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Eine Automobilanzeige faszinierte Einstein, in der das Fahrzeug, das mit einem mächtigen Tiger verglichen wurde, in einem eisernen Käfg eingesperrt gezeigt wurde. Ob es nun der Wagen war, oder der Tiger, der sein Interesse erweckte, war nicht klar. Auch auf einige Computeranzeigen reagierte er, auf Anzeigen für Alpo und Purina-Hundefutter, auf eine Anzeige für einen tragbaren Stereo-Kassettenspieler, auf Bilder von Büchern, Schmetterlingen, einem Papagei, einem verzweifelten Mann in einer Gefängniszelle, vier jungen Leuten, die mit einem gestreiften Wasserball spielten, Mickey Mouse, einer Violine, einem Mann auf einem Tretwerk und vielen anderen Dingen. Die Fotografie eines Golden Retrievers machte ihn unruhig, das Bild eines Cockerspaniels versetzte ihn in hochgradige Erregung, aber eigenartigerweise zeigte er für andere Hunderassen wenig oder gar kein Interesse.

Seine stärkste - und verblüffendste - Reaktion zeigte er bei einem Foto in einem Zeitschriftenartikel über einen in Vorbereitung befindlichen Film der 20th Century-Fox. Der Film Handelte von übernatürlichen Dingen - Gespenstern, Poltergeistern, aus der Hölle emporgestiegenen Dämonen -, und las Foto, das ihn in Aufregung versetzte, zeigte eine dämonartige Erscheinung mit mächtigen Kinnbacken, bösen Fangzähnen und glühenden Augen. Die Kreatur war nicht scheußlicher als die anderen im Film, sogar weniger scheußlich, und doch zeigte Einstein nur bei ihr Wirkung.

Der Retriever bellte die Fotografie an. Er rannte hinter das Sofa und spähte dann hervor, als dächte er, die Kreatur könnte aus dem Bild steigen und seine Verfolgung aufnehmen. Er bellte wieder, winselte, und man mußte ihm gut zureden, damit er zur Zeitschrift zurückkäme. Als Einstein den Dämon das zweitemal sah, knurrte er drohend. Er kratzte mit der Pfote an dem Magazin, riß und zerrte an den Seiten, bis die Zeitschrift leicht zerfetzt, aber geschlossen war.

»Was ist denn an dem Bild so besonders?« fragte Nora den Hund.

Einstein starrte sie bloß an - und zitterte leicht.

Geduldig öffnete Nora das Magazin, so daß dieselbe Seite zu sehen war.

Einstein schloß es wieder.

Nora öffnete es.

Einstein schloß es das dritte Mal, schnappte es sich und trug es aus dem Raum.

Travis und Nora folgten dem Retriever in die Küche, wo sie ihn dabei beobachteten, wie er geradenwegs auf den Abfalleimer zuging. Der Abfalleimer war eines jener Modelle mit einem Pedal, das einen mit Scharnieren versehenen Deckel öffnete. Einstein setzte eine Pfote auf das Pedal, sah zu, wie der Deckel sich öffnete, ließ die Zeitschrift in den Eimer fallen und ließ das Pedal los.

»Was hat das zu bedeuten?« fragte sich Nora.

»Ich schätze, das ist ein Film, den er sich ganz bestimmt nicht anschauen möchte.«

»Unser persönlicher vierbeiniger Kritiker.«

Dieser Zwischenfall ereignete sich am Donnerstagnachmittag. Am frühen Freitagabend näherte sich Travis' Enttäuschung - und die des Hundes - dem kritischen Punkt.

Manchmal legte Einstein unheimliche Intelligenz an den Tag, dann benahm er sich wieder wie ein ganz gewöhnlicher Hund, und dieses Hin- und Herpendeln zwischen Hundegenie und Köter war für jeden entnervend, der zu begreifen suchte, wie er so klug sein konnte. Langsam glaubte Travis, es wäre am besten, den Retriever einfach als das zu akzeptieren, was er war: auf erstaunliche Kunststücke dann und wann vorbereitet zu sein, aber nicht damit zu rechnen, daß er die ganze Zeit dazu fähig sei. Höchstwahrscheinlich würde das Geheimnis von Einsteins ungewöhnlicher Intelligenz nie gelöst werden. Doch Nora blieb geduldig. Sie gab immer wieder zu bedenken, daß Rom schließlich auch nicht an einem Tag erbaut worden sei und jede nennenswerte Leistung Entschlossenheit, Hartnäckigkeit und Zeit erfordere.

Jedesmal, wenn sie zum Thema Standfestigkeit und Ausdauer loslegte, seufzte Travis müde - und Einstein gähnte.

Nora ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Nachdem sie die Bilder in sämtlichen Büchern und Magazinen angesehen hatten, wählte sie die aus, auf die Einstein reagiert hatte, breitete sie auf dem Boden aus und ermunterte den Hund, zwischen den einzelnen Bildern Verbindungen herzustellen.

»Das sind alles Bilder von Dingen, die in seiner Vergangenheit eine wichtige Rolle gespielt haben«, sagte Nora.

»Ich glaube nicht, daß wir dessen so sicher sein können«, wandte Travis ein.

»Nun, wir hatten ihn jedenfalls darum gebeten«, sagte sie.

»Wir hatten ihn gebeten, uns Bilder zu zeigen, die uns vielleicht etwas darüber sagen könnten, woher er kommt.«

»Aber versteht er das Spiel?«

»Ja«, sagte sie überzeugt.

Der Hund wuffte.

Nora hob Einsteins Pfote und legte sie auf das Foto der Violine. »Okay, Köter. Du erinnerst dich von irgendwo an eine Violine, und sie war irgendwie wichtig für dich.«

»Vielleicht ist er in der Carnegie Hall aufgetreten«, sagte Travis.

»Mund halten!« Und zum Hund gewendet, sagte Nora: »Also schön. Gibt es eine Verbindung zwischen der Violine und einem dieser Bilder? Gibt es irgendeine Verbindung zu einem anderen Bild, das uns verstehen hilft, was du mit der Violine verbindest?«

Einstein starrte sie einen Augenblick lang eindringlich an, als überlegte er, was ihre Frage bedeute. Dann durchquerte er das Zimmer, ging vorsichtig durch die engen Bahnen zwischen den Fotoreihen, schnüffelte, ließ den Blick nach links und nach rechts wandern, bis er die Anzeige für den Sony-Kassettenrecorder fand. Er legte eine Pfote darauf und sah Nora wieder an.

»Das ist eine naheliegende Verbindung«, sagte Travis. »Die Violine macht Musik, der Kassettenrecorder gibt die Musik wieder. Für einen Hund ist das eine eindrucksvolle Assoziation. Aber hat das wirklich auch sonst noch etwas zu bedeuten, etwas, was seine Vergangenheit betrifft?«

»Oh, da bin ich ganz sicher«, sagte Nora. Und zu Einstein gewendet: »Hat jemand in deiner Vergangenheit Violine gespielt?«

Der Hund starrte sie an.

»Hat dein letztes Herrchen einen Kassettenrecorder wie den da gehabt?« wollte sie wissen.

Der Hund starrte sie an.

»Vielleicht hat der Violinspieler in deiner Vergangenheit seine eigene Musik mit einem Kassettenrecorder aufgezeichnet?« fragte sie.

Der Hund blinzelte und winselte.

»Also gut«, sagte sie. »Gibt es hier noch ein Bild, das du mit der Violine und dem Kassettenrecorder in Verbindung bringen kannst?«

Einstein starrte einen Augenblick lang die Sony-Anzeige an, als müßte er nachdenken, ging dann in einen anderen Gang zwischen zwei weiteren Bilderreihen und blieb diesmal bei einem aufgeschlagenen Magazin stehen, das eine Anzeige für die Blue-Cross-Krankenversicherung zeigte; ein Arzt im weißen Mantel war am Bett einer jungen Mutter zu sehen, die ihr Baby im Arm hielt. Arzt und Mutter strahlten über das ganze Gesicht, das Baby blickte unschuldig und heiter wie das Christkind.

Nora kroch zu dem Hund hin und sagte: »Erinnert dich das Bild an die Familie, der du gehört hast?«

Der Hund starrte sie an.

»Hat es in der Familie, bei der du gelebt hast, eine Mutter, einen Vater und ein neues Baby gegeben?«

Der Hund starrte sie an.

Travis, der immer noch auf dem Boden saß und sich gegen das Sofa lehnte, sagte: »He, vielleicht haben wir es hier mit einem Fall von Reinkarnation zu tun. Vielleicht erinnert sich der alte Einstein daran, daß er in einem früheren Leben ein Arzt, eine Mutter oder ein Baby gewesen ist.«