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Es war zu viel, um es zu fassen. Es entglitt seinem Geist. Dann fiel es ihm wieder ein und überraschte ihn durch eine Freude, die er ausdrücken wollte. »Ha! Ha!« Der Geschmack von Tomatensuppe und Brot; »Ha!« Das trübe Purpur des Dämmerungshimmels; »Ha!« Das Bild der Instrumentenkonsole, die schwach leuchtete und in den schwarzen Scheiben gespiegelt wurde. »Ha! Ha! Ha! O meine Güte!« Es war fast erschreckend. Schwindelerregend. Ka, würden die Yonsei sagen. Ka, vermutlich der Name des kleinen roten Volkes für den Mars — aus dem japanischen ka, welches Feuer bedeutet. Das gleiche Wort gab es auch in verschiedenen anderen Sprachen, einschließlich der protoeuropäischen. So etwa nannten es die Linguisten.

Vorsichtig begab er sich in das große Bett hinten im Abteil, lauschte dem Summen der Heizung und des elektrischen Systems des Rovers; und er lag selbst summend unter der dicken Decke, die die Wärme seines Körpers so rasch aufnahm; und legte den Kopf auf das Kissen und schaute hinaus zu den Sternen.

Am nächsten Morgen zog von Nordwesten ein Hochdrucksystem heran, und die Temperatur stieg auf 262 K. Er war bis zu fünf Kilometer über dem Niveau abgefahren, und der äußere Luftdruck betrug 230 Millibar. Nicht genug, um frei zu atmen. Darum legte er geheizte Oberflächenkleidung an, hängte sich einen kleinen Lufttank über die Schulter, legte dessen Maske über Nase und Mund und zog eine Schutzbrille über die Augen.

Selbst so gerüstet veranlagte ihn die starke Kälte, als er aus der Schleusentür ging und auf den Sand traf, so zu schnaufen und zu zappeln, daß sogar sein Sehvermögen behindert wurde. Das Pfeifen des Windes war laut, obwohl seine Ohren in der Kapuze steckten. Aber die Heizung des Anzugs tat ihre Arbeit, und als der Rest von ihm warm war, gewöhnte sich auch das Gesicht langsam an die Kälte.

Er zog die Schnur der Kapuze fest an und ging über das Land. Er trat von einem flachen Stein, die es hier überall gab, zum andern. Oft bückte er sich, um Risse zu untersuchen. Er fand Flechten und weit verstreute Proben anderen Lebens: Moose, kleine Büschel von Riedgras und gewöhnliches Gras. Es war sehr windig. Äußerst scharfe Böen trafen ihn vier- oder fünfmal in der Minute. Dazwischen lagen trügerisch ruhige Zwischenpausen. Die meiste Zeit war es ohne Zweifel ein windiger Platz, wobei die Atmosphäre in großen Massen südlich um den Komplex von Tharsis herumströmte. Hochdruckzellen luden einen großen Teil ihrer Feuchtigkeit beim Aufsteigen auf der Westseite ab. Tatsächlich war in diesem Moment der Horizont im Westen durch ein flaches Wolkenmeer verdunkelt, das mit dem entfernten Land verschwamm, das zwei oder drei Kilometer tiefer lag und vielleicht sechzig Kilometer weit weg war.

Unter den Füßen gab es nur stellenweise Schnee, der einige beschattete Spalten und Löcher füllte. Diese Schneebänke waren so hart, daß er darauf herumspringen konnte, ohne eine Spur zu hinterlassen. Windplatten, zum Teil geschmolzen und wieder gefroren. Eine ausgezackte Platte zerbrach unter seinen Füßen, und er fand sie mehrere Zentimeter stark. Darunter war Pulver oder Granulat. Seine Finger waren trotz der geheizten Handschuhe kalt.

Er richtete sich wieder auf und wanderte ohne Karte über das Gestein. Einige tiefere Löcher enthielten Eispfützen. Gegen Mittag stieg er in eines davon hinunter und aß seinen Lunch an dem Eis-Teich. Dabei hob er die Luftmaske an, um von einem Riegel aus Honig und Getreide abzubeißen. In einer Höhe von 4,5 Kilometer betrug der Luftdruck 267 Millibar. Die Sonne stand tief am Nordhimmel, ein heller Punkt, umgeben von Zinn.

Das Eis in dem Teich war stellenweise klar, wie ausgestattet mit kleinen Fenstern, die einen Blick auf den schwarzen Boden gestatteten. Überall war das Eis blasig oder rissig oder weiß von Reif. Die Bank, auf der er saß, war eine Rundung aus Kies, mit Flecken braunen Bodens und schwarzer toter Vegetation, die in einem Wall darauf lagen, offenbar eine Bodengrenze über der Schicht aus Kies. Das ganze Ufer war nicht mehr als vier Meter lang und einen breit. Der feine Kies hatte die Farbe von Umbra, scheckigem Umber oder... Er müßte eine Farbtafel hinzuziehen. Aber nicht jetzt.

Der Bodenwall war von kleinen blaßgrünen Rosetten aus winzigen Grashalmen punktiert. Längere Halme standen in klumpigen Büscheln hier und da. Die meisten größeren Halme waren tot und hellgrau. Ganz nahe an dem Teich waren Flecken von dunkelgrünen fleischigen Blättern mit dunkelgrünen Rändern. Wo das Grün ins Rot überging, ergab sich eine Farbe, die er nicht benennen konnte, ein dunkles glänzendes Braun, das irgendwie mit den beiden es bildenden Farben gefüllt war. Es schien, daß er bald doch eine Farbkarte aufrufen müßte. Als er sich später im Freien umsah, erschien eine solche ungefähr einmal in der Minute auf dem Display seines Handys. Unter manchen dieser zweifarbigen Blätter waren wachsartige, fast weiße Blüten verborgen. Ferner lagen da einige Tangarten mit roten Stielen und grünen Nadeln, wie angeschwemmtes Seekraut en miniature. Wieder diese Mischung von Rot und Grün, die ihn hier direkt in der Natur anstarrte.

Ein fernes, vom Wind verwehtes Summen. Vielleicht die Harfentöne von Felsen, vielleicht das Brummen von Insekten. Schwarze Mücken, Bienen... In dieser Luft würden sie nur etwa 30 Millibar CO2 auszuhalten haben, weil so wenig Partialdruck in sie eindrang und an mancher Stelle die innere Sättigung ausreichte, um etwas mehr davon draußen zu halten. Bei Säugetieren würde das wohl nicht so gut funktionieren. Aber sie könnten imstande sein, 20 Millibar zu vertragen; und wenn Pflanzenleben auf allen geringen Höhen des Planeten gedieh, könnte der Kohlendioxidgehalt recht bald auf 20 Millibar sinken. Dann konnten sie auf die Lufttanks und Gesichtsmasken verzichten und auf dem Mars Tiere freisetzen.

Im schwachen Summen der Luft schien er ihre Stimmen zu hören, immanent oder aufsteigend, die in dem nächsten großen Aufschwung von Viriditas kommen würden. Das Summen ferner Stimmen; der Wind; der Friede dieses kleinen Teichs auf seinem steinigen Moor; das nirgalische Vergnügen, das er an der scharfen Kälte hatte... »Ann sollte das hier sehen!« murmelte er.

Nachdem die Raumspiegel nun fort waren, war alles, was er hier sah, dem Untergang geweiht. Dies war die Obergrenze der Biosphäre; und mit dem Verlust an Licht und Wärme würde die Obergrenze sinken, zumindest zeitweilig, vielleicht für immer. Das gefiel ihm nicht; und es schien möglich, daß es Wege geben könnte, für das verlorene Licht einen Ausgleich zu finden. Schließlich war das Terraformen vor dem Erscheinen der Spiegel recht gut vorangekommen. Die Spiegel waren nicht notwendig gewesen. Und es war gut, nicht von etwas so Zerbrechlichem abhängig zu sein; und besser, sich davon jetzt frei zu machen als später, wenn große Tierpopulationen zusammen mit den Pflanzen bei dem Rückschlag hätten sterben können.

Aber selbst so war es eine Schande. Diese tote Pflanzensubstanz würde am Ende mehr Dünger ergeben; und doch wog das Leid von Tieren schwerer. Das war wenigstens anzunehmen. Wer wußte, wie Pflanzen fühlen? Wenn man sie genau anschaute, wie sie in all ihrer detaillierten Gliederung wie komplexe Kristalle leuchteten, waren sie ebenso geheimnisvoll wie jede andere Art von Leben. Und jetzt machte ihre Anwesenheit hier alles, was er sehen konnte, die ganze Fläche zu einem großen Fjellfeld, das sich wie ein Teppich langsam über das Gestein breitete. Sie zerlegten die verwitterten Mineralien und verbanden sich mit ihnen zu den ersten Böden. Ein sehr langsamer Prozeß. In jedem bißchen Boden steckte große Komplexität. Und der Anblick dieses Fjellfeldes war das Lieblichste, das er je gesehen hatte.

Nun zum Wetter. In der ganzen Welt herrschte Wetter. Der erste gedruckte Gebrauch dieses Wortes war, recht passend, 1665 in einem Buch über Stonehenge aufgetreten. »Die Witterung so vieler Jahrhunderte.« Auf dieser steinernen Welt. Witterung. Sprache als die erste Wissenschaft, exakt und dennoch vage oder vieldeutig. Dinge zusammenwerfen. Der Geist als Wetter. Oder bewettert.