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Ken Dimes war vier Schritte von der Vordertür entfernt, als er Teel schreien hörte. Ein Schrei der Überraschung, der Furcht, des Schmerzes.

»Scheiße!«

Es waren Doppeltüren, eichenfarbig eingelassen. Die rechte war mit Riegeln an Schwelle und Rahmen befestigt, während die zur Linken beweglich war - und nicht versperrt. Ken rannte hinein, kurz jede Vorsicht in den Wind schlagend, und blieb dann im düsteren Vorraum stehen.

Das Schreien war bereits verstummt.

Er schaltete seine Taschenlampe ein. Leeres Wohnzimmer zur Rechten. Leeres Arbeitszimmer zur Linken. Eine Treppe, die ins Obergeschoß führte. Nirgends jemand zu sehen.

Stille. Völlige Stille. Wie in einem Vakuum.

Einen Augenblick lang zögerte Ken, nach Teel zu rufen, aus Furcht, damit dem Killer seine Position zu verraten. Dann wurde ihm klar, daß die Taschenlampe, ohne die er keinen Schritt weitergehen konnte, ihn ohnedies verriet; ob er Geräusche machte oder nicht, hatte nichts zu besagen.

»Teel!«

Der Name hallte durch die leeren Räume.

»Teel, wo bist du?«

Keine Antwort.

Teel mußte tot sein. Herrgott. Wenn er noch lebte, würde er antworten.

Aber vielleicht war er nur verletzt oder bewußtlos, verwundet und im Begriff zu sterben. In dem Fall war es vielleicht am besten, wenn er zum Streifenwagen zurückging und eine Ambulanz herbeirief.

Nein. Wenn sein Partner tatsächlich in Not war, dann mußte Ken ihn schnell finden und Erste Hilfe leisten. Teel könnte in der Zeit sterben, derer es bedurfte, um eine Ambulanz zu rufen. Das Risiko, Zeit zu verlieren, war zu groß.

Außerdem mußte er sich um den Killer kümmern.

Nur ganz schwaches rauchig-rotes Licht kam jetzt durch die Fenster; der Tag war im Begriff, von der Nacht verschlungen zu werden. Ken mußte sich ganz auf die Taschenlampe verlassen, was nicht ideal war, denn jedesmal, wenn der Lichtkegel sich bewegte, sprangen Schatten, sausten wieder und schufen so die Illusion von Angreifern, unechten Angreifern, die ihn von der echten Gefahr ablenken konnten.

Die Haustür weit offenstehen lassend, schlich er durch den engen Gang, der zum hinteren Teil des Hauses führte. Er hielt sich dicht an der Wand. Eine seiner Schuhsohlen quietschte bei fast jedem Schritt. Er hielt den Revolver mit dem Lauf nach vorne, nicht gegen Boden oder Decke gerichtet, weil ihm, zumindest für den Augenblick, gestohlen bleiben konnte, was man ihnen über den richtigen Umgang mit Waffen beigebracht hatte.

Zur Rechten stand eine Tür offen. Eine Kammer. Leer.

Der Geruch seines eigenen Schweißes überdeckte jetzt den Geruch von Mörtel und Ölfarbe.

Er kam zu einer Toilette, zur Linken. Sein Lichtkegel huschte durch den Raum und ließ nichts Ungewöhnliches erkennen, wenn ihn auch sein eigenes angsterfülltes Gesicht erschreckte, das der Wandspiegel ihm zurückwarf.

Der hintere Teil des Hauses - Wohnzimmer, Eßbereich, Küche - lag direkt vor ihm, und zu seiner Linken gab es eine weitere Tür, die offenstand. Im Schein seiner Taschenlampe, die plötzlich in seiner Hand heftig zu wackeln begann, sah Ken auf dem Boden einer Wäschekammer Teels Körper liegen und so viel Blut, daß es keinen Zweifel mehr geben konnte. Er war tot.

In den Wogen der Angst, die sein Bewußtsein überschwemmten, gab es Unterströmungen von Leid, Wut, Haß und dem wilden Begehren nach Rache.

Hinter Ken war ein Stampfen zu hören.

Er stieß einen Schrei aus und wirbelte herum, um sich der Drohung zu stellen.

Aber der Gang rechts von ihm und das Frühstückszimmer zu seiner Linken waren beide verlassen.

Das Geräusch war vom vorderen Teil des Hauses gekommen. Noch während das Echo verhallte, wußte er, was er gehört hatte: Die vordere Tür war geschlossen worden.

Ein weiteres Geräusch durchbrach die Stille, nicht so laut wie das erste, aber entnervender: das Klack, mit dem das Türschloß einhakte.

Hatte der Killer das Haus verlassen und die Tür von außen mit einem Schlüssel versperrt? Aber woher sollte er den Schlüssel haben? Von dem Vorarbeiter, den er ermordet hatte? Und warum sollte er sich die Zeit nehmen, abzusperren?

Es war eher wahrscheinlich, daß er die Tür von innen versperrt hatte, nicht nur um Ken am Entkommen zu hindern, sondern auch um ihn wissen zu lassen, daß die Jagd noch im Gange war.

Ken überlegte, ob er die Taschenlampe ausschalten sollte, weil sie für den Feind ein leichtes Ziel war. Aber unterdessen hatte das Zwielicht an den Fenstern purpurgraue Farbe angenommen und reichte nicht mehr ins Haus hinein. Ohne die Taschenlampe würde er blind sein.

Wie, zum Teufel, fand sich der Killer in dieser beständig zunehmenden Dunkelheit zurecht? War es möglich, daß die Nachtsichtigkeit eines PCP-Junkies besser wurde, wenn er high war, ebenso wie seine Stärke als Nebeneffekt des Engelstaubs zu der von zehn Männern anwuchs?

Das Haus war totenstill.

Er stand mit dem Rücken zur Korridorwand.

Er konnte Teels Blut riechen, ein irgendwie metallischer Geruch.

Klick, klick, klick.

Ken erstarrte, lauschte mit angespannten Sinnen, aber nach diesen drei rasch aufeinanderfolgenden Geräus chen hörte er nichts mehr. Es hatte wie schnelle Schritte auf Beton geklungen, wie von jemandem mit Stiefeln oder mit harten Lederabsätzen - oder mit beschlagenen Schuhen.

Die Geräusche hatten so plötzlich eingesetzt und wieder aufgehört, daß er nicht hatte feststellen können, woher sie kamen. Dann hörte er sie wieder - klick, klick, klick - diesmal vier, und zwar im Vorraum, sie bewegten sich in seine Richtung, auf den Korridor zu, in dem er stand.

Er stieß sich sofort von der Wand ab und drehte sich herum, dem Widersacher zugewendet, duckte sich und streckte Taschenlampe und Revolver in die Richtung, aus der er die Schritte gehört hatte. Aber der Korridor war verlassen.

Mit offenem Munde atmend, um das Geräusch seines schnellen Atems zu reduzieren, aus Sorge, er könnte damit die Bewegungen des Feindes übertönen, schob Ken sich durch den Gang in den Vorraum. Nichts. Die Haustür war tatsächlich geschlossen, aber das Arbeitszimmer und das Wohnzimmer und Treppe und Galerie darüber waren verlassen.

Klick, klick, klick, klick.

Die Geräusche kamen jetzt aus einer völlig anderen Richtung, aus dem hinteren Teil des Hauses, dem Eßbereich. Der Killer war lautlos aus dem Vorraum geflohen, quer durch Wohnzimmer und Eßzimmer, in die Küche, den Eßraum, war quer durchs Haus in Kens Rücken gelangt. Jetzt drang der Schweinehund in den Flur ein, den Ken gerade verlassen hatte. Und obwohl der Bursche lautlos durch die anderen Räume gehuscht war, machte er jetzt wieder diese Geräusche, offensichtlich nicht, weil er sie machen mußte, weil seine Schuhe bei jedem Schritt klickten, so wie Kens Schuhe quietschten, sondern weil er es so wollte, weil er Ken herausfordern wollte, weil er sagen wollte: He, ich bin hinter dir, und jetzt komme ich, ob du bereit bist oder nicht. Jetzt komme ich.

Klick, klick, klick.

Ken Dimes war kein Feigling. Er war einer von den guten Bullen, der nie vor einem Ärger Reißaus nahm. In den nur sieben Jahren, die er jetzt im Polizeidienst war, hatte er zwei Belobigungen wegen Tapferkeit erhalten. Aber dieser gesichtslose, auf wahnsinnige Art gewalttätige Hurensohn, der in völliger Dunkelheit durch das Haus schlich, lautlos, wenn er das wollte, und herausfordernd Geräusche produzierte, wenn es ihm paßte - der machte Ken Angst und erschreckte ihn. Und obwohl Ken genauso mutig war wie jeder andere Bulle, war er doch kein Narr. Nur ein Narr würde tollkühn in eine Situation hineinrennen, die er nicht überschaute.