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Vince sagte: »Und noch was: Ich muß wissen, ob irgendeine Polizeibehörde im Bezirk in aller Stille nach einem Golden Retriever sucht.«

»Einem Hund?«

»Ja.«

»Die Bullen suchen gewöhnlich keine verlorengegangenen Hunde.«

»Ich weiß«, sagte Vince.

»Hat der Hund einen Namen?«

»Kein Name.«

»Ich werde nachsehen. Noch etwas?«

»Das ist alles. Wann hast du alles beisammen?«

»Ich ruf dich morgen früh an.«

Vince nickte. »Es wird drauf ankommen, was du ausfindig machst, ob ich dich vielleicht brauche, damit du diese Dinge Tag für Tag weiterverfolgst.«

»Kinderspiel«, sagte Johnny, machte eine Dreihundertsech-zig-Grad-Drehung in seinem schwarzen Ledersessel und sprang dann grinsend auf. »So, und jetzt werd' ich Samantha vögeln. He! Willst du mitmachen? Zwei Hengste wie wir -wenn wir uns die Kleine gleichzeitig vornehmen, bis das Miststück nur noch ein Haufen Sülze ist, fleht sie um Gnade. Wie wär's?«

Vince war für die gespenstische grüne Beleuchtung dankbar, weil sie verbarg, daß er bleich wurde wie ein Gespenst.

Die Vorstellung, es mit dieser infizierten Schlampe zu treiben, dieser verseuchten Hure, diesem durch und durch verfaulten

Drecksstück, reichte aus, in ihm Übelkeit zu erzeugen. »Ich habe eine Verabredung, die ich einhalten muß«, sagte er.

»Schade«, sagte Johnny.

Vince zwang sich zu sagen: »War' richtig ein Spaß gewesen.«

»Vielleicht nächstesmal.«

Allein die Vorstellung, daß sie alle drei... nun, Vince fühlte sich unrein. Ein überwältigender Drang nach einer dampfendheißen Dusche überkam ihn.

6

Es war Sonntagabend, Travis war von dem langen Tag in Sol-vang angenehm müde und dachte, er werde in dem Augenblick einschlafen, da er den Kopf auf das Kissen legte. Doch es war nicht so. Er konnte einfach nicht aufhören, über Nora Devon nachzudenken. Die grauen Augen mit den grünen Lichtern. Das glänzendschwarze Haar. Die feine schlanke Linie des Halses. Der wohltuende Klang ihres Lachens und die Art und Weise, wie sich beim Lächeln ihre Mundwinkel verzogen. Einstein lag auf dem Boden, im fahlsilbernen Licht, das durchs Fenster drang und nur einen kleinen Teil des ansonsten im Dunkel liegenden Zimmers schwach erhellte. Nachdem Travis sich eine Stunde lang im Bett herumgewälzt hatte, sprang der Hund schließlich zu ihm aufs Bett und legte seinen breiten Kopf und seine Vorderpfoten auf Travis' Brust.

»Sie ist so süß, Einstein. Ich habe noch selten jemanden kennengelernt, der so sanft und so süß ist.«

Der Hund blieb stumm.

»Und klug ist sie. Sie hat einen scharfen Verstand, schärfer, als ihr bewußt ist. Sie sieht Dinge, die ich nicht sehe. Sie hat eine Art, Dinge zu beschreiben, die diese frisch und neu erscheinen lassen. Die ganze Welt kommt mir frisch und neu vor, wenn ich sie mit ihren Augen sehe.«

Obwohl Einstein ruhig und stumm dalag, war er nicht eingeschlafen. Er war äußerst wachsam.

»Wenn man daran denkt, daß all die Lebenskraft, all die Intelligenz und Liebe zum Leben dreißig Jahre lang unterdrückt worden sind, könnte man weinen. Dreißig Jahre in diesem finsteren alten Haus. Du lieber Gott! Wenn ich daran denke, daß sie das all die Jahre erduldet hat und doch nicht verbittert geworden ist, möchte ich sie an mich drücken und ihr sagen, was für eine unglaubliche Frau sie ist, was für eine starke, mutige, unglaubliche Frau.«

Einstein gab keinen Laut von sich und blieb unbewegt liegen.

Lebhaft erinnerte Travis sich an den sauberen Shampoogeruch von Noras Haar, den er wahrgenommen hatte, als er sich vor dem Schaufenster einer Gemäldegalerie in Solvang zu ihr beugte. Er atmete tief ein, und da war der Geruch tatsächlich wieder, und der Duft beschleunigte seinen Herzschlag. »Verdammt«, sagte er. »Jetzt kenne ich sie seit ein paar Tagen, aber ich will verdammt sein, wenn ich nicht angefangen habe, mich in sie zu verlieben.«

Einstein hob den Kopf und wuffte, als wollte er sagen, es sei ja auch an der Zeit, daß Travis begriffe, was da geschehe. Er habe sie zusammengebracht, rechne sich ihr zukünftiges Glück als Verdienst an, und das alles sei Teil eines großen Plans. Travis solle doch aufhören, sich darüber Gedanken zu machen und sich einfach im Strom treiben lassen.

Travis redete noch eine ganze Stunde lang über Nora, wie sie aussah, sich bewegte, über den Klang ihrer weichen Stimme, ihre einmalige Art, das Leben zu betrachten und überhaupt ihre Art zu denken. Und Einstein hörte aufmerksam und echt interessiert zu, wie es sich für einen wahren, besorgten Freund gehörte. Diese Stunde gab ihm Auftrieb. Travis hatte nicht geglaubt, daß er wieder Liebe empfinden können würde, weder für einen Menschen noch ganz allgemein, und ganz bestimmt nicht so intensiv. Noch vor weniger als einer Woche war ihm seine Einsamkeit als etwas Unbesiegbares vorgekommen.

Später, nun körperlich wie seelisch ausgelaugt, schlief Travis ein.

Noch später, im hohlen Herzen der Nacht, wurde er halbwach und nahm benommen wahr, daß Einstein am Fenster war. Die Vorderpfoten des Retrievers lagen auf dem Fenstersims, er hatte die Schnauze gegen das Glas gepreßt und starrte in die Dunkelheit hinaus, wachsam.

Travis spürte die Unruhe des Hundes.

Aber in seinem Traum hatte er Noras Hand gehalten, unter dem Herbstmond, und er wollte nicht ganz wach werden, aus Angst, er könnte nicht mehr zu diesem angenehmen Fantasiebild zurückfinden.

7

Am Montagmorgen, dem 24. Mai, fanden sich Lemuel Johnson und Cliff Soames in dem kleinen Zoo - eigentlich mehr ein Tiergarten für Kinder - in der ausgedehnten Gemeinde Irvine Park am östlichen Rand des Orange County ein. Die Sonne stand grell und heiß am wolkenlosen Himmel. Auf den mächtigen Eichen regte sich kein Blatt in der unbewegten Luft, aber Vögel schwebten von Ast zu Ast, trillerten und fiepten.

Zwölf Tiere waren tot. Sie lagen gleich blutigen Haufen da. Während der Nacht war jemand oder etwas über die Zäune in die Pferche geklettert und hatte drei junge Ziegen, eine weißschwänzige Hirschkuh und ihr gerade zur Welt gekommenes Kitz, zwei Pfauen, einen Feldhasen, ein Mutterschaf und zwei Lämmer hingeschlachtet.

Dann war noch ein Pony tot, wenngleich es nicht so zugerichtet war wie die anderen. Offenbar war es aus Angst gestorben, als es sich wiederholt gegen den Zaun warf, im Versuch, vor dem zu fliehen, was die anderen Tiere angriff. Es lag auf der Seite, sein Hals war in unwahrscheinlichem Winkel verdreht.

Die Wildschweine waren unversehrt geblieben. Sie gruben schnaubend und schniefend in der staubigen Erde rund um den Futtertrog in ihrem separierten Pferch und suchten nach Futter, das vielleicht gestern verschüttet worden war und ihnen bis jetzt entgangen sein mochte.

Die anderen Überlebenden waren im Gegensatz zu den Wildschweinen nervös.

Die Angestellten des kleinen Parks - ebenfalls nervös -hatten sich in der Nähe eines orangefarbenen Lastwagens versammelt, der dem Bezirk gehörte. Sie redeten mit zwei Beamten der Tierbehörde und einem jungen, bärtigen Biologen vom kalifornischen Naturschutz.

Lem kauerte neben dem zarten, übel zugerichteten Rehkitz und studierte die Wunden an seinem Hals, bis er den Gestank nicht länger ertragen konnte. Aber nicht alle üblen Gerüche kamen von den toten Tieren. Es gab deutliche Hinweise, daß der Killer seine Opfer, so wie auch in Dalbergs Hütte, mit Kot und Urin bespritzt hatte: Lem drückte sich ein Taschentuch als Filter gegen die Nase und trat neben einen toten Pfau. Der Kopf war dem Tier abgerissen worden, ebenso ein Bein. Die beiden gestutzten Flügel waren gebrochen, die irisierenden Federn stumpffarben und mit Blut besudelt.