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Als Haines umfiel, schlug die Frau unten auf den Klippen auf, und Vince nahm ihr Geschenk selbst aus dieser Entfernung entgegen: Snnnappp.

Gern hätte er sich über das Geländer gebeugt, um einen ausgiebigen Blick auf ihren zerschmetterten Leichnam dort unten auf den Felsen zu werfen; aber bedauerlicherweise hatte er keine Zeit zu verlieren. Die Straße würde nicht lange einsam bleiben.

Er schleppte Haines zu seinem Ford zurück und placierte ihn auf den Beifahrersitz, lehnte ihn so gegen die Tür, daß es aussah, als schlafe er friedlich. Er vergewisserte sich, daß der Kopf des Mannes so nach hinten geneigt war, daß das Blut aus der Nase durch die Kehle abfließen konnte.

Vince verließ die Küstenstraße, die für eine so wichtige Straßenverbindung recht kurvig und gelegentlich in ziemlich schlechtem Zustand war, und folgte einer Reihe nicht asphaltierter Straßen, von denen jede folgende enger und holpriger war als die vorangegangene, bog von gekiesten Straßen in Feldwege ab und drang so immer tiefer in den Regenwald ein, bis er schließlich an einer grünen Wand aus riesigen Bäumen und üppigem Buschwerk zum Halten kam. Zweimal während der Fahrt hatte Haines sich angeschickt, wieder zu Bewußtsein zu kommen; aber Vince hatte den Doktor jedesmal zum Schweigen gebracht, indem er seinen Kopf gegen das Armaturenbrett schmetterte.

Jetzt zerrte er den bewußtlosen Mann aus dem Ford durch eine Lücke im Gebüsch hinein unter die Bäume, bis er eine schattige Lichtung fand, deren Boden von haarigem Moos bedeckt war. Die kreischenden, trillernden Vögel verstummten; unbekannte Tiere mit eigenartigen Stimmen entfernten sich durchs Unterholz. Große Insekten, darunter ein Käfer, fast so groß wie Vinces Hand, huschten davon, Echsen liefen die Baumstämme hinauf.

Vince kehrte zum Ford zurück, wo im Kofferraum einiges lag, was für ein Verhör nötig war: ein Päckchen mit Injektionsspritzen und zwei Ampullen Natrium-Pentothal; ein mit Bleikugeln beschwerter lederner Totschläger; ein an die Hände anzuschließendes Elektrisiergerät, Taser genannt, das wie die Fernbedienung eines Fernsehers aussah. Schließlich noch ein Korkenzieher mit Holzgriff.

Lawton Haines war noch immer bewußtlos, als Vince auf die Lichtung zurückkehrte. Sein Atem rasselte durch die eingeschlagene Nase.

Haines sollte seit vierundzwanzig Stunden tot sein. Die Leute, die Vince gestern für drei Jobs engagiert hatten, hatten einen seiner Berufskollegen einsetzen wollen, der in Acapulco lebte und in ganz Mexiko operierte. Aber der Typ war gestern früh gestorben, weil ein langerwartetes Luftpostpäckchen von Fortnum & Mason in London überraschenderweise anstatt eines Sortiments von Gelees und Konfitüren zwei Pfund Plastiksprengstoff enthalten hatte. In ihrer Not hatte die Organisation in Los Angeles Vince den Auftrag gegeben, obwohl ihn das gefährlich an die Grenze der Überarbeitung brachte. Es war für ihn die große Chance, denn er war überzeugt, daß auch dieser Doktor mit Banodyne Laboratories in Verbindung stand und ihm daher weitere Einzelheiten über das FrancisProjekt würde liefern können.

Jetzt erforschte Vince den Regenwald rings um die Lichtungen, wo Haines lag, und fand einen umgestürzten Baum, von dem er ein loses, leicht gebogenes Stück Borke nehmen konnte, das sich als Schöpfer eignen würde. Er fand einen von Algen durchzogenen kleinen Wasserlauf und schöpfte fast einen Liter Wasser in das Behelfsgefäß. Das Zeug sah faulig aus und wimmelte wahrscheinlich von allen möglichen exotischen Bakterien. Aber zu diesem Zeitpunkt war die Gefahr, Haines könnte sich irgendeine Krankheit zuziehen, für diesen bereits ohne Belang.

Vince schüttete Haines den ersten Schöpfer Wasser ins Gesicht. Eine Minute darauf kam er mit einem zweiten, den er den Doktor auszutrinken zwang. Nach viel Prusten, Würgen und nachdem er sich übergeben mußte, hatte Haines endlich einen genügend klaren Kopf, um zu verstehen, was man zu ihm sagte, und darauf auch verständlich zu antworten.

Vince zeigte Haines der Reihe nach den Totschläger, den Ta-ser und den Korkenzieher und erklärte, wie er die einzelnen Geräte einsetzen würde, falls Haines unkooperativ sein sollte. Der Doktor - Gehirnphysiologe nach eigener Aussage - ließ keinen Zweifel offen, daß seine Intelligenz stärker ausgeprägt war als sein Patriotismus, und enthüllte eifrig jedes Detail des streng geheimen Militärprojekts, an dem er bei Banodyne arbeitete.

Als Haines schwor, daß es jetzt nichts mehr zu sagen gäbe, bereitete Vince das Natrium-Pentothal vor. Als er die Injektionsspritze aufzog, sagte er im Gesprächston: »Doktor, wie ist das eigentlich mit Ihnen und den Frauen?«

Haines, der mit den Armen am Körper im Moos lag, genau so, wie Vince es ihm befohlen hatte, schaffte es nicht, sich auf den plötzlichen Themawechsel einzustellen. In Verwirrung kamen seine Lider in rasche Bewegung.

»Ich verfolge Sie jetzt seit dem Mittagessen und weiß, daß Sie in Acapulco drei davon an der Leine haben ...«

»Vier«, sagte Haines, und trotz des Schreckens, der ihm im Magen saß, kam dabei ein Hauch von Stolz zum Vorschein. »Dieser Mercedes, den ich fahre, gehört Giselle, der süßesten Kleinen... «

»Sie benutzen den Wagen einer Frau, um sie mit drei anderen zu betrügen?«

Haines nickte, versuchte ein Lächeln, zuckte aber zusammen, als neue Schmerzwellen durch seine eingedroschene Nase jagten. »Das war immer... meine Methode bei den Ladys.« »Um Himmels willen!« Vince war erschüttert. »Ist Ihnen nicht klar, daß wir nicht mehr die sechziger oder siebziger Jahre haben? Die freie Liebe ist tot. Die hat jetzt einen hohen Preis, einen sehr hohen. Haben Sie noch nichts von Herpes oder AIDS und all dem Zeug gehört?« Während er ihm die Spritze mit dem Pentothal verabreichte, sagte er: »Sie haben bestimmt jede Geschlechtskrankheit, die der Mensch kennt.« Haines blinzelte ihn blöde an, wirkte zuerst verblüfft und sank dann in tiefen Pentothal schlaf. Unter dem Einfluß der Droge bestätigte er Vince alles, was er ihm bereits über Bano-dyne und das Francis-Projekt gesagt hatte.

Als die Wirkung des Mittels nachließ, schloß Vince den Ta-ser an, nur so, zum Spaß, bis die Batterien verbraucht waren. Der Wissenschaftler zuckte und schlug aus wie ein halbzerdrückter Wasserkäfer und wühlte Absätze, Kopf und Hände tief ins Moos.

Als der Taser nicht mehr zu gebrauchen war, schlug Vince Haines mit dem Totschläger bewußtlos und tötete ihn dann, indem er den Korkenzieher zwischen zwei Rippen ansetzte und schräg in das schlagende Herz bohrte.

Ssssnappp.

Grabesstille hing über dem Regenwald, und doch fühlte Vince, wie tausend Augen ihn beobachteten, die Augen wilder Geschöpfe. Und er glaubte, daß die verborgenen Beobachter billigten, was er Haines angetan hatte, weil die Art und Weise, wie der Wissenschaftler lebte, ihn zu einer Beleidigung für die natürliche Ordnung der Dinge machten - jener natürlichen Ordnung, der alle Geschöpfe des Dschungels gehorchten.

Er sagte »Danke!« zu Haines, küßte den Mann aber nicht, weder auf den Mund noch auf die Stirn. Haines' Lebensenergie war ebenso belebend und willkommen wie die irgendeines anderen Opfers, aber sein Körper und sein Geist waren unrein.

4

Nora ging vom Park auf dem kürzesten Wege nach Hause. Die Abenteuerstimmung und das Gefühl der Freiheit, die den Morgen und den frühen Nachmittag in bunte Farben getaucht hatten, ließen sich nicht wieder einfangen. Streck hatte den Tag beschmutzt.

Nachdem sie die Haustür hinter sich zugemacht hatte, versperrte sie das gewöhnliche Schloß, schob den Riegel vor und hängte die Sicherheitskette ein. Dann ging sie durch die Zimmer im Erdgeschoß und zog an sämtlichen Fenstern die Gardinen zu, damit Arthur Streck, falls er kommen und um das Haus streichen sollte, nicht hereinsehen könne. Aber die Dunkelheit, die dadurch entstand, war ihr unerträglich, deshalb schaltete sie in jedem Zimmer jede Lampe ein. In der Küche ließ sie die Jalousien herunter und überprüfte auch das Schloß an der hinteren Tür.