»Nicht in Las Vegas. Ich kann dort anrufen und in einer Hochzeitskapelle in Vegas alle Vorbereitungen treffen. Wir können nächste Woche hinfahren und heiraten.«
Weinend und lachend sagte sie: »Ja, gut.«
»Großartig!« sagte Travis und grinste.
Einstein wedelte wie wild mit dem Schweif: Ja, ja, ja, ja, ja.
5
Am Mittwoch, dem vierten August, erledigte Vince Nasco im Auftrag der Tetragna-Familie aus San Francisco eine kleine Küchenschabe namens Lou Pantangela. Die Küchenschabe hatte sich bereit erklärt, den Kronzeugen zu spielen, und sollte im September vor Gericht gegen Angehörige der Tetragna-Or-ganisation aussagen.
Johnny der Draht Santani, Computerhacker der Mafia, hatte seine technischen Fähigkeiten eingesetzt, die Computer der Bundesbehörden angezapft und Pantangela ausfindig gemacht. Die Küchenschabe lebte unter dem Schutz zweier Marshals der Bundesbehörde in einem abgesicherten Haus, ausgerechnet in Redondo Beach, südlich von L.A. Es war vorgesehen, daß er nach seiner Zeugenaussage im Herbst eine neue Identität und eine neue Existenz in Connecticut bekäme; aber so lange würde er natürlich nicht leben.
Weil Vince, um an Pantangela heranzukommen, wahrscheinlich einen oder auch beide Marshals würde erledigen müssen, war es eine ziemlich heiße Sache, und deshalb boten die Tetragnas ihm ein sehr hohes Honorar an - 60.000 Dollar. Sie konnten nicht wissen, daß die Notwendigkeit, mehr als einen Mann zu töten, für Vince ein Bonus war und den Reiz des Auftrags - erhöhte, nicht etwa verminderte.
Er beobachtete Pantangela fast eine Woche lang und benutzte dabei jeden Tag ein anderes Fahrzeug, um nicht den Leibwächtern der Küchenschabe aufzufallen. Sie ließen Pantangela nicht oft hinaus, trotzdem vertrauten sie dem Unterschlupf mehr, als gut für sie war, und ließen ihn drei- oder viermal die Woche in der Öffentlichkeit ein spätes Mittagessen einnehmen, wozu sie ihn zu einer kleinen Trattoria, vier Straßen von dem Haus entfernt, begleiteten.
Sie hatten Pantangelas Aussehen so weit wie möglich verändert. Er hatte einmal dichtes schwarzes Haar gehabt, das er sich ziemlich lang über den Jackettkragen hatte wachsen lassen. Jetzt war sein Haar kurzgeschnitten und hellbraun gefärbt. Er hatte einen Schnurrbart gehabt, aber sie hatten ihn dazu veranlaßt, ihn abzurasieren. Er hatte dreißig Kilo Übergewicht gehabt, aber nach zwei Monaten in der Obhut der Marshals hatte er etwa zwanzig Kilo verloren. Nichtsdestoweniger erkannte Vince ihn.
Am Mittwoch, dem vierten August, brachten sie Pantangela wie stets um ein Uhr in die Trattoria. Um zehn nach eins schlenderte Vince in das Lokal, um ebenfalls zu Mittag zu essen.
Das Restaurant hatte nur acht Tische in der Mitte und sechs Nischen an jeder der beiden Seitenwände. Es sah recht sauber aus, enthielt aber für Vinces Geschmack zuviel italienischen Kitsch: rotweiß-karierte Tischtücher, schreiende Wandgemälde, römische Ruinen zeigend, leere Weinflaschen, die als Kerzenständer dienten, gut tausend Plastikweintrauben, die, Gott sei's geklagt, von einem an der Decke befestigten Gitter hingen und dem Lokal Gartenatmosphäre verleihen sollten. Da die Kalifornier dazu neigen, früh zu Abend zu essen, wenigstens nach den Begriffen der Ostküste, aßen sie auch früh zu Mittag, und um zehn nach eins hatte die Zahl der Gäste bereits ihren Höhepunkt überschritten und nahm ab. Um zwei würden wahrscheinlich die einzigen noch im Lokal verbliebenen Gäste Pantangela, seine zwei Leibwächter und Vince sein. Und damit war dies der ideale Ort für den Hit.
Die Trattoria war zu klein, für den Lunch eine eigene Platzanweiserin zu beschäftigen, und eine kleine Tafel forderte am
Eingang die Gäste auf, sich ihre Plätze selbst zu suchen. Vince ging durch das Lokal nach hinten, an Pantangela und seiner Begleitung vorbei und zu einer leeren Nische gleich dahinter. Vince hatte gründlich über seine Kleidung nachgedacht. Er trug Hanfsandalen, rote Baumwollshorts und ein weißes T-Shirt, auf dem blaue Wellen, eine gelbe Sonne und die Aufschrift CALIFORNIA zu sehen waren. Seine Fliegerbrille war undurchsichtig. Er trug eine offene Strandtasche aus Segeltuch, auf der in großen Lettern MEIN ZEUG zu lesen war. Schaute man im Vorbeigehen in die Tasche, sah man ein eingerolltes Handtuch, Flaschen mit Sonnenöl, ein kleines Radio und eine Haarbürste; die darunter versteckte vollautomatische, mit Schalldämpfer ausgestattete Uzi-Pistole mit vierzigschüs-sigem Magazin blieb einem verborgen. Mit seiner Sonnenbräune, die zum Rest seiner Ausstaffierung paßte, vermittelte er genau den Eindruck, den er wollte: der alternde Surfer, topfit, vom Nichtstun leicht verblödet, bemüht, jung auszusehen, der auch mit sechzig noch von sich selbst berauscht sein würde.
Er warf Pantangela und den Marshals einen desinteressierten Blick zu, merkte aber, daß sie ihn scharf musterten und dann als harmlos abtaten. Ausgezeichnet.
Die Nischen hatten hohe, gepolsterte Lehnen, so daß er von seinem Standort aus Pantangela nicht sehen konnte.
Aber hier und da konnte er die Küchenschabe und die Marshals reden hören, größtenteils über Baseball und Weiber.
Nach einer Woche Beschattung wußte Vince, weshalb Pantangela die Trattoria nie vor halb drei, gewöhnlich sogar erst um drei Uhr, verließ: weil er nämlich auf Vorspeise, Salat, Hauptgericht und Nachtisch bestand - die komplette Tour.
Das ließ Vince Zeit für einen Salat und Linguini mit Muschelsoße.
Die Kellnerin, die ihn bediente, war etwa zwanzig, weißblond, hübsch und ebenso braungebrannt wie Vince. Sie sah wie der Typ aus, der alles mitmacht, das typische Beachgirl, und tat auch gleich verliebt, während sie seine Bestellung aufnahm. Er vermutete in ihr eines jener Sandnymphchen, deren Gehirn von der Sonne ebenso verbrannt war wie ihr Körper. Wahrscheinlich verbrachte sie jeden Sommerabend am Strand, nahm Dope jeder Art und machte für jeden Hengst, der sie auch nur entfernt interessierte - und vermutlich interessier-ten die meisten sie - die Beine breit. Was wiederum bedeutete, daß sie, egal, wie gesund sie aussah, alle möglichen Krankheiten hatte. Die bloße Idee, es mit ihr zu treiben, erzeugte ihm bereits Brechreiz, aber er mußte die Rolle spielen, die er sich zugedacht hatte. Also flirtete er mit ihr und versuchte so zu wirken, als hätte er alle Mühe, beim Gedanken an ihren nackten, sich unter ihm windenden Körper nicht den Geifer zu verlieren.
Um fünf nach zwei war Vince mit seinem Lunch fertig, und die einzigen anderen Gäste im Lokal waren Pantangela und die zwei Marshals. Eine der Kellnerinnen war schon gegangen, die beiden anderen waren in der Küche. Besser hätte es nicht sein können.
Die Strandtasche stand neben ihm in der Nische. Er griff hinein und holte die Uzi-Pistole heraus.
Pantangela und die Marshals unterhielten sich gerade über die Chancen der Dodgers, diesmal in die Endrunde zu kommen.
Vince stand auf, umkreiste die Rückwand und besprühte sie mit zwanzig, dreißig Schuß aus der Uzi. Der stummelartige, hypermoderne Schalldämpfer funktionierte traumhaft, die Schüsse hörten sich an wie ein Stotterer, dem ein Wort, das mit einem Zischlaut beginnt, Schwierigkeiten macht. Alles lief so schnell ab, daß die Marshals keine Chance hatten, nach ihren Waffen zu greifen. Sie hatten nicht einmal Zeit, überrascht zu sein.
Sssnappp.
Sssnappp.
Sssnappp.
Pantangela und seine Beschützer waren innerhalb von drei Sekunden tot.
Vince schauderte vor Verzückung, einen Augenblick lang übermannte ihn die Fülle von Lebensenergie, die er soeben in sich aufgenommen hatte. Er konnte nicht sprechen. Dann sagte er mit heiserer, zitternder Stimme: »Danke.«
Als er sich von der Nische abwandte, sah er das Mädchen, das ihn bedient hatte, vor Schreck erstarrt mitten im Lokal stehen. Ihre geweiteten blauen Augen waren auf die toten Männer gerichtet, aber jetzt wanderte ihr Blick langsam zu Vince.