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Neugierig, was der Hund als nächstes tun würde, folgte Travis ihm und fand ihn, immer noch mit dem Telefonbuch im Maul, an der Haustür wartend.

»Was nun?«

Einstein legte eine Pfote auf die Tür.

»Du willst hinaus?«

Der Hund winselte. Das Telefonbuch, das er im Maul hielt, dämpfte den Ton.

»Was willst du dort draußen mit dem Telefonbuch? Es wohl vergraben wie einen Knochen? Was ist los?«

Obwohl er auf keine seiner Fragen Antwort erhielt, öffnete Travis die Tür und ließ den Retriever hinaus ins goldene Licht der Spätnachmittagssonne. Einstein hetzte geradenwegs zum Pick-up, der in der Einfahrt stand. Er blieb an der Beifahrertür stehen und sah sich mit einem Ausdruck um, den man als Ungeduld deuten könnte.

Travis ging zum Wagen und blickte zum Retriever hinunter.

Er seufzte. »Ich habe den Verdacht, du möchtest irgendwohin, und ich habe außerdem den Verdacht, du denkst dabei nicht ans Büro der Telefongesellschaft.«

Einstein ließ das Telefonbuch fallen, richtete sich auf, legte die Vorderpfote gegen die Wagentür und sah Travis über die Schulter an. Er bellte.

»Du möchtest, daß ich Miss Devons Adresse heraussuche und hinfahre. Ist es das?«

Ein Wuff.

»Tut mir leid«, sagte Travis. »Ich weiß, sie hat dir gefallen, aber ich bin wirklich nicht auf der Suche nach einer Frau. Außerdem ist sie nicht mein Typ. Das hab' ich dir bereits gesagt. Und ich bin auch nicht ihr Typ. Tatsächlich habe ich das Gefühl, daß niemand ihr Typ ist.«

Der Hund bellte.

»Nein.«

Der Hund ließ sich wieder auf alle viere fallen, rannte zu Travis und packte wieder eins der Hosenbeine seiner Jeans. »Nein«, sagte Travis, griff hinunter und packte Einstein am Halsband. »Es hat keinen Sinn, wenn du meine Hosen zerfetzt. Ich werde nicht fahren.«

Einstein ließ los, entwand sich seinem Griff und rannte zu dem langen Beet mit blühenden Vergißmeinnicht, wo er wütend zu graben anfing und dabei zerfetzte Blumen hinter sich auf den Rasen schleuderte.

»Was soll das denn jetzt, um Gottes willen?«

Der Hund fuhr fort, eifrig zu graben, arbeitete sich durch das Beet, vor und zurück, offenbar darauf erpicht, es völlig zu zerstören.

»He, hör auf damit!« Travis wollte den Hund einfangen. Einstein floh ans andere Ende des Vorgartens und fing dort an, ein Loch in den Rasen zu graben.

Travis rannte ihm nach.

Einstein entkam in eine andere Ecke des Rasens, wo er wieder Gras auszureißen begann, dann ging's zum Vogelbad, das er zu unterminieren suchte, schließlich zurück zu den Vergißmeinnicht. Außerstande, den Retriever zu fangen, blieb Travis schließlich nach Atem ringend stehen und schrie: »Genug!« Einstein hörte auf zu graben und hob den Kopf. Vergißmeinnichtreste hingen ihm aus dem Maul.

»Wir fahren«, sagte Travis.

Einstein ließ die Blumen fallen, verließ das ruinierte Beet und kam auf den Rasen - blieb aber äußerst wachsam.

»Keine Tricks«, versprach Travis. »Wenn es dir so viel bedeutet, dann werden wir die Frau aufsuchen. Wenn ich nur wüßte, was ich ihr sagen werde.«

8

Den Teller mit ihrem Abendessen in der einen Hand, eine Flasche Evian in der anderen, ging Nora durch den Flur im Erdgeschoß. Daß in allen Zimmern Licht brannte, empfand sie als beruhigend. Im Obergeschoß angelangt, drückte sie mit dem Ellbogen den Schalter für die Korridorbeleuchtung. Sie würde nächstens eine Menge Glühbirnen bestellen, weil sie vorhatte, in Zukunft Tag und Nacht alle Lichter brennen zu lassen. Diese Kosten nahm sie gern auf sich.

Immer noch vom Cognac in Stimmung gehalten, begann sie leise zu singen, während sie ihrem Zimmer zustrebte: »Moon River, wider than a mile ...«

Sie trat durch die Tür. Streck lag auf dem Bett.

Er grinste und sagte: »Tag, Baby.«

Einen Augenblick lang hielt sie es für eine Halluzination. Aber als er sprach, wußte sie, daß es Wirklichkeit war. Sie schrie auf, der Teller entfiel ihrer Hand, so daß Obst und Käse sich auf den Boden verstreuten.

»Ach, du meine Güte, was du anrichtest«, sagte er, setzte sich auf und schwang die Beine über den Bettrand. Er trug immer noch seine Turnhosen, Socken und Laufschuhe. Nichts sonst. »Aber du brauchst das jetzt nicht sauberzumachen. Zuerst ist da anderes zu erledigen. Ich warte schon die längste Zeit, daß du raufkommst. Dabei hab' ich an dich gedacht... mich auf dich eingestimmt...« Er stand vor ihr. »Und jetzt ist Zeit, dir beizubringen, was du nie gelernt hast.«

Nora war unfähig, sich zu bewegen. Unfähig zu atmen.

Er mußte direkt vom Park zu ihrem Haus gegangen, mußte vor ihr eingetroffen sein. Er hatte sich gewaltsam Zugang verschafft und keine Spur eines Einbruchs hinterlassen, hatte die ganze Zeit, während sie in der Küche Cognac trank, hier auf dem Bett auf sie gewartet. Daß er hier oben wartete, war noch unheimlicher als alles, was er bislang getan hatte - er hatte gewartet, sich am Vorgefühl des Kommenden aufgegeilt, seinen Nervenkitzel daran gehabt, sie unten herumhantieren zu hören, ohne daß sie von seiner Anwesenheit wußte.

Ob er sie töten würde, wenn er mit ihr fertig war?

Sie drehte sich um und rannte hinaus auf den Korridor. Als sie an der Treppe die Hand auf das Geländer legte und hinunterlaufen wollte, hörte sie Streck hinter sich.

Sie hetzte die Treppe hinunter, nahm zwei oder drei Stufen auf einmal, in panischer Angst, sie könnte sich den Knöchel verstauchen und stürzen. Am Treppenabsatz versagte beinahe das Knie ihr den Dienst, sie stolperte, rannte aber weiter, sprang die letzten Stufen ins Erdgeschoß.

Dann packte Streck sie von hinten, riß sie an der Schulterpartie ihres Kleides herum, so daß sie ihn ansehen mußte.

9

Als Travis vor dem Haus Nora Devons an den Randstein heranfuhr, stand Einstein auf dem Vordersitz, die beiden Vorderpfoten auf dem Türgriff, drückte mit seinem ganzen Gewicht hinunter und öffnete die Tür. Wieder so ein Trick. Er sprang aus dem Wagen, preschte den Zugang hinauf, noch ehe Travis die Handbremse gezogen und den Motor abgeschaltet hatte.

Sekunden später erreichte Travis die Treppe zur Veranda, gerade rechtzeitig, um festzustellen, daß sich der Retriever unterm Vordach des Eingangs auf die Hinterbeine erhoben hatte und mit einer Vorderpfote die Klingel betätigte. Man konnte es drinnen läuten hören.

Travis stieg die Stufen hinauf und sagte: »Was, zum Teufel, ist jetzt in dich gefahren?«

Der Hund klingelte erneut.

»Gib ihr doch eine Chance ...«

Als Einstein das dritte Mal den Klingelknopf drückte, hörte Travis einen Mann aus Wut und Schmerz schreien. Dann den Hilferuf einer Frau.

Mit einem ebenso wütenden Bellen wie gestern im Wald scharrte Einstein an der Tür, als glaubte er wirklich, er könnte sich auf die Weise Zugang verschaffen.

Travis preßte das Gesicht an die Tür und spähte durch ein klares Feld im Mosaikfenster. Der Korridor war hell erleuchtet, und er konnte zwei Leute sehen, die nur ein paar Meter von ihm entfernt miteinander rangen.

Einstein bellte, knurrte, drehte langsam durch.

Travis versuchte, die Tür zu öffnen, fand sie versperrt. Er schlug mit dem Ellbogen ein paar der Farbglasscheiben ein, griff hinein, tastete nach dem Schloß, fand es und auch die S-cherheitskette und stand im Flur, als der Kerl in Turnhosen die Frau beiseite stieß und sich zu ihm herumdrehte.

Einstein gab Travis keine Chance zu handeln. Der Retriever jagte durch den Korridor geradenwegs auf den Mann zu.