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Ein Stück von ihnen entfernt unterbrachen zwei Leute ihre Arbeit, als sie Blade entdeckten. Sie legten ihre Werkzeuge beiseite und betrachteten ihn interessiert. King winkte ihnen zu und stellte sie vor: „Die beiden da sind Hedges und Sommerfield.“

Hedges war ein junger Mann Mitte zwanzig. Er trug ein ramponiertes Buell-T-Shirt, und er hatte diesen leicht entrückten Blick jener Sorte Mensch, die sich nur wohl fühlten, wenn sie sich mit Kabeln und Stromspannungen befassen durften, anstatt sich den banalen Problemen des Alltags widmen. Hinter ihm auf der Werkbank stapelte sich ein ganzer Berg leerer Essensverpackungen vom China-Imbiss. Blade vermutete, dass es sich bei ihm um einen Ingenieur handelte.

Sommerfield war eine hübsche junge Frau Ende zwanzig. King erzählte ihm, sie sei Genetikerin, und zwar eine der besten. Sie war auch diejenige gewesen, die Blades Inhalator gebaut hatte. Sommerfield war blind und bediente ihre Computer mit Hilfe eines hochmodernen Spracherkennungsprogramms. Alles um sie herum war in Brailleschrift beschriftet, auch ihre Computertastatur. Sie trug eine modische Sonnenbrille und lächelte fröhlich.

King zeigte auf eine Tür, da er endlich weitergehen wollte. „Die Kleine, die du vorhin gesehen hast, ist Sommerfields Tochter Zoe.“ Er lächelte seine Kollegen an, und nach einer wohlgesetzten Pause fügte er hinzu: „Wir nennen uns die Nightstalker.“

Blade schnaubte. „Klingt wie eine Cartoonserie, die man nach der ersten Episode abgesetzt hat.“

Wieder grinste King. „Eigentlich wollten wir uns die Kuschelbären nennen, aber der Name war schon vergeben.“

Abigail betrat den Raum und begrüßte die anderen, dann ging sie zu einer Werkbank und begann, ihre Waffen abzulegen. Hinter seiner Sonnenbrille weiteten sich Blades Augen überrascht, als er sah, welches Arsenal an Waffen sie an den unmöglichsten Stellen ihres Körpers untergebracht hatte. Zum Abschluss legte sie den Bogen und den schwarzen Köcher mit den Pfeilen auf den Berg.

Sie streckte sich und vermied Blades verblüfften Blick. Dann nahm sie den Bogen und reichte ihn Hedges. „Der muss neu justiert werden.“

Im Geiste sah sie, wie Grimwood mit dem Pfeil in seinem rechten Augen zu Boden ging. Sie schüttelte den Kopf und ermahnte sich innerlich, nicht daran zu denken.

Sie hatte auf das linke Auge gezielt.

Hedges nickte. „Ich lasse ihn durch die Presse laufen.“

Blade entfernte sich ein Stück von King und sah sich in der Werkstatt um, wobei er sich mit manchen Ausrüstungsgegenständen eingehender befasste, während er sich bemühte, eine Vorstellung davon zu bekommen, welche Dimensionen dieses Unternehmen hatte. „Wie viele Leute habt ihr insgesamt?“

„Genug.“ King nickte den anderen zu. „Wir arbeiten mit Schläferzellen. Wenn eine ausgelöscht wird, springt die nächste ein, um ihre Arbeit fortzusetzen.“ Er sah zu Blade und lächelte freundlich. „Wir sind sozusagen deine Verstärkung.“

Blade betrachtete eine kleine Waffe, die aussah wie ein Raketenwerfer im Miniaturformat und die von zwei gewöhnlichen Batterien angetrieben wurde. Das war der Satz, auf den er gewartet hatte.

So viel zum Thema Eis und Kekse…

Er schnaubte gereizt und fühlte, wie er allmählich wütend wurde. „Nur damit ich das richtig verstehe: Ihr Amateure sollt mir helfen?“

Blade legte die Waffe wieder hin. Dann baute er sich vor King auf und nahm zum ersten Mal seit seinem Eintreffen seine getönte Brille ab, um King einen Furcht erregenden Blick zuzuwerfen. „Ihr seid Kinder.“ Mit einer Handbewegung deutete er auf Kings Kleidung. „Sieh dir doch nur was du trägst. Soll das taktisch klug sein?“ Er las Kings Namensschild. „Und was soll das? Findest du, dass das alle; nur ein großartiger Witz ist? Meinst du, du spielst hier in irgendeiner beschissenen Sitcom?“

King setzte eine beleidigte Miene auf. „Entschuldige, aber wenn ich mich nicht irre, dann haben wir doch vorhin deinen Arsch gerettet.“

Abigail trat vor. Sie hatte mit einer solchen Situation gerechnet. „Hör zu, Blade, mein Vater wollte, dass wir dir helfen. Ob es dir gefällt oder nicht – wir sind alles, was du hast.“

„Als Whistler starb“, mischte sich Sommerfield ein und zeigte auf die bis zum Rand vollgepackte Werkstatt, „aktivierte er ein Notfallprotokoll. Sein gesamtes Wissen wurde auf unsere Server hier übertragen.“

Blades Blick ruhte noch immer auf King. Er starrte ihn kühl an, dann fragte er mit sanfter Stimme: „Und wieso glaubst du, dass du so viel darüber weißt, wie man Vampire tötet?“

King stellte sich ins Licht und klappte den Kragen seiner Jacke nach unten. Zum Vorschein kam vernarbtes Gewebe, das die typische Form eines Vampirbisses aufwies. Zum ersten Mal sah Blade ihn nicht lächeln. „Nun, ein Grund wäre, dass ich selbst mal einer war.“ King sah zu Blade auf, tiefe Schatten überzogen sein Gesicht. „Habe ich damit das Vorstellungsgespräch erfolgreich hinter mich gebracht?“

„Dieser verdammte Hannibal King!“

Im luxuriösen Penthouse der Phoenix Towers schlug Danica mit der bloßen Faust gegen die Wand und rammte ein Loch in das Mauerwerk aus massiven Ziegelsteinen. Als sie die Faust mit einem Aufschrei wieder zurückzog, bildeten sich über und unter dem Loch Risse im Verputz. Ihre Hand war völlig unversehrt geblieben.

Das ganze Zimmer war auf eine beeindruckende Weise möbliert worden. Das Dekor verriet Macht, Geld und einen gewissen perversen Sinn für Ästhetik. Doch es war eindeutig kein Ort für einen Vampir mit einem Wutanfall.

Aber Danica gehörte das alles, und ihr war es völlig egal.

Außer sich vor Zorn schlug sie ein zweites Loch gleich neben dem ersten in die Wand. Dieser Kretin! Wie konnte er einen solchen Auftritt wagen? Monate sorgfältigster Planung waren dahin, und jetzt standen sie mit weniger da als zu Beginn. Schlimmer noch! Blade hatte ihre Gesichter gesehen, so dass es nur noch eine Frage der Zeit war, ehe er beschloss, herzukommen und ihrer Existenz ein Ende zu setzen.

Danica erinnerte sich nur zu gut an die Miene des Daywalkers, als sie ihm sagte, was sie getan hatte. Der unausgesprochene Vorwurf war praktisch zu hören gewesen: Sie hatte Whistler getötet. Blade würde dafür sorgen, dass sie für den Tod des alten Mannes bezahlte.

Und mit King an seiner Seite würde der Daywalker so gut wie unaufhaltbar sein.

Danica wirbelte herum, eine Wolke aus Gips und Verputz folgte ihr. Hinter ihr saßen Asher und Grimwood steif auf Samtkissen, während ihre Wunden versorgt wurden. Grimwood versuchte, nicht zusammenzuzucken, als der Arzt sich bemühte, den Pfeil aus der geschwollenen und geschwärzten Augenhöhle zu ziehen.

Die beiden zu sehen, machte Danica nur noch wütender. Sie ließ ihren Blick schweifen auf der Suche nach weiteren kostbaren Dingen, die sie zerschmettern konnte. Es war so gut wie nichts übrig, doch dann entdeckte sie ein paar zerschlagene chinesische Vasen, die auf dem Boden lagen, aber die nur in wenige Stücke zerbrochen waren. Vor Wut rasend trampelte sie darauf herum, bis nur noch kleine Scherben übrig blieben.

Nahe der Eingangstür standen drei Vampirwachen, die jedes Mal zusammenzuckten, sobald Danica wieder etwas zerschlug. Jeder von ihnen neigte sich nervös zur Seite, um sich möglichst weit von Danica zu entfernen, ohne sich dabei von der Stelle zu rühren. Ein großer Rottweiler saß vor ihnen und beobachtete sie aufmerksam, und neben ihm stand ein kleiner Spitz, der kläffte und mit dem Schwanz wedelte, wenn Danica wieder etwas zerschlug, als wolle er sie noch anfeuern.

Sie fuhr sich durch ihr völlig zerzaustes Haar, dann nahm sie ein edles, in Leder gebundenes Buch vom Kaminsims und schleuderte es mit aller Kraft aus dem zerbrochenen Fenster. Ein leises Klirren war zu hören, als das Buch eine Scheibe in dem Bürohochhaus gleich nebenan durchschlug. „Wir hatten Blade am Haken!“, schrie sie dem Buch hinterher. „Wir hatten ihn! Ich hätte ihm sein Herz aus dem Leib reißen sollen, als ich die Gelegenheit dazu hatte!“ Sie wirbelte wieder herum und zeigte vorwurfsvoll auf ihren Bruder. „Und du kommst besser gar nicht erst auf die Idee, mir zu erzählen: ,Ich hab’s dir ja gesagt.’“