Выбрать главу

»Ja, ganz richtig.«

»Nun«, meinte sie, »vielleicht brauchen wir Bücher mit Abbildungen, auf die er reagieren kann. Wenn wir vielleicht alle möglichen Bücher und Zeitschriften mit Bildern besorgen und sie auf dem Boden ausbreiten und mit Einstein arbeiten, finden wir vielleicht einen Weg, uns mit ihm zu verständigen.«

Der Retriever sprang auf und trottete geradewegs auf Nora zu. Sein wacher Blick ließ Nora erkennen, daß ihr Vorschlag gut war. Morgen würde sie ein paar Dutzend Bücher und Zeitschriften besorgen und den Plan in die Tat umsetzen.

»Es wird viel Geduld erfordern«, warnte Travis sie.

»Ich habe einen Ozean voll Geduld.«

»Das glauben Sie vielleicht. Aber wenn man sich mit Einstein abgibt, bekommt das Wort manchmal eine völlig neue Bedeutung.«

Der Hund drehte sich zu Travis herum und blies die Luft durch die Nasenlöcher.

Die Aussicht auf direktere Kommunikation erschien während der ersten paar Sitzungen mit dem Hund am Mittwoch und Donnerstag recht trübe, aber der große Durchbruch sollte nicht lange auf sich warten lassen. Am Freitagabend, dem 4. Juni, fanden sie den Weg. Und danach war ihr Leben nie mehr wie vorher.

2

»... Schreie aus nicht fertiggestellter Reihenhausanlage in Bordeaux Ridge gemeldet... «

Freitagabend, 4. Juni, eine knappe Stunde vor Einbruch der Nacht. Die Sonne warf ihr gold- und kupferfarbenes Licht auf Orange County. Es war der zweite Tag mit Temperaturen über dreißig Grad, und die Gebäude und das Straßenpflaster gaben die aufgestaute Hitze des langen Sommertages ab. Die Bäume schienen müde dahinzuwelken. Kein Lüftchen rührte sich. Auf den Autobahnen und Landstraßen war der Verkehrslärm gedämpft, als würde die dicke Luft das Dröhnen der Motoren und das Schrillen der Hupen filtrieren.

»... wiederhole, Bordeaux Ridge, das Baugebiet im Osten ...« In den sanften Hügeln im Nordosten, in einem erst teilweise erschlossenen Gebiet, gleich neben Yorba Linda, das der Vorortsbrei erst vor kurzem erreicht hatte, war wenig Verkehr.

Das gelegentliche Schrillen einer Hupe oder das Quietschen von Bremsen klang in der feuchten Stille nicht nur gedämpft, sondern eigenartig klagend und melancholisch.

Die beiden Hilfssheriffs Teel Porter und Ken Dimes saßen in einem Streifenwagen. Teel fuhr, Ken saß daneben. Das Lüftungssystem war ausgefallen, keine Klimaanlage, und nicht einmal der Ventilator funktionierte. Die Fenster waren offen, trotzdem war es im Wagen wie in einem Backofen.

»Du stinkst wie ein totes Schwein«, verkündete Teel Porter seinem Partner.

»Jaah? Und du gehst mit toten Schweinen aus.«

Ken lächelte trotz der Hitze. »Tatsächlich? Nun, deine Mädchen sagen, daß du Liebe machst wie ein totes Schwein.«

Ihr müder Humor konnte die Tatsache nicht verdecken, daß sie müde waren und sich nicht besonders fühlten. Und sie gingen einem Anruf nach, der nicht besonders viel Abwechslung versprach: wahrscheinlich spielende Kinder; Kinder spielten gern auf Bauplätzen. Die beiden Hilfssheriffs waren zweiunddreißig, kräftig gebaute ehemalige Footballspieler. Sie waren keine Brüder - aber nach sechs Jahren als Partner im Dienst waren sie Brüder.

Teel bog von der Bezirksstraße in eine leicht geölte Schotterstraße ein, die in das Baugebiet von Bordeaux Ridge führte. Etwa vierzig Häuser waren in unterschiedlichem Bauzustand zu erkennen. Die meisten standen noch im Holzgerüst, aber ein paar waren bereits verputzt.

»Da hast du wieder den Scheiß, auf den die meisten Leute reinfallen«, sagte Ken. »Es ist wirklich nicht zu glauben. Ich meine, verdammt noch mal, was ist denn >Bordeaux< für ein Name für ein Reihenhausgebiet in Südkalifornien? Wollen die einem weismachen, daß es hier eines Tages Weinberge geben wird? Und dann nennen sie es noch >Ridge<, dabei ist die ganze Anlage auf Land gebaut, das so flach ist wie ein Brett. Die Bautafel verspricht Ruhe und Beschaulichkeit. Jetzt mag das ja vielleicht stimmen. Aber was ist dann, wenn die hier in den nächsten fünf Jahren weitere dreitausend Häuser aus dem Boden stampfen?«

Teel pflichtete ihm bei. »Jaah. Aber was mich wild macht, ist das Wort >Mini-Landsitz<. Was, zur Hölle, ist ein Mini-Landsitz? Keiner, der seinen Verstand beisammen hat, wird das hier für einen Landsitz halten - höchstens vielleicht Russen, die ihr ganzes Leben zu zwölft in einem Apartment verbracht haben. Das hier sind Reihenhäuser und sonst gar nichts.«

Die Bürgersteige aus Beton und die Rinnsteine entlang der Straßen von Bordeaux Ridge waren bereits gegossen, aber das Straßenpflaster noch nicht gelegt. Teel fuhr langsam, bemüht, möglichst wenig Staub aufzuwirbeln, wirbelte aber trotzdem welchen auf. Er und Ken sahen sich die skelettartigen Gerüste zu beiden Seiten an und hielten nach Schabernack treibenden Kindern Ausschau.

Im Westen, am Rande von Yorba Linda und direkt an Bordeaux Ridge angrenzend, gab es fertige Reihenhäuser, die bereits bewohnt waren. Von dort war auch der Anruf bei der Polizei von Yorba Linda gekommen, daß irgendwo in dieser embryonalen Anlage jemand geschrien habe. Da die Gegend noch nicht von Yorba Linda annektiert worden war, fiel die Anzeige in den Zuständigkeitsbereich des Sheriffs.

Am Ende der Straße sahen die zwei Hilfssheriffs einen weißen Pick-up jener Gesellschaft stehen, der Bordeaux gehörte: Tulemann Brothers. Er parkte vor drei fast fertiggestellten Musterhäusern.

»Sieht aus, als ob noch ein Vorarbeiter da ist«, meinte Ken.

»Oder vielleicht der Nachtwächter, der seinen Dienst etwas früher angetreten hat«, sagte Teel.

Sie parkten hinter dem Kleinlaster, stiegen aus dem brü-tendheißen Streifenwagen und standen einen Augenblick lauschend da. Stille.

Ken schrie: »Hallo? Ist jemand da?«

Seine Stimme hallte durch das verlassene Baugebiet.

»Willst du dich umsehen?« frage Ken.

»Scheiße. Nein«, sagte Teel. »Aber tun wir's trotzdem.«

Ken glaubte noch immer nicht, daß etwas in Bordeaux Ridge nicht stimme. Vielleicht hatten die den Pick-up einfach stehenlassen. Schließlich lag auch anderes Gerät über Nacht hier: ei-ne Planierraupe auf einem Sattelschlepper und ein kleiner Motorpflug. Es war noch immer wahrscheinlich, daß die Schreie von spielenden Kindern stammten.

Sie holten sich Taschenlampen aus dem Streifenwagen, weil es in den Rohbauten noch keine Lampen oder Deckenbeleuchtungen gab, auch wenn die Anlage bereits an das Stromnetz angeschlossen war.

Ken und Teel rückten sich die Revolvergurte zurecht, mehr aus Gewohnheit und nicht, weil sie dachten, sie würden Waffen brauchen, dann gingen sie durch das ihnen am nächsten liegende, teilweise fertiggestellte Haus. Sie hielten nach nichts Bestimmtem Ausschau, sondern taten das, was sie taten, einfach routinemäßig, wie es bei der Hälfte aller Polizeiarbeit der Fall war.

Eine schwache, unregelmäßige Brise kam auf, die erste an diesem Tag, und blies kleine Geister aus Sägemehl durch die wandlosen Seiten des Hauses. Die Sonne sank schnell westwärts, die Mauerpfosten warfen Schatten wie die Gitterstangen eines Gefängnisses. Das letzte Tageslicht, das jetzt von Gold in ein Schlammigrot umschlug, ließ die Luft sanft erglühen, ein Glühen, wie es vor einer offenen Ofentür entsteht.

Der aus Beton gegossene Boden war mit Nägeln übersät, die in dem feurigen Licht glitzerten und unter ihren Schritten klirrten.

»Für hundertachtzigtausend Kröten«, sagte Teel und leuchtete mit dem Lichtkegel seiner Taschenlampe in schwarze Ek-ken, »würd' ich mir etwas größere Räume erwarten als die hier.« Ken atmete tief die nach Sägemehl riechende Luft ein und sagte: »Zum Teufel, ich würde Zimmer groß wie eine Flughafenhalle erwarten.«

Sie verließen das Haus durch den Hinterausgang und betraten einen engen Hinterhof, wo sie ihre Taschenlampen ausknipsten. Die kahle, trockene Erde war noch nicht vom Gärtner bearbeitet worden und mit Bauabfall bedeckt: Holzstücke, Brocken zerbrochenen Betons, zerknüllte Dachpappestreifen, Draht, nochmals Nägel, PVC-Rohrstücke, Zedernschindeln, die die Dachdecker weggeworfen hatten, Plastikbechcr und Big-Mac-Behälter, leere Cola-Dosen und sonstiger, weniger leicht identifizierbarer Müll.