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Travis war damit beschäftigt das Geschirr zu spülen, als Nora sagte: »Sieh dir das an.«

Er drehte sich um und sah, daß sie bei Einsteins Schüsseln stand. Das Wasser war weg, aber das halbe Abendessen hatte er stehenlassen.

»Hast du je erlebt, daß er auch nur ein Stück übrigläßt?« fragte sie.

»Nein.« Travis runzelte die Stirn und trocknete sich die Hände an einem Küchenhandtuch ab. »Die letzten paar Tage... Ich dachte immer, er hätte sich vielleicht erkältet, aber er sagt, es geht ihm gut. Und heute hat er nicht mehr so geniest oder gehustet wie die letzten Tage.«

Sie gingen ins Wohnzimmer, wo der Retriever mit Hilfe seiner Umblättermaschine ein Buch las.

Sie knieten neben ihm nieder, er blickte auf, und Nora sagte: »Bist du krank, Einstein?«

Der Retriever bellte einmal, leise: NEIN.

»Bist du auch sicher?«

Ein schnelles Schweifwedeln: JA.

»Du hast dein Abendessen nicht aufgegessen«, sagte Travis. Der Hund gähnte ausgiebig.

»Willst du damit sagen, daß du etwas müde bist?« fragte Nora.

JA.

»Wenn du dich krankfühlst«, sagte Travis, »dann sagst du uns das doch gleich, nicht wahr. Pelzgesicht?«

JA.

Nora bestand darauf, Einsteins Augen, Maul und Ohren nach Spuren einer Infektion zu inspizieren, sagte aber zu guter Letzt: »Nichts. Er scheint in Ordnung zu sein. Ich schätze, selbst Superhund hat das Recht, hin und wieder müde zu sein.«

Der Wind war schnell aufgekommen. Er war kalt und peitschte die Wellen höher auf als am Tag.

Vor Kälte scheppernd, erreichte Garrison das Ende des Wellenbrechers. Er war erleichtert, endlich die harten und manchmal scharfkantigen Steine verlassen und wieder sandigen Strand betreten zu können. Er war sicher, daß er sich beide Füße zerschunden hatte; sie fühlten sich heiß an, und sein linker Fuß tat bei jedem Schritt weh, so daß er hinkte.

Zuerst hielt er sich dicht an der Brandung, abseits von dem von Bäumen gesäumten Park, der hinter dem Strand begann. Drüben, wo die Wege von Parklampen beleuchtet waren und einzelne Scheinwerfer Palmen anstrahlten, wäre er von der Straße aus leichter zu sehen gewesen. Er rechnete nicht damit,

daß jemand ihn suchte; er war sicher, daß sein Trick funktioniert hatte. Aber falls doch jemand nach ihm Ausschau hielt, wollte er jetzt nicht auf sich aufmerksam machen.

Der böige Wind fetzte Schaum von den hereinrollenden Brechern und warf ihn Garrison ins Gesicht, so daß er das Gefühl hatte, dauernd durch Spinnennetze zu laufen. Das Zeug brannte in den Augen, die jetzt endlich aufgehört hatten, vom Salzwasser zu brennen, und er sah sich schließlich gezwungen, die Brandungsfront zu verlassen und weiter den Strand hinaufzugehen, wo der weichere Sand langsam in Rasen überging, aber immer noch außerhalb der Reichweite der Lichter war.

Junge Leute waren am dunklen Strand, für die Kühle der Nacht gekleidet: Paare auf Decken, aneinandergeschmiegt, kleine Gruppen, die haschten und Musik hörten. Acht oder zehn Halbwüchsige hatten sich um zwei Geländefahrzeuge mit Ballonreifen versammelt, die tagsüber am Strand nicht erlaubt waren und wahrscheinlich nachts auch nicht. Sie tranken Bier neben einer Grube, die sie in den Sand gebuddelt hatten, um ihre Flaschen zu verstecken, falls ein Polizist herannahen sollte; sie führten laute, prahlerische Reden über Mädchen und alberten herum. Niemand würdigte Garrison mehr als eines Blickes, während er vorbeieilte. In Kalifornien waren Gesundheitsfanatiker ein etwa ebenso vertrauter Anblick wie Straßenräuber in New York, und wenn ein alter Mann im kalten Meer schwimmen und in der Dunkelheit am Strand entlanglaufen wollte, dann war das nicht auffälliger als ein Priester in der Kirche.

Während er in nördliche Richtung ging, suchte Garrison den Park zu seiner Rechten nach Telefonzellen ab; sie würden wahrscheinlich in Paaren stehen, auffällig beleuchtet, auf Betoninseln neben einem der Wege oder vielleicht nahe bei den öffentlichen Toiletten.

Er begann zu verzweifeln. Ganz bestimmt hatte er bereits mindestens ein solches Paar übersehen, weil seine alten Augen ihn im Stich ließen. Aber dann sah er, was er suchte: zwei Telefonzellen mit seitlichen Abdeckungen, die an Flügel erinnerten und Geräusche abschirmen sollten. Hell beleuchtet. Sie standen etwa dreißig Meter strandeinwärts, auf halbem Wege zwischen dem Sand und der Straße, die die andere Seite des Parks begrenzte.

Er wandte der aufgewühlten See den Rücken, wurde langsamer, damit seine Atemzüge ruhiger werden sollten, und schritt über das Gras bis unter die windzerzausten Wedel von drei stattlichen Königspalmen. Er war immer noch gute zehn Meter von den Telefonen entfernt, als er sah, wie ein mit hoher Geschwindigkeit fahrender Wagen plötzlich bremste, mit quietschenden Reifen an den Randstein kurvte und direkt vor den Telefonen hielt. Garrison wußte nicht, wer in dem Wagen saß, beschloß aber, kein Risiko einzugehen. Er duckte sich hinter eine alte, doppelstämmige Dattelpalme, die glücklicherweise nicht wie so viele andere mit dekorativen Scheinwerfern ausgestattet war. Zwischen den beiden Stämmen hindurch konnte er auf die Telefone und einen Teil des Weges an den Randsteinen sehen.

Zwei Männer stiegen aus dem Wagen. Einer rannte in nördlicher Richtung am Park entlang, blickte dabei immer wieder auf den Strand hinaus, suchte etwas.

Der andere eilte geradenwegs in den Park hinein. Als er die beleuchtete Fläche um die Telefone erreicht hatte, war seine Identität klar - und ein Schock.

Lemuel Johnson.

Hinter den Stämmen der siamesischen Dattelpalmen legte Garrison die Arme an. Er war zwar sicher, daß die zwei Stämme ihm genügend Deckung gaben, versuchte aber trotzdem, sich schmaler zu machen.

Johnson ging an das erste Telefon, nahm den Hörer ab -und versuchte ihn aus dem Apparat zu reißen. Es war eine jener flexiblen Metallschnüre, und er riß ein paarmal heftig daran, aber ohne Erfolg. Schließlich riß er den Hörer mit einem Fluch heraus und warf ihn in den Park. Dann zerstörte er das zweite Telefon.

Als Johnson sich von den Telefonen abwandte und geradenwegs auf Garrison zuging, dachte der Anwalt einen Augenblick lang, er habe ihn gesehen. Aber Johnson blieb nach nur wenigen Schritten stehen und suchte das der See zugewandte Parkstück und den Strand dahinter ab. Sein Blick schien nicht einmal einen Augenblick lang an den Dattelpalmen hängenzubleiben, hinter denen Garrison sich verborgen hielt.

»Du verdammter, verrückter alter Schweinehund«, sagte Johnson, dann eilte er zu seinem Wagen zurück.

Im Schatten hinter den Palmen kauerte Garrison und grinste, weil er wußte, wen der NSA-Mann gemeint hatte. Plötzlich machte dem Anwalt der kalte Wind nichts mehr aus, der von der nächtlichen See hereinwehte.

Verdammter, verrückter alte Schweinehund oder greiser James Bond - kannst dir's aussuchen. Doch wie auch immer -er war immer noch ein Mann, mit dem man rechnen mußte.

In der im Keller befindlichen Schaltzentrale der Telefongesellschaft überwachten die Agenten Rick Olbier und Denny Jones am elektronischen Peilgerät der NSA Garrison Dilworths Telefonleitungen aus seinem Büro und seinem Haus. Es war ein höchst langweiliger Dienst, und sie spielten Karten, um sich die Zeit zu vertreiben: Binokel und Romme, beides keine besonders spannenden Spiele; aber schon der Gedanke an ein Poker zu zweit war ihnen zuwider.

Als um zwanzig Uhr vierzehn ein Anruf bei Dilworths Privatnummer durchkam, reagierten Olbier und Jones viel hektischer darauf, als es die Situation rechtfertigte, weil sie geradezu nach Abwechslung gierten. Olbier ließ seine Karten auf den Boden fallen, Jones warf die seinen auf den Tisch, und sie griffen nach den zwei Kopfhörern, als wäre dies der Zweite Weltkrieg und sie rechneten damit, gleich ein streng geheimes Gespräch zwischen Hitler und Göring abzuhören.

Ihre Anlage war so eingestellt, daß die Leitung frei wurde und einen Teilimpuls absetzte, wenn Dilworth beim nächsten Klingeln nicht abhob. Da Olbier wußte, daß der Anwalt nicht zu Hause war und deshalb niemand an den Apparat gehen würde, griff Olbier in das Programm ein und machte die Leitung nach dem zweiten Klingeln frei.