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Er zog ihre Hand bis an den Rand des Sonnenstrahls, bis an die Grenze zwischen Licht und Dunkel.

Genau dort hielt er inne.

Gemeinsam sahen sie zu, wie UV-Strahlung von dem Strahl in die Dunkelheit abgegeben wurde, die sofort die Haut ihrer Hand angriff und den äußersten Punkt ihrer Fingerspitzen zu versengen begann. Danica musste unwillkürlich zucken, als sich das Licht in ihr Fleisch fraß. Während der Gestank von verbrannter Haut sich im Raum verteilte, blickte sie auf und sah, wie Drakes Augen sich auf sie richteten und ohne Gefühlsregung zuschauten, wie sie litt.

Nach ein paar Sekunden ließ er los, woraufhin Danica reflexartig ihre Hand zurückzog und sie schützend an ihre Brust drückte, während sie gegen die Tränen ankämpfte, die der Schmerz auslöste. Sie senkte ihren Blick, da sie sich für ihre Schwäche schämte.

Drake beobachtete sie noch einen Moment länger, dann streckte seinen Arm aus und wischte eine Träne von Danicas Wange. „Mein Volk. Wie tief ist es doch gesunken.“

Schließlich wandte er sich ab und ließ sie allein, während er abwechselnd durch Licht und Dunkelheit ging, ehe er in den Schatten am anderen Ende des Raums verschwand.

Blade sah zu, wie seine neuen Gefährten den Waffenraum förmlich plünderten und so viele Waffen mitnahmen, als wollten sie einen kleinen Krieg beginnen. Die schweren hölzernen Werkbänke waren in der Mitte des Raums zusammengeschoben worden, und nun ächzten sie unter der Last einer beträchtlichen Waffensammlung mitsamt Munition.

Er war beeindruckt. Er hatte nur um ein Reservemagazin für seine neue Pistole gebeten, und die Nightstalker hatten sofort die Gelegenheit ergriffen, um ihm zu zeigen, welche technischen Fortschritte sie gemacht hatten. Wenn Blade sich nicht irrte, ging es ihnen mehr darum, ein wenig zu prahlen und weniger darum, etwas Nützliches zu finden. Doch er genoss diesen Moment, um sich in Ruhe anzusehen, wie weit man Anti-Vampir-Waffen entwickeln konnte. Im Lauf der Jahre hatten die Vampire es geschafft, gegen jede von ihm und Whistler erfundene Waffe eine Abwehr zu entwickeln, ob es nun Schutzpanzer aus Keramik waren, die Pflöcke abprallen ließen, oder komplett isolierte Overalls, mit denen sie sich vor seinen UV-Fackeln schützten. Es war gut, einmal auf neue Ideen gebracht zu werden.

Vielleicht waren diese Nightstalker doch zu etwas nütze.

Hedges beugte sich über den Tisch, seine Augen strahlten und konnten seinen Stolz nicht verbergen. „Wir haben eine große Auswahl im Angebot.“ Er griff in den Berg, der noch immer anwuchs, und zog eine merkwürdig aussehende Pistole mit klobigen Gummigriffen hervor, um sie Blade zu reichen. „Eine elektronische Pistole. Mit integriertem Sicherheitssystem, das auf den Fingerabdruck reagiert. Feuert in einer fünfhundertstel Sekunde eine Salve von drei Schüssen ab. Die Kugeln können auch per Fernsteuerung ausgelöst werden.“ King zog das Magazin heraus und warf Blade eine der Patronen hin.

Blade fing sie auf und hielt sie ins Licht, um sie eingehender zu studieren. Über die gesamte Hülse zogen sich feine Rillen in einem Zickzackmuster, als habe das Geschoss mehrere Arbeitsgänge durchwandert. Die Spitze war transparent und aus robustem Glas gefertigt. Blade verstand sofort, was er vor sich hatte. Whistler hatte an so etwas noch kurz vor seinem Tod gearbeitet. Er hielt die Kugel hoch und sah zu King. „Explosive Patronen?“

King nickte. „Aber mit einem konzentrierten UV-Licht-Impuls anstelle der üblichen hohlen Spitze. Ich nenne sie Sundogs.“

Er wandte sich um und zeigte auf eine beeindruckend aussehende Waffe am anderen Ende des Tischs. „Hedges! Rüste mich auf, Baby!“

Hedges warf ihm eine gewaltige Schusswaffe mit vier Läufen zu, die er mit einer lässigen Bewegung in den Anschlag nahm, um dann das Gehäuse mit einer Ecke seines T-Shirts auf Hochglanz zu polieren. Blade bemerkte, dass am Gewehrkolben das respektlose Abziehbild eines Mädchens mit mürrischer Miene klebte und die Waffe fast wie einem Cartoon entsprungen wirken ließ.

King strich liebevoll über das Metall. „Dieses kleine Blasrohr ist eine modifizierte ,Objective Individual Combat Weapon’ unserer werten Army. Die Waffenart darfst du dir aussuchen: Pflöcke, Sundogs, wärmeempfindliche Miniraketen… was immer dich heiß macht, dieses Baby schießt es für dich ab.“ Er deutete auf Blades Klinge und fuhr sarkastisch fort: „Natürlich hat es nicht die Reichweite eines Schwerts, aber…“

Blade sah den grinsenden King ausdruckslos an und tat dann so, als sei er mit seinen Fingernägeln beschäftigt, während er die Waffe aus den Augenwinkeln begutachtete. Er hatte sie schon in dem Augenblick besitzen wollen, als er sie gesehen hatte. Wenn es ihm bloß gelingen würde, die anderen für einen Moment abzulenken…

Dann riss Blade auf einmal die Augen auf, als er ein anderes Spielzeug in Hedges’ Händen entdeckte, ein todbringend aussehendes Objekt, das die Form eines Halbmondes hatte.

Blade wusste nicht, was es war, aber das wollte er auch haben.

Einen Moment lang zögerte er, da er zwischen beiden Waffen hin und her gerissen war. Es kribbelte ihm in den Fingern, die Werkbank einfach umzuwerfen und sich alles zu greifen, was er nur tragen konnte, um dann zu seinem Charger zu rennen und…

Augenblick mal. Stand der Charger nicht noch immer am Bootshaus?

Blade sank ein wenig in sich zusammen, als ihm die Lücke in seinem Plan bewusst wurde.

Schmollend sah er zu, wie Hedges die verchromten Seiten des silbernen Halbmonds an seinem ausgefransten Ärmel polierte. Dann hielt er den Arm ausgestreckt und drehte leicht an den beiden Hälften. „Das bezeichnen wir als den UV-Bogen.“

Aus jedem Ende des Objekts schoss eine metallene Teleskopverlängerung hervor, beide Spitzen waren im nächsten Moment durch einen konzentrierten blau-weißen Laserstrahl verbunden, dessen Summen sich tief in Blades Gehirn fraß.

Er schüttelte den Kopf, um sich von der Wirkung des Geräuschs zu befreien, dann wanderte sein sehnsüchtiger Blick zu der Waffe. Es war ein denkbar simples Prinzip, doch er konnte sich lebhaft ausmalen, wie viel Spaß er damit in einem Kampf haben würde. Ihm fielen auch gleich ein paar Vampire ein, an denen er die Waffe auf der Stelle testen würde.

Hedges lächelte mit einem Anflug von beruflichem Stolz, als er Blades Gesichtsausdruck sah, dann begann er die Funktionsweise zu erläutern, als wolle er in einem Verkaufssender um Kunden werben. „Man hält den Bogen in der Mitte fest, die offene Seite von sich abgewandt. Die beiden Spitzen sind durch einen leistungsstarken UV-Laserstrahl miteinander verbunden. Da er so hochkonzentriert ist, schneidet sich der Laser durch Vampirfleisch wie ein vorgewärmtes Messer durch ein Stück Butter.“

King nickte anerkennend und lehnte sich gleich neben Blade gegen die Werkbank. Ihm fiel auf, dass der Blick des Daywalkers nachdenklich zu dem Tomb of Dracula-Comic auf der Bank gewandert war. Er versuchte, die frühere Unterhaltung wiederaufzugreifen. „Wir versuchen immer noch, in Sachen Dracula Wahrheit und Dichtung voneinander zu trennen. Er soll sich in Nebel auflösen können? Wohl kaum. Aber vielleicht ist er eine Art Gestaltwandler.“

Blade hob eine Augenbraue. Davon hatte er noch nie gehört, ausgenommen natürlich in Filmen. Soweit er wusste, war der Wissenschaft keine Methode bekannt, wie ein Körper sich so vollständig in etwas anderes verwandeln konnte.

Wäre Whistler hier, würde er sicher ein paar Dinge beisteuern, wie wahrscheinlich oder unwahrscheinlich das Prinzip des Gestaltwandeins war. Blade dachte daran zurück, wie er sich mit dem alten Mann DVDs angesehen hatte. Whistler hatte jeden Monsterfilm bis zum Letzten zerpflückt und es genossen, unablässig alle logischen Fehler aufzudecken. „Das kann so gar nicht funktionieren“, hatte er dann verächtlich geschnaubt, regelmäßig fünfeinhalb Sekunden verstreichen lassen und dann mit erhobenem Zeigefinger hinzugefügt: „Und ich werde dir auch erklären, wieso…“. Dann hatte er die nächsten zehn Minuten damit verbracht, entsetzlich langweilige wissenschaftliche Begründungen abzuspulen, bis Blade davon Kopfschmerzen bekam und den Fernseher abschaltete.