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Er wußte, warum er so besessen war, jeden Fall erfolgreich abzuschließen, aber dieses Wissen half ihm nicht, seine Besessenheit loszuwerden.

Wir sind, was wir sind, dachte er, und vielleicht ist die einzige Chance, das zu ändern, dann, wenn das Leben uns eine Überraschung beschert, etwa so, als würde man mit einem Baseballschläger eine Scheibe einschlagen und damit den festen Griff der Vergangenheit zerschlagen.

Also starrte er in den grellen Julitag hinaus und brütete über seinen Problemen.

Im Mai hatte er vermutet, irgend jemand habe den Retriever aufgenommen und ihm ein Zuhause gegeben. Schließlich war er ein schönes Tier, und wenn er jemandem auch nur einen Bruchteil seiner Intelligenz offenbarte, war er geradezu unwiderstehlich. Er würde also bestimmt einen Zufluchtsort finden. Deshalb rechnete Lem damit, daß es wesentlich schwieriger sein würde, den Hund zu finden, als den Outsider aufzuspüren. Eine Woche, um den Outsider zu finden, hatte er gedacht, und vielleicht einen Monat, um den Retriever in die Hand zu bekommen.

Er hatte an jedes Tierheim und jeden Veterinär in Kalifornien, Nevada und Arizona Rundschreiben geschickt und eindringlich um Unterstützung bei der Auffindung des Golden Retrievers gebeten. In dem Rundschreiben behauptete er, das Tier wäre aus einem medizinischen Forschungslabor entkommen, in dem wichtige Krebsexperimente durchgeführt würden. Wenn der Hund nicht mehr wiederaufgefunden werde, so stand in dem Rundschreiben, bedeute das den Verlust von einer Million Dollar an Forschungsgeldern und unzähligen Stunden Arbeitszeit - und könnte ernstlich die Entwicklung eines Heilmittels für bestimmte bösartige Wucherungen behindern. Das Rundschreiben enthielt ein Foto des Hundes und den Hinweis, daß er innen am rechten Ohr eine Labortätowierung trage: die Nummer 33-9. In einem Begleitschreiben bat Lem nicht nur um Unterstützung, sondern auch um vertrauliche Behandlung. Die Aussendung war unterdessen alle acht Tage wiederholt worden, und ein Dutzend NSA-Agenten hatten nichts anderes getan, als Tierheime und Tierärzte in den drei Staaten anzurufen, um sicher sein zu können, daß man sich an das Flugblatt erinnerte und weiterhin nach einem Retriever mit einer Tätowierung Ausschau hielt.

Unterdessen konnte die eindringliche Suchaktion nach dem Outsider mit einigem Vertrauen auf wenig besiedelte Gebiete Deschränkt werden, weil er ohne Zweifel zögern würde, sich zu zeigen. Und die Gefahr, daß jemand ihn für so nett hielt, daß er ihn mit nach Hause nahm, bestand wirklich nicht. Außerdem, der Todesfährte, die der Outsider hinterließ, war leicht zu folgen.

Im Anschluß an die Morde in Bordeaux Ridge östlich von Yorba Linda war die Kreatur in die unbesiedelten Chino-Hügel geflohen. Von dort war er nach Norden gegangen und am 9. Juni am Ostrand des County Los Angeles aufgetaucht, wo seine Anwesenheit in dem halb ländlichen Diamond Bar auf-gefallen war. Bei der Tierbehörde des County Los Angeles waren zahlreiche - und hysterische - Berichte von Bewohnern von Diamond Bar bezüglich Angriffen wilder Tiere auf Haustiere eingegangen. Andere riefen die Polizei an, weil sie glaubten, das Gemetzel sei das Werk eines Verrückten. In zwei Nächten waren in Diamond Bar mehr als zwei Dutzend Haustiere in Stücke gerissen worden, und der Zustand der Kadaver ließ bei Lem keine Zweifel offen, daß der Outsider der Täter war. Dann blieb die Spur mehr als eine Woche eiskalt, bis zum Morgen des 18. Juni, als zwei junge Camper am Fuße des Johnstone Peak an der Südflanke des ausgedehnten Angeles National Forest berichteten, sie hätten etwas gesehen, von dem sie fest behaupteten, es stamme >aus einer anderen Welt<. Sie hätten sich in ihrem Wohnwagen eingeschlossen, aber das Geschöpf habe mehrere Male versucht, sich Zutritt zu verschaffen, und sei sogar so weit gegangen, ein Seitenfenster mit einem Stein einzuschlagen. Glücklicherweise hatten die beiden eine .32-Pistole im Wagen, und einer von ihnen eröffnete das Feuer auf den Angreifer und verjagte ihn damit. Die Presse behandelte die beiden Camper als zwei Verrückte, und in den Abendnachrichten machte der Moderator sich über die Geschichte lustig.

Lem glaubte dem jungen Paar. Auf einer Landkarte folgte er dem dünnbesiedelten Landkorridor, durch den der Outsider vermutlich von Diamond Bar in die Gegend des Johnstone Peak gelangt war: über die San Jose-Berge, durch den Bonelli-Park, zwischen San Dimas und Glendora hindurch und dann in die Wildnis; dazu war es nötig gewesen, drei Autobahnen, die die Gegend durchschnitten, zu überqueren. Aber wenn er sich nach Mitternacht fortbewegt hatte, wo es wenig oder gar keinen Verkehr gab, konnte er durchaus ungesehen geblieben sein. Lem verlegte hierauf die hundert Mann Marineabwehr in diesen Teil des Waldes, wo sie ihre Suche in Zivilkleidung in Dreier- und Vierergruppen fortsetzten.

Er hoffte, die jungen Leute hätten den Outsider wenigstens mit einem Schuß getroffen. Aber rund um ihr Lager war kein Blut zu finden gewesen.

Er fing an, die Befürchtung zu hegen, der Outsider könnte sich längere Zeit der Gefangennahme entziehen. Der Angeles National Forest nördlich der Stadt Los Angeles war entmutigend weitläufig.

»Fast so groß wie der ganze Staat Delaware«, sagte Cliff Soames, nachdem er die Gegend auf der Landkarte in Lems Büro abgemessen und das Areal ausgerechnet hatte. Cliff stammte aus Delaware. Er war relativ neu im Westen und kriegte immer noch das Staunen des Neuankömmlings angesichts der gigantischen Dimensionen in diesem Teil des Kontinents. Auch er war jung, mit der Begeisterungsfähigkeit der Jugend, und von fast gefährlichem Optimismus. Cliffs Erziehung war radikal anders gewesen als die Lems; er fühlte sich nicht auf einem Hochseil oder dem Risiko ausgesetzt, ein einziger Fehler, ein einziges Versagen könnte sein Leben zerstören. Manchmal beneidete Lem ihn deswegen.

Lem starrte Cliffs hingekritzelte Berechnungen an. »Wenn er in den San-Gabriel-Bergen Zuflucht sucht, sich dort von wilden Tieren ernährt und sich mit der Einsamkeit abfindet und nur gelegentlich auszieht, um seine Wut an den Leuten an der Peripherie des Reservats auszulassen ..., dann könnte es sein, daß man ihn nie findet.«

»Vergessen Sie nicht«, erinnerte Cliff ihn, »er haßt den Hund mehr, als er die Menschen haßt. Er will den Hund und hat die Fähigkeit, ihn ausfindig zu machen.«

»Das glauben wir.«

»Ob er wohl eine Existenz völlig in der Wildnis wirklich aushalten könnte? Ich meine, zugegeben, er ist zum Teil wild, aber dann ist er auch intelligent. Vielleicht zu intelligent, um sich mit einem anstrengenden Leben in so rauhem Gebiet abzufinden.«

»Vielleicht«, sagte Lem.

»Die werden ihn bald finden, oder er liefert uns selbst einen Hinweis auf seinen Aufenthaltsort«, prophezeite Cliff.

Das war der 18. Juni.

Als sie im Laufe der nächsten zehn Tage keine Spur des Outsiders fanden, waren die Kosten für den Einsatz von hundert Mann nicht mehr zu vertreten. Am 29. Juni schließlich mußte Lem die Marines abgeben, die man ihm zur Verfügung gestellt hatte, und sie auf ihre Stützpunkte zurückschicken.

Mit dem Ausbleiben neuer Entwicklungen stieg Cliffs Mut mit jedem Tag, er war immer bereiter, zu glauben, dem Outsi-der sei etwas widerfahren, er sei tot, und sie würden nie wieder von ihm hören.

Im selben Maße wuchs Lems Bedrücktheit. Er war sicher, er habe die Kontrolle über die Lage verloren, und der Outsider werde auf höchst dramatische Art wieder auftauchen und sich der Öffentlichkeit in Erinnerung bringen. Versagen.

Einziger Lichtblick war, daß die Bestie sich jetzt im County Los Angeles befand, außerhalb der Zuständigkeit von Walt Gaines. Wenn es weitere Opfer gab, würde Walt möglicherweise nicht einmal davon erfahren und man würde ihn nicht aufs neue dazu überreden müssen, sich aus dem Fall herauszuhalten.

Am Donnerstag, dem 15. Juli, genau zwei Monate nach dem Ausbruch von Banodyne und fast einen Monat nachdem ein mutmaßlicher Außerirdischer zwei Camper erschreckt hatte, war Lem überzeugt, er werde sich bald über eine andere berufliche Laufbahn Gedanken machen müssen. Niemand hatte behauptet, er sei dafür verantwortlich, wie die Dinge sich entwickelt hatten. Er stand unter Druck, aber unter keinem größeren Druck als bei anderen umfangreichen Ermittlungen. Tatsächlich sahen einige seiner Vorgesetzten das Ausbleiben weiterer Schreckensmeldungen im selben positiven Licht wie Cliff Soames. Aber in pessimistischen Anwandlungen malte Lem sich eine Zukunft als uniformierter Sicherheitswächter aus, der Nachtschicht in einem Lagerhaus schob und den einzig und allein die Wächteruniform und eine Messingplakette an seine Vergangenheit im Polizeidienst erinnerten.