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Und so leisteten Maya und Michel Sax dabei Gesellschaft und vergaßen alles, was über den gegenwärtigen Tag hinausging. Sie standen auf dem inneren Feld und kamen so dicht an die Ereignisse heran, wie sie wünschten. Der Stabhochsprung war Mayas Lieblingssport; er begeisterte sie. Mehr als alles andere illustrierte er ihr die Möglichkeiten der geringen Marsschwere. Obwohl es gewiß allerhand Technik erforderte, daraus Nutzen zu ziehen. Der hüpfende, aber kontrollierte Anlauf, das genaue Aufsetzen des extrem langen Stabes beim Vorwärtssprung, der Sprung selbst, der Zug, die Wölbung, wenn die Füße zum Himmel wiesen; dann der katapultierte Flug in den Raum mit umgedrehtem Körper, wenn der Springer über den biegsamen Stab hinausschoß, und hinauf, hinauf. Danach die saubere Drehung über der Stange (oder nicht) und der lange Fall auf ein Luft-Gel-Kissen. Der Marsrekord war 14 Meter; und der jetzt springende Mann, schon Tagesgewinner, versuchte es mit 15, versagte aber. Als er auf dem Kissen landete, bemerkte Maya, wie groß er war, mit kräftigen Schultern und Armen, aber sonst schlank bis zur Magerkeit. Die weiblichen Springer warteten, bis sie an der Reihe waren, sahen aber fast genauso aus.

So war das bei allen Wettkämpfen. Alle Sportler waren groß und hatten feste Muskeln, die neue Spezies, dachte Maya, die sich selbst klein, schwach und alt vorkam. Homo martialis. Zum Glück hatte sie starke Knochen und hielt sich gut, sonst hätte sie sich geschämt, unter solchen Kreaturen zu wandeln. Sie war sich ihrer herausfordernden Anmut nicht bewußt, als die zusah, wie die ihnen von Sax bezeichnete Diskuswerferin sich in einem beschleunigenden Schwung drehte, so daß die Scheibe davonschoß, als ob sie von einer Tontaubenmaschine geschleudert würde. Diese Annarita war sehr groß, mit langem Rumpf und breiten, geschmeidigen Schultern und hübschen, durch einen Einteiler zusammengedrückten Brüsten. Besonders ins Auge fiel der volle starke Hintern über kräftigen langen Schenkeln. Ja, wirklich eine Schönheit unter Schönheiten. Und so stark, obwohl klar war, daß die Geschwindigkeit ihrer Drehung den Diskus so weit schleuderte. Michel rief lächelnd: »Einhundertachtzig Meter! Welche Freude für Sie.«

Und die Frau war zufrieden. Sie alle strengten sich im Moment des Wettkampfes intensiv an und standen dann herum, versuchten, sich und ihre Muskeln zu entspannen und scherzten miteinander. Es gab keine Offiziellen und keinen Anschreibeblock, sondern nur Helfer wie Sax. Leute wechselten sich bei Wettkämpfen, an denen sie nicht selbst teilnahmen, ab. Die Läufe wurden mit einem lauten Knall gestartet. Die Zeiten wurden von Hand gestoppt, ausgerufen und auf einem Bildschirm angezeigt. Kugelstoßen sah gewichtig aus und war schwierig. Speere flogen ewig. Hochspringer konnten es zu Mayas und Michels Überraschung nur auf knapp über vier Meter bringen. Weitspringer schafften zwanzig Meter. Es war ein höchst erstaunlicher Anblick, wenn die Springer ihre Glieder durch einen Sprung schleuderten, der vier oder fünf Sekunden dauerte und sie über einen großen Teil des Feldes hinwegtrug.

Am späten Nachmittag wurde gesprintet. Wie bei den anderen Wettkämpfen starteten Männer und Frauen gemeinsam und trugen alle Einteiler. »Ich frage mich, ob bei diesen Leuten der sexuelle Dimorphismus vermindert ist«, sagte Sax, als er eine Gruppe beim Aufwärmen beobachtete. »Für sie ist alles so viel weniger nach Geschlechtern getrennt. Sie verrichten die gleiche Arbeit, die Frauen werden nur einmal in ihrem Leben oder nie schwanger, sie üben die gleichen Sportarten aus. Sie entwickeln die gleichen Muskeln ...«

Maya glaubte fest an die Realität der neuen Spezies, spottete aber über diesen Begriff: »Warum beobachtest du dann immer die Frauen?«

Michel grinste. »Oh, ich kann den Unterschied schon erkennen, aber ich komme ja auch von der alten Spezies. Ich frage mich nur, ob sie das können.«

Maya lachte laut. »Na na! Ich meine, schau es dir doch an!« Sie zeigte hin. »Proportionen, Gesichter...«

»Na ja. Aber weißt du, es ist doch nicht dasselbe. Bardot und Atlas, wenn du verstehst, was ich meine.«

»O ja. Aber diese Menschen sind schöner.«

Michel nickte. Es war so, wie er von Anfang an gesagt hatte, dachte Maya. Auf dem Mars würde es schließlich klar werden, daß sie alle kleine Götter und Göttinnen waren und das Leben in hehrem Frohsinn verbringen würden... Aber das Geschlecht blieb auf den ersten Blick deutlich. Obwohl auch sie von der alten Spezies kam. Vielleicht lag es gerade an ihr. Aber dieser Läufer da drüben... ah! Eine Frau, aber mit kurzen, kräftigen Beinen, schmalen Hüften und flachem Brustkasten. Und die neben ihr? Auch weiblich — nein, männlich! Ein Hochspringer, so graziös wie ein Tänzer, obwohl alle Hochspringer Schwierigkeiten hatten. Sax murmelte etwas über Pflanzen. Dennoch, selbst wenn einige von ihnen ein bißchen androgyn waren, war das Geschlecht bei den meisten üblicherweise sofort zu erkennen.

»Du verstehst, was ich meine«, sagte Michel, dem ihr Schweigen auffiel. -’

»Irgendwie schon. Aber ich frage mich, ob diese jungen Leute darüber wirklich anders denken. Wenn sie mit der Patriarchie Schluß gemacht haben, muß es notwendigerweise ein neues Gleichgewicht unter den Geschlechtern geben... «

»Das ist sicher das, was die von Dorsa Brevia behaupten.«

»Und ein neues kollektives Unbewußtes.«

»Ja, das nehme ich an. Und darum können die Neuankömmlinge nicht mitkommen. Sie drängen sich in Immigrantenghettos oder ganzen neuen Städten zusammen, halten ihre Traditionen und Verbindungen mit daheim aufrecht und hassen hier alles. Die ganze Fremdenfeindlichkeit und Misogynie bricht in diesen alten Kulturen wieder aus und richtet sich gegen ihre eigenen Frauen und die eingeborenen Mädchen.« Sie hatte von Problemen in den Städten gehört, in Sheffield und über ganz Ost-Tharsis. Manchmal wurden junge eingeborene Frauen grausam von überraschten eingewanderten Angreifern verprügelt. Manchmal ereignete sich das Gegenteil. »Und den jungen Eingeborenen gefällt das nicht. Ihnen kommt es so vor, als ließen sie Monster in ihre Mitte.«

Michel machte eine Grimasse. »Die terranischen Kulturen waren in ihrem Kern alle neurotisch; und wenn das Neurotische mit dem Gesunden konfrontiert wird, wird es gewöhnlich noch neurotischer. Und der Gesunde weiß nicht, was er tun soll.«

»Darum drängen sie auf die Einstellung der Immigration. Und setzen uns dem Risiko eines neuen Krieges aus.«

Aber Michel war durch den Beginn eines neuen Rennens abgelenkt. Die Läufe waren schnell, kamen aber trotz des Schwereunterschieds nirgends an das Zweieinhalbfache des terranischen Wertes heran. Es war dasselbe Problem wie mit den Positionen beim Hochsprung, setzte sich aber durch das ganze Rennen fort. Die Läufer starteten mit einer solchen Beschleunigung, daß sie stark gebückt bleiben mußten, um nicht zu hoch von der Bahn wegzuspringen. Beim Sprinten waren sie immer weit nach vorn gebeugt, als ob sie verzweifelt versuchten, nicht auf ihre Gesichter zu fallen, und ihre Beine pumpten wie wild. Bei längeren Strecken richteten sie sich gegen Schluß auf und ruderten in der Luft, als ob sie nach vorn schwimmen würden. Ihre Züge wurden immer länger, bis sie wie Känguruhs immer mit einem Bein auf einmal vorwärts hüpften. Der Anblick erinnerte Maya an Peter und Jackie, die beiden Schnellen von Zygote, die unter der polaren Kuppel am Strand entlang liefen. Sie hatten von sich aus einen ähnlichen Stil entwickelt.