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Travis wälzte sich zur Seite und setzte sich keuchend auf. Unten auf dem Pfad sah er nichts. Dann erkannte er, daß aus dieser Richtung den Retriever nichts beunruhigte, daß dieser vielmehr quer auf dem Pfad stand und sich dem Unterholz östlich von ihnen zuwandte. Er bellte, dabei Geifer verspritzend, schrill und so lautstark, daß es Travis in den Ohren weh tat. Die wilde Wut dieser Laute wirkte einschüchternd. Der Hund warnte den unsichtbaren Feind, nicht näher zu kommen.

»Ganz ruhig. Junge«, sagte Travis gedämpft. »Ruhig.«

Der Retriever hörte zu bellen auf, schaute aber Travis nicht an. Er starrte unverwandt in die Büsche, zog die schwarzen Lefzen von den Zähnen zurück und ließ tief in der Kehle ein Knurren hören.

Immer noch heftig atmend, kam Travis auf die Beine und blickte nach Osten ins Gehölz. Immergrüne Gewächse, Syko-moren, ein paar Lärchen. Schatten wie dunkle Tuchfetzen waren da und dort durch goldene Nadeln und Lichtkeile an ihren Platz geheftet. Büsche. Dornengestrüpp. Kletterpflanzen. Ein paar verwitterte, zahnähnliche Felsformationen. Nichts, was außergewöhnlich gewesen wäre.

Als er sich hinunterbeugte und dem Retriever die Hand auf den Kopf legte, hörte der Hund zu knurren auf, als verstünde er seine Absicht. Travis hielt den Atem an und lauschte nach Bewegung im Gebüsch.

Die Zikaden blieben stumm. Kein Vogel sang in den Bäumen. Der Wald war so still, als hätte das riesige, kunstvolle Uhrwerk des Universums zu ticken aufgehört.

Er war sicher, daß nicht er die Ursache der abrupten Stille war. Vorhin hatte sein Marsch durch den Canyon weder Vögel noch Zikaden gestört.

Da war etwas. Ein Eindringling, den die gewöhnlichen Waldgeschöpfe offensichtlich nicht billigten.

Er holte tief Luft und hielt den Atem an, lauschte angestrengt, um die leiseste Bewegung im Wald zu hören. Und jetzt vernahm er das Rascheln im Gebüsch, das Knacken eines Zweiges, das weiche Knirschen trockener Blätter - und den entnervend fremdartigen, schweren, rauhen Atem von etwas Großem. Es klang, als wäre es etwa zwölf Meter entfernt, aber er konnte seinen Standort nicht genau bestimmen.

Der Retriever neben ihm war erstarrt. Seine Schlappohren waren leicht aufgerichtet, lauschten nach vorn.

Der rasselnde Atem des unbekannten Widersachers war so schauerlich - sei es nun wegen der Echowirkung des Waldes und des Canyons oder einfach deshalb, weil das Ganze schauerlich war -, daß Travis schnell seinen Rucksack abnahm, die Lasche aufzog und die geladene 38er herausholte.

Der Hund starrte den Revolver an. Travis hatte das unheimliche Gefühl, das Tier wisse, was ein Revolver war, und sei mit der Waffe einverstanden.

Travis fragte sich, ob das Ding im Wald ein Mensch sei, und rief: »Wer ist da? Kommen Sie raus, damit ich Sie sehen kann!«

In den heiseren Atem im Gebüsch mischte sich jetzt ein dumpfes, drohendes Knurren. Der grausige, kehlige Laut ließ Travis hochfahren. Sein Herz schlug noch heftiger, er wurde ebenso starr wie der Retriever an seiner Seite. Einige endlos dahintickende Sekunden lang begriff er nicht, warum allein dieses Geräusch einen solchen Strom der Angst durch seinen Körper jagte. Dann wurde ihm bewußt, daß das, was ihn so erschreckte, die Mehrdeutigkeit des Geräusches war: Das Knurren der Bestie war ganz eindeutig das eines Tieres...

Und doch war da noch eine nicht beschreibbare Eigenschaft, die auf Intelligenz schließen ließ, ein Klang, ein Tonfall, fast wie der Ton, den ein wütender Mensch von sich geben würde. Je mehr er lauschte, desto mehr kam Travis zu dem Schluß, daß es weder eindeutig ein tierisches noch ein menschliches Geräusch war. Aber wenn es keines von beiden war... was, zum Teufel, war es dann?

Er sah, wie die hohen Büsche sich bewegten. Genau vor ihm. Etwas kam auf ihn zu.

»Halt!« sagte er scharf. »Keinen Schritt weiter!«

Doch es kam näher.

Jetzt war es noch zehn Meter entfernt.

Rückte langsam vor. Vielleicht etwas vorsichtig geworden. Verringerte nichtsdestoweniger den Abstand.

Der Golden Retriever begann drohend zu knurren, warnte erneut das Geschöpf, das sich an sie heranpirschte. Aber man konnte sehen, wie seine Flanken bebten, und auch sein Kopf zitterte. Obwohl er das Ding im Gebüsch zum Kampf aufforderte, hatte er im Innersten Furcht davor.

Die Furcht des Hundes war entnervend. Retriever waren für ihren Mut und ihre Kühnheit bekannt. Man hatte sie als Begleiter für Jäger gezüchtet und setzte sie häufg bei gefährlichen Rettungsoperationen ein. Welche Gefahr, welcher Widersacher konnte einem starken, stolzen Hund wie diesem solche Angst einjagen?

Das Ding im Busch rückte immer noch näher, war jetzt höchstens sieben Meter entfernt.

Obwohl bis jetzt nichts Ungewöhnliches in Erscheinung getreten war, erfüllte ihn abergläubische Angst, das Gefühl der Gegenwart von etwas nicht Bestimmbarem, Unheimlichem. Er versuchte sich immer wieder einzureden, er sei auf einen Ka-guar gestoßen, bloß auf einen Berglöwen, der wahrscheinlich viel mehr Angst hatte als er. Aber das eisige Prickeln, das vom Ansatz seiner Wirbelsäule ausging und sich bis über seine Kopfhaut ausbreitete, verstärkte sich jetzt. Seine Hand war schweißnaß, so daß er fürchtete, der Revolver könnte ihm entgleiten.

Fünf Meter.

Travis richtete die 38er nach oben und gab einen Warnschuß ab. Die Detonation peitschte durch den Wald, der Schall wan-derte durch den langen Canyon hinunter.

Der Retriever zuckte nicht einmal, aber das Ding im Gebüsch wandte sich sofort von ihnen ab und rannte davon, bergauf in nördlicher Richtung, auf den Canyonrand zu. Travis konnte es nicht sehen, aber an der Bewegung im hüfthohen Gebüsch deutlich seinen Weg verfolgen.

Ein oder zwei Sekunden lang war er erleichtert, weil er glaubte, es verscheucht zu haben. Dann sah er, daß es eigentlich nicht davonrannte. Es schlug einen Bogen nach NordNordwest, der es auf den Wildpfad über ihnen bringen würde. Travis spürte, daß das Geschöpf versuchte, ihnen den Weg abzuschneiden, um sie zu zwingen, den Canyon auf der unteren Route zu verlassen, wo sich ihm bessere Angriffsmöglichkeiten bieten würden. Er verstand zwar nicht, wie er das wissen konnte, er wußte es einfach.

Sein ererbter Überlebensinstinkt trieb ihn zum Handeln, ohne daß er über jede seiner Bewegungen nachzudenken brauchte; er tat automatisch das, was nötig war. Diese animalische Instinktsicherheit hatte er seit seinem Militäreinsatz vor fast zehn Jahren nicht mehr verspürt.

Bemüht, die verräterische Bewegung im Gebüsch rechts von ihm im Auge zu behalten, entledigte er sich des Rucksacks, behielt nur die Waffe und hetzte den steilen Pfad hinauf. Der Retriever rannte hinter ihm her. Aber so schnell er auch war, er war nicht schnell genug, um den unbekannten Feind zu überholen. Als ihm klar wurde, daß die Kreatur den Pfad ein gutes Stück weiter oben erreichen würde, gab er noch einen Warn-schuß ab, der aber diesmal den Widersacher weder erschreckte noch vom Weg abbrachte. Zweimal feuerte er in die Büsche selbst, dorthin, wo sich Bewegung zeigte, ohne Rücksicht darauf, ob das dort ein Mensch war. Und es wirkte. Er glaubte nicht, daß er getroffen hatte, aber er hatte ihm endlich Angst gemacht, und es wandte sich in eine andere Richtung.

Travis rannte weiter, wollte unbedingt den Canyonrand erreichen, wo entlang des Kammes die Bäume weniger dicht standen, das Buschwerk spärlich wuchs und das grell einfallende Sonnenlicht keinen schützenden Schatten zuließ.

Als er ein paar Minuten später den Grat erreichte, war er völlig außer Atem. Seine Waden und Schenkel brannten. Sein Herz schlug so heftig, daß es ihn nicht überrascht hätte, wenn ein anderer Bergkamm das Echo des Herzschlags aufgenommen und es ihm quer über den Canyon hinweg zurückgeworfen hätte.

Hier war die Stelle, wo er Rast gemacht und ein paar Oreos gegessen hatte. Die Klapperschlange, die sich vorhin auf einer großen Felsplatte gesonnt hatte, war verschwunden.