Выбрать главу

Sie zeigten sich sehr enttäuscht über den Verlust der großen Spiegel, man könnte sogar sagen, in Notstand versetzt, zu einer Anstrengung aller Kräfte veranlaßt, um zu tun, was sie konnten, um die Pflanzen des Bioms zu schützen. Aber das war schrecklich wenig. Nanao Nakyama, ein alter Kollege von Sax, schüttelte den Kopf. »Der Wintertod wird sehr schlimm sein. Wie eine Eiszeit.«

»Ich hoffe, daß wir den Verlust an Licht ausgleichen können«, sagte Sax. »Die Atmosphäre verdichten und Gewächshausgase hinzufügen. Es ist möglich, daß wir das mit mehr Bakterien und subalpinen Pflanzen machen können, nicht wahr?«

»Nicht viel«, sagte Nanao zweifelnd. »Die meisten Nischen sind schon voll. Und sie sind sehr klein.«

Sie ließen sich zu einer Mahlzeit nieder, um darüber zu sprechen. Alle Techniker von Da Vinci waren in dem großen Speisesaal von The Claw versammelt; und viele Leute aus Sabishii waren da, um sie zu begrüßen. Es war ein langes, interessantes und freundliches Gespräch. Die Sabishier lebten in dem Berglabyrinth ihres Moholes hinter einem Ausläufer der Drachenfigur, die das Labyrinth bildete, so daß sie nicht ständig die Brandruinen ihrer Stadt vor Augen hatten, wenn sie gerade nicht dort arbeiteten. Der Wiederaufbau lief jetzt auf Sparflamme, da die meisten von ihnen mit den Folgen des Verlustes der Spiegel beschäftigt waren. Nanao sagte zu Tariki, was offenbar die Fortsetzung einer langen Debatte war: »Es hat sowieso keinen Sinn, sie wieder ,als Kuppelstadt aufzubauen. Wir können ebenso gut warten, und sie dann in der freien Luft bauen.«

Tariki sagte mit einem Blick auf Sax: »Das könnte langes Warten bedeuten. Wir befinden uns nahe der Obergrenze der Atmosphäre für Lebensfähigkeit, wie sie in dem Dokument von Dorsa Brevia angegeben ist.«

Nanao schaute Sax an. »Wir wünschen Sabishii unterhalb jeder gesetzten Grenze zu haben.«

Sax nickte und zuckte die Achseln. Er wußte nicht, was er sagen sollte. Den Roten würde es nicht gefallen. Wenn die entwicklungsfähige Grenze aber um etwa einen Kilometer höher angesetzt würde, würde das den Sabishiern dieses Bergmassiv geben und für die größeren Erhebungen kaum einen Unterschied ausmachen. Also schien es sinnvoll zu sein. Aber wer wußte, was sie in Pavonis beschließen würden? Er sagte: »Vielleicht sollten wir uns jetzt darauf konzentrieren zu verhindern, daß der atmosphärische Druck sinkt.«

Sie machten finstere Gesichter.

»Werdet ihr mit uns hinausfahren und uns das Massiv zeigen?« frage Sax.

Sie jubelten. »Mit großem Vergnügen.«

Die Areologen in den frühen Jahren hatten das Land beim Tyrrhena-Massiv die abgetrennte Einheit der südlichen Gebirge‹ genannt, was so ziemlich dasselbe war wie ›Kratereinheit, aber weiter von kleinen Kanalnetzen durchsetzt*. Die niederen und typischen Hochländer, die das Massiv umgaben, enthielten auch Einheiten mit kleineren Bergketten und Hügeln. Tatsächlich war, als sie am nächsten Morgen über Land fuhren, das rauhe Gelände der südlichen Gebirge in all seinen unterschiedlichen Erscheinungsformen zu sehen — oft alle zugleich: Von Kratern zernarbt, zerklüftet, uneben, mit Wülsten durchsetzt, zerschnitten und hügelig, die Quintessenz der noachischen Landschaft. Sax, Nanao und Tariki saßen auf dem Beobachtungsdeck eines Rovers der Universität von Sabishii. Sie sahen weitere Wagen mit Kollegen, und sie überholten einige der Teams, die vor ihnen losmarschiert waren. Auf dem letzten Hügel vor dem östlichen Horizont tummelten sich einige Sportler. Die Senken im Land waren alle mit leichtem Schnee bestäubt. Das Zentrum des Massivs lag 15° südlich vom Äquator; und sie erhielten, wie Nanao sagte, um Sabishii eine ganz anständige Menge an Niederschlag. Die Südostseite des Massivs war trockener. Aber hier drangen die Wolkenmassen über das Eis in Isidis Planitia nach Süden vor, erklommen den Hang und entluden ihre Fracht.

Tatsächlich rollten, während sie bergauf fuhren, große Wellen dunkler Wolken von Nordwesten heran und strömten über sie hin, als würden sie die Sportler verscheuchen wollen. Sax erschauerte bei der Erinnerung an seinen Kampf mit den Elementen, in dem er fast umgekommen war. Er war froh, sich in einem Rover zu befinden und nicht hilflos im Schnee davor zu liegen, und hatte das Gefühl, daß er lieber nur kurze Spaziergänge machen und sich nicht weit von ihm entfernen würde.

Schließlich hielten sie an einem hohen Punkt auf einer niedrigen alten Bodenwelle an, der übersät war mit Felsblöcken und Buckeln, Rissen, Flugsand, sehr kleinen Kratern und den alten seichten Kanälen, die der zerrissenen Gegend ihren Namen gaben. Es waren wirklich Mißbildungen jeder Art zu sehen, denn das Land hier war vier Milliarden Jahre alt. Es hatte viel erdulden müssen, war aber nie von einer völligen Zerstörung heimgesucht und zu einer Tabula rasa gemacht worden, so daß man die vier Milliarden Jahre immer noch sehen konnte in einem wahren Museum von Felsgebilden. In der Urzeit war es vollständig pulverisiert worden, wobei Regolith von einigen Metern Dicke entstanden war, sowie Krater und Deformationen, die keine Winderosion beseitigen konnte. Während dieser frühen Periode war auf der anderen Seite des Planeten seine Lithosphäre durch den sogenannten Großen Treffer bis zu einer Tiefe von sechs Kilometern in den Raum geschleudert worden. Ein erheblicher Betrag dieser Auswürfe war schließlich im Süden gelandet. Das war die Erklärung für die Große Böschung und das Fehlen alter Gebirge im Norden und außerdem ein weiterer Faktor für das extrem unregelmäßige Aussehen des Landes.

Dann war zu Ende der Hesperidischen Ära die kurze warme Periode gekommen, während der Wasser gelegentlich an die Oberfläche getreten war. Die meisten Areologen waren jetzt der Ansicht, daß diese Zeit sehr feucht, aber nicht wirklich sehr warm gewesen wäre — mit Jahresdurchschnitten von etwa 273 K, die gelegentlich noch Oberflächenwasser zuließen, das eher durch hydrothermale Konvektion nachgeliefert wurde als durch Niederschlag. Diese Periode hatte nur etwa hundert Millionen Jahre gedauert. Ihr waren Milliarden Jahre der Winde des trockenkalten Amazonischen Zeitalters gefolgt, das bis zum Zeitpunkt ihrer Ankunft gedauert hatte. »Gibt es einen Namen für das mit m-1 beginnende Zeitalter?« fragte Sax.

»Das Holozän.«

So war zuletzt alles durch Milliarden Jahre unablässigen Windes abgeschmirgelt worden — und das mit einer Intensität, daß die älteren Krater überhaupt keine Ränder mehr hatten. Alles war durch die unbarmherzigen Winde Schicht um Schicht abgetragen worden, so daß nur eine steinerne Wildnis übrig geblieben war. Kein Chaos im technischen Sinne, aber eine Wildnis, die ihr unvorstellbares Alter in vielsprachiger Überfülle verkündete, in randlosen Kratern und angeätzten Mesas, Senken, Buckeln, Böschungen und gar vielen zernarbten Felsblöcken.

Von Zeit zu Zeit hielten sie an und gingen umher. Selbst kleine Mesas schienen hoch über ihnen aufzuragen. Sax stellte fest, daß er, obwohl er in der Nähe ihres Rovers blieb, dennoch auf interessante Gesteinsstrukturen jeder Art stieß. Einmal entdeckte er einen Felsblock von der Gestalt eines Rovers, der vom Dach bis zu den Rädern vertikal gespalten war. Links davon hatte er freien Blick auf einen fernen Horizont im Westen.

Das steinige Land da draußen schimmerte in einem glatten Gelb. Zur Rechten befand sich die brusthohe Wand einer alten Verwerfung, die wie von Keilschrift zernarbt war. Daneben eine Sandwehe, umgrenzt von knöchelhohen Steinen, von denen einige pyramidale dunkle Windprodukte waren, andere dagegen hellere, körnig aufgerauhte Felsen. Dort war ein ausbalancierter Scherbenkegel, groß wie ein Dolmen. Dort ein Sandschweif. Da ein runder Kreis von Auswurfstücken wie ein völlig verwittertes Stonehenge. Und da eine tiefe, schlangenförmige Höhlung, vielleicht das Fragment eines Wasserlaufs, und dahinter eine sanfte Steigung. Danach eine Erhebung wie ein Löwenkopf. Die Gesteinsmasse daneben stellte gewissermaßen den Leib des Löwen dar.