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»Damit meint er, daß ich keine Spaghetti fressende Ithake-rin bin«, sagte Samantha ärgerlich.

Johnny versetzte ihr eine so heftige Ohrfeige, daß sie fast von der Chaiselongue fiel. »Gib acht, was du sagst, blödes Stück.«

Sie griff sich mit der Hand an die Wange, und in ihren Augen schimmerten Tränen. Dann sagte sie mit Kleinmädchenstimme: »Tut mir leid, Johnny.«

»Blödes Stück«, murmelte er.

»Ich weiß nicht, was manchmal in mich fährt«, sagte sie.

»Du bist so gut zu mir, Johnny, und ich hasse mich, wenn ich 50 bin.«

Vince kam das Ganze wie einstudiert vor, wahrscheinlich deshalb, weil sie das schon so oft durchgespielt hatten, sowohl allein wie auch vor anderen. Das Glitzern in Samanthas Augen verriet Vince, daß es ihr Vergnügen machte, geschlagen zu werden; sie reizte Johnny, damit er sie schlug. Und Johnny bereitete es sichtlich Freude, sie zu schlagen.

Vince widerte das an.

Johnny der Draht nannte sie noch einmal >blödes Stück<, rührte dann Vince aus dem Wohnzimmer ins große Arbeitszimmer und schloß die Tür hinter sich. Er blinzelte ihm zu und sagte: »Ein wenig vorlaut, die Kleine, aber dafür saugt sie dir das Hirn aus den Eiern.«

Vince verabscheute solch schmutzige Reden. Er lehnte es ab, sich in ein solches Gespräch hineinziehen zu lassen. Statt dessen holte er einen Umschlag aus der Jackettasche. »Ich brauche Informationen.«

Johnny nahm den Umschlag, schaute hinein, blätterte desinteressiert in dem Bündel Hundert-Dollar-Noten und sagte: »Was du willst, sollst du haben.«

Das Arbeitszimmer war der einzige Raum im Haus, der von der Art Deco unberührt geblieben war. Er war durch und durch High-Tech. An drei Wänden standen massive Stahltische, auf ihnen acht Computer unterschiedlicher Marken und Modelle. Jeder Computer hatte sein Modem mit eigener Telefonleitung, und jeder Bildschirm leuchtete. Auf einigen Schirmen liefen Programme ab; Daten huschten über sie oder rollten von unten nach oben ab. Die Gardinen waren vor die Fenster gezogen, die zwei Arbeitslampen auf biegsamen Hälsen verhüllt, damit kein grelles Licht auf die Monitore fiele, und so war der Raum in elektronisches Grün getaucht, was Vince das eigenartige Gefühl vermittelte, er befände sich unter Wasser. Drei Laserdrucker produzierten mit leisem Flüstern Kopien, und die Geräusche ließen in Vinces Fantasie aus irgendeinem Grund das Bild von Fischen erstehen, die sich durch die Vegetation des Meeresbodens hindurchwanden.

Johnny der Draht hatte ein halbes Dutzend Männer getötet, Buchmacher- und Lottogeschäfte betrieben. Bankraube und Juwelendiebstähle geplant und ausgeführt. Er war ins Drogengeschäft der Fustino-Familie verwickelt gewesen, hatte seine Finger in Erpressung, Entführung, Gewerkschaftskorruption, der illegalen Herstellung von Videokopien, politischer Bestechung und Kinderpornographie gehabt. Er hatte alles getan, alles gesehen, und obwohl ihn nie eine kriminelle Unternehmung gelangweilt hatte, egal, wie lange oder wie oft er damit befaßt gewesen war, hatte sich bei ihm doch eine gewisse Übersättigung eingestellt. Als im letzten Jahrzehnt der Com-puter erregende neue Bereiche krimineller Aktivitäten erschloß, hatte Johnny die Gelegenheit ergriffen, dort hineinzugehen, wo keiner der Maulhelden der Mafia bislang hineingegangen war: in das eine Herausforderung darstellende neue Gebiet der Computerkriminalität. Er hatte dafür eine Begabung und wurde bald zum größten Hacker der Mafia.

Wenn man ihm genügend Zeit gab und ihn entsprechend motivierte, konnte er jedes Computer-Sicherheitssystem knak-ken und sich die geheimsten Informationen einer Firma oder einer Regierung beschaffen. Galt es beispielsweise eine größere Kreditkartenmasche abzuziehen, Einkäufe im Wert von einer Million Dollar zu tätigen und damit die American-Express-Konten anderer Leute zu belasten, dann war Johnny der Draht imstande, geeignete Namen aus den Akten von TRW und die entsprechenden Kartennummern aus den Datenbänken von American Express abzuzapfen, und schon war man im Geschäft. War man ein Don, stand unter Anklage und erwartete seinen Prozeß und fürchtete sich vor der Zeugenaussage, die einer der eigenen Komplizen liefern könnte, weil die Staatsanwaltschaft ihm den Kronzeugenstatus versprochen hatte, dann war Johnny imstande, in die bestgehüteten Datenbänke des Justizministeriums einzudringen und dort die neue Identität herauszufinden, die man dem Verräter verschafft hatte. Und dann war es ein leichtes, die Killer auf ihn anzusetzen. Johnny hatte sich selbst etwas großspurig den Titel >Silikon-Zauberer< verliehen, obwohl alle anderen ihn immer noch den >Draht< nannten.

Als Hacker der Unterwelt war er den Familien der ganzen Nation wertvoller denn je; so wertvoll, daß es ihnen nichts ausmachte, als er an einem vergleichsweise abgelegenen Ort wie San Clemente sein Domizil aufschlug, wo er ein bequemes Leben am Strand führen konnte, während er gleichzeitig für sie arbeitete. Im Zeitalter der Mikrochips, meinte Johnny, sei die ganze Welt eine einzige Kleinstadt, und man könne in San Clemente - oder Oshkosh - sitzen und jemandem in New York City die Taschen leeren.

Johnny ließ sich in einen hochlehnigen schwarzen Ledersessel sinken, auf dessen Gummirollen man sich schnell von einem Computer zum nächsten gleiten lassen konnte. »Also!

Was kann der Silikon-Zauberer für dich tun, Vince?« fragte er.

»Kannst du die Polizei-Computer anzapfen?«

»Nichts leichter als das.«

»Ich muß wissen, ob seit dem letzten Dienstag irgendeine Polizeibehörde im Bezirk eine Akte in bezug auf irgendwelche absonderlichen Morde angelegt hat.«

»Wer sind die Opfer?«

»Das weiß ich nicht. Ich bin nur auf der Suche nach absonderlichen Morden.«

»Absonderlich in welcher Hinsicht?«

»Das weiß ich nicht genau. Vielleicht... vielleicht jemand, dem man die Kehle herausgerissen hat. Jemand, den man in Stücke gerissen hat. Jemand, den ein Tier zerbissen und hohlgefressen hat.«

Johnny warf ihm einen eigenartigen Blick zu. »Das ist absonderlich, allerdings. So was würde in der Zeitung stehen.«

»Vielleicht nicht«, sagte Vince und dachte an die Armee von Sicherheitsagenten der Regierung, die zweifellos am Werk war, um die Presse über das Francis-Projekt im dunkeln zu lassen und die gefährlichen Vorkommnisse in den Banodyne-Labors zu vertuschen. »Vielleicht sind die Morde in den Nachrichten erwähnt, aber vermutlich verschweigt die Polizei die grausigen Einzelheiten und stellt das Ganze als gewöhnliche Morde hin. Also werde ich aus dem, was die Zeitungen über Morde bringen, nicht feststellen können, welche die Mordopfer sind, die mich interessieren.«

»In Ordnung. Das läßt sich machen.«

»Du solltest auch die Veterinärbehörde des Bezirks etwas unter die Lupe nehmen, um zu sehen, ob bei denen irgendwelche Anzeigen über ungewöhnliche Angriffe von Kojoten, Pumas oder anderen Raubtieren eingegangen sind. Und nicht nur Angriffe auf Menschen, sondern auch auf Vieh - Kühe, Schafe. Es könnte sogar irgendeine Gemeinde, vielleicht am östlichen Rand des Bezirks, geben, wo eine Menge Haustiere verschwinden oder von irgendwelchen wilden Tieren zerrissen worden sind. Wenn du auf so etwas stößt, möchte ich das auch wissen.«

Johnny grinste und sagte: »Du bist wohl einem Werwolf auf der Spur?«

Das sollte ein Witz sein; er rechnete weder mit einer Antwort, noch wollte er eine hören. Er hatte nicht gefragt, wes-halb diese Information benötigt wurde, und er würde nie fragen, weil Leute, die in diesem Geschäft tätig waren, ihre Nase nicht in die Angelegenheiten anderer Leute steckten. Neugierig mochte Johnny sein, aber Vince wußte, daß der Draht nie seiner Neugierde nachgeben würde.

Vince beunruhigte auch nicht so sehr die Frage, sondern das sie begleitende Grinsen. Das grüne Licht der Computerschirme spiegelte sich in Johnnys Augen, im Speichel auf seinen Zähnen und in geringerem Maße auch in seinem drahtigen kupferfarbenen Haar. So häßlich er von Natur war - das gespenstische Licht ließ ihn wie eine wieder zum Leben erweckte Leiche in einem Romero-Film erscheinen.