln durchsiebten Körper über den Fußboden, legte die klebrige Hand um ein schweres Gerät und stemmte sich zum Sitzen hoch. Die Anstrengung ließ ihn ächzen, während er sich so drehte, dass er mit dem Rücken zu der Maschine sitzen konnte. Aus etlichen Schusswunden in der Brust und im Bein strömte das Blut und bildete dunkle Lachen auf dem mit Sägemehl bestreuten Boden.

Whistler kniff frustriert die Augen zusammen, als er durch die im Rauch verborgene Tür zu sehen versuchte. Nebenan gab es noch einen letzten Server, doch er wusste, dass er es nicht bis dorthin schaffen würde. Er spürte, wie sein Körper sich mit jeder verstreichenden Sekunde mehr und mehr abschaltete, und ihm wurde bewusst, dass ihm wohl nicht mehr viel Zeit blieb.

Vom Flussufer waren auf einmal laute Rufe zu hören, die immer wieder von Blades wütenden Flüchen unterbrochen wurden.

Whistler verzog den Mund zu einem gequälten Lächeln.

Es war geschafft, Blade befand sich nicht mehr im Haus.

Jetzt hatte er nur noch eines zu tun.

Er spuckte Blut auf den Boden, wischte sich die Lippen ab und wartete.

Einige Augenblicke verstrichen, dann tauchten aus dem Rauch mindestens ein Dutzend Agenten auf, die sich mit schussbereiten Waffen vorsichtig vor ihm aufbauten. So etwas hatten sie noch nie gesehen. Der alte Sack hätte schon drei Runden zuvor tot zusammenbrechen müssen, aber er klammerte sich noch immer an sein Leben. Als könnte es für einen Kriminellen wie ihn jetzt noch irgend etwas geben, für das es sich zu leben lohnte.