Выбрать главу

Sie setzte zum Reden an.

Travis schüttelte den Kopf und hob eine Hand an den Mund.

Sie biß sich auf die Unterlippe, ihr Blick wanderte zwischen ihm und dem toten Mann am Boden hin und her.

Während Travis lautlos durch den Unrat am Boden trat, überfiel ihn plötzlich die Angst, der Eindringling sei hinten hinausgegangen, käme jetzt außen um das Haus herum auf die Eingangstür zu, selbst auf die Gefahr hin, im Dämmerlicht von den Nachbarn gesehen zu werden, in der Absicht, blitzschnell hinter ihnen ins Haus zu kommen. Nora stand zwischen Travis und dem Eingang; er würde also kein klares Schußfeld haben, falls es auf diesem Weg hereinkam. Himmel, das Monster würde in Sekundenschnelle Nora packen. Bemüht, nicht in Panik zu geraten und nicht an Hockneys augenloses Gesicht zu denken, bewegte sich Travis jetzt schneller durch das Wohnzimmer, riskierte dabei, daß die Blätter unter seinen Füßen raschelten, hoffte, die Geräusche würden nicht in die Küche dringen, falls der Eindringling noch dort sein sollte. Jetzt hatte er Nora erreicht, packte sie am Arm und schob sie auf die Haustür zu, hinaus und die Stufen hinunter. Er blickte nach links und rechts, rechnete damit, daß der lebende Alptraum sie anspränge. Aber er war nirgends zu sehen.

Die Schüsse und Noras Rufe hatten die Nachbarn der ganzen Umgebung an die Haustüren geholt. Ein paar waren sogar vor ihre Häuser getreten. Ganz sicher hatte jemand auch die Polizei gerufen. Wegen Einsteins Status als vielgesuchter Flüchtling war die Polizei im Augenblick eine fast ebenso große Gefahr wie das gelbäugige Ding im Haus.

Die drei zwängten sich in den Pick-up. Nora verriegelte ihre Tür, Travis die seine. Er ließ den Motor an und fuhr den Wagen - mitsamt dem Anhänger - im Rückwärtsgang zurück auf die Straße. Er wußte, daß die Leute sie anstarrten.

Die Dämmerung würde hier, in Meereshöhe, nur von kurzer Dauer sein. Der sonnenlose Himmel war im Osten bereits schwarz, purpurn über ihnen und im Westen von einem beständig dunkler werdenden Blutrot. Travis war für den nahenden Schutz der Nacht dankbar, obwohl er wußte, daß die gelbäugige Kreatur dieses Schutzes ebenso teilhaftig wurde wie sie.

Er fuhr an den neugierig starrenden Nachbarn vorbei, von denen er in den Jahren seiner selbstauferlegten Einsamkeit keinen kennengelernt hatte, und bog an der ersten Ecke ab. Nora hielt Einstein fest an sich gedrückt, und Travis fuhr, so schnell der Wagen konnte. Der Wohnwagen hüpfte und tanzte hinter ihnen, als er die nächsten paar Kurven mit zu großer Geschwindigkeit nahm.

»Was ist dort drinnen passiert?« fragte sie.

»Es hat Hockney heute oder vielleicht auch gestern getötet... «

»Es?«

»... und gewartet, daß wir nach Hause kommen.«

»Es?« wiederholte sie.

Einstein winselte jämmerlich.

»Ich muß dir das später erklären«, sagte Travis. Dann fragte er sich, ob er es wohl würde erklären können. Keine Beschreibung, die er von dem Eindringling lieferte, würde der Wahrheit gerecht werden; er verfügte nicht über die Worte, das Fremdartige begreiflich zu machen.

Sie hatten höchstens acht Blocks zurückgelegt, als sie Sirenen aus der Richtung hörten, aus der sie kamen. Travis fuhr vier Straßen weiter und parkte auf dem leeren Parkplatz einer Schule.

»Was jetzt?« fragte Nora.

»Wir lassen den Wohnwagen und den Pick-up stehen«, sagte er. »Danach werden sie suchen.«

Er steckte den Revolver in ihre Handtasche. Sie bestand darauf, auch das Fleischermesser hineinzugeben, wollte es keineswegs zurücklassen.

Sie stiegen aus und gingen, während sich die Nacht herabsenkte, an der Schule entlang, über einen Sportplatz, durch ein Tor in einem Drahtzaun auf eine Wohnstraße hinaus, die von Bäumen gesäumt war.

Jetzt, da es Nacht geworden war, verstärkte sich die Brise zu heftigem Wind, heiß und trocken. Er blies ihnen ein paar ausgedörrte Blätter entgegen und jagte Staubteufel über das Pflaster.

Travis wußte, daß sie auch ohne Wohnwagen und Pick-up auffielen. Die Nachbarn würden den Polizisten sagen, sie sollten nach einem Mann, einer Frau und einem Golden Retrievcr Ausschau halten - ein Trio, dem man nicht gerade täglich be-gegnete. Man würde nach ihnen fahnden, um sie bezüglich des Todes von Ted Hockney zu verhören; also würde man die Suchaktion nach ihnen mit allem Nachdruck betreiben. Sie mußten schleunigst verschwinden.

Er hatte keine Freunde, bei denen sie Zuflucht suchen konnten. Nach dem Tode Paulas hatte er sich von seinen wenigen Freunden zurückgezogen und auch mit den Immobilienmaklern, die einmal für ihn tätig gewesen waren, keine Beziehungen aufrechterhalten. Nora hatte dank Violet Devon ebenfalls keine Freunde.

Die Fenster der Häuser, an denen sie vorbeikamen, waren zumeist erleuchtet, und das warme Licht, unerreichbare Zuflucht, schien ihrer zu spotten.

8

Garrison Dilworth wohnte an der grenze zwischen Santa Barbara und Montecito auf einem üppig angelegten Grundstück von zweitausend Quadratmetern in einem stattlichen Tudor-Bau, der nicht besonders gut zu der kalifornischen Flora paßte, dafür aber perfekt zu dem Anwalt. Als er ihnen die Tür öffnete, trug er schwarze Mokassins, graue Hosen, ein marineblaues Sportjackett, ein weißes Strickhemd und eine schildpattgefaßte Halbbrille, über die hinweg er sie überrascht, aber zum Glück nicht mißvergnügt musterte. »Ah, sieh mal an, das junge Paar!«

»Sind Sie allein?« fragte Travis, als er, Nora und Einstein die weitläufige, mit Marmor ausgelegte Halle betraten.

»Allein? Ja.«

Unterwegs hatte Nora Travis informiert, daß die Frau des Anwalts vor drei Jahren gestorben sei und sich jetzt eine Haushälterin namens Gladys Murphy um ihn kümmere.

»Mrs. Murphy?« fragte Travis.

»Sie ist schon nach Hause gegangen«, sagte der Anwalt und schloß die Tür hinter ihnen. »Sie sehen mitgenommen aus. Was, in aller Welt, ist passiert?«

»Wir brauchen Hilfe«, sagte Nora.

»Aber«, warnte Travis, »jemand, der uns hilft, könnte mit dem Gesetz in Konflikt kommen.«

Garrison hob die Brauen. »Was haben Sie angestellt? So wie Sie dreinsehen - nun, würde ich sagen. Sie haben den Präsidenten entführt.«

»Wir haben nichts Unrechtes getan«, versicherte ihm Nora. »Doch - das haben wir«, widersprach Travis. »Und wir tun es immer noch - wir gewähren dem Hund Unterschlupf.«

Verwirrt blickte Garrison mit gerunzelter Stirn auf den Retriever.

Einstein winselte, dabei gleichermaßen jämmerlich und liebenswert wirkend.

»Und in meinem Haus liegt ein Toter«, sagte Travis.

Garrisons Blick löste sich von dem Hund und wanderte zu Travis. »Ein Toter?«

»Travis hat ihn nicht getötet«, sagte Nora.

Garrison sah wieder Einstein an.

»Der Hund auch nicht«, sagte Travis. »Aber man wird mich sicherlich als wichtigen Zeugen haben wollen, ganz sicher sogar.«

»Hmmmm«, machte Garrison. »Warum gehen wir nicht in mein Arbeitszimmer und bringen da etwas Ordnung hinein?«

Er führte sie durch ein riesiges, nur halbbeleuchtetes Wohnzimmer und einen kurzen Flur in ein Arbeitszimmer mit reichlicher Teakvertäfelung und einer Kupferdecke. Die schweren Ledersessel und die Couch sahen teuer und bequem aus. Der polierte Teakschreibtisch war groß und schwer, auf einer der Ecken der Tischplatte stand ein genaues Modell eines fünfmastigen Schoners, der alle Segel gesetzt hatte. Seemännische Gegenstände - ein Schiffssteuerrad, ein Sextant aus Messing, ein mit Talg gefülltes Büffelhorn, in dem Nadeln steckten, wahrscheinlich Segelmachernadeln, sechs Arten von Schiffslaternen, die Glocke eines Rudergängers und Seekarten - dienten als Raumschmuck. Travis sah Fotos von einem Mann und einer Frau auf verschiedenen Segelbooten; der Mann war Garrison.