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Als die Blondine in die Dunkelkammer verschwand, um den Film zu entwickeln, traten Travis und Nora zu Van Dyne an die Computer, wo die beiden jungen Männer sich vergnügt ihrer Arbeit widmeten. Nora sah ihnen dabei zu, wie sie sich ohne Mühe Zugang zu den angeblich völlig sicheren Computern der kalifornischen Zulassungsbehörde, der Verwaltung der Sozialversicherung und zu anderen bundesstaatlichen und Regierungsbehörden verschafften.

»Als ich Mr. Van Dyne sagte, daß ich Papiere mit voller Dek-kung haben wolle«, erklärte Travis, »meinte ich, daß die Führerscheine einer Untersuchung standhalten müßten, falls wir je von einem Streifenbeamten aufgehalten würden und dieser sie überprüfte. Die Führerscheine, die wir jetzt bekommen. sind von echten nicht zu unterscheiden. Diese Burschen hier arbeiten unsere Namen in die Unterlagen der Zulassungsbehörde ein und erzeugen tatsächlich Computeraufzeichnungen dieser Führerscheine in den staatlichen Datenbänken.«

»Die Adressen sind natürlich falsch«, meinte Van Dyne. »Aber wenn Sie sich irgendwo unter Ihrem neuen Namen niederlassen, dann beantragen Sie bei der Zulassungsbehörde einfach eine Adressenänderung, wie es das Gesetz vorschreibt, und dann ist alles völlig legal. Wir richten es so ein, daß diese Führerscheine in etwa einem Jahr auslauten, und Sie gehen dann in ein Büro der Zulassungsbehörde, legen die übliche Prüfung ab und bekommen nagelneue, weil Ihre neuen Namen ja in den Akten enthalten sind.«

»Und wie lauten unsere neuen Namen?« wollte Nora wissen.

»Sehen Sie«, sagte Van Dyne mit der ruhigen Selbstsicherheit und Geduld des Aktienmaklers, der einem neuen Anleger die Gesetze des Marktes erklärt, »wir müssen mit den Geburtsurkunden anfangen. Wir führen Computerakten von Säuglingstodesfällen überall in den westlichen Vereinigten Staaten und mindestens über die letzten fünfzig Jahre. Wir haben diese Listen bereits nach den Jahren abgesucht, in denen Sie beide geboren sind, und versucht, gestorbene Babys zu finden, die Ihre Haar- und Augenfarbe hatten - und Ihre Vornamen, einfach, weil es für Sie einfacher ist, nicht auch die Vornamen zu wechseln. Wir fanden dabei ein kleines Mädchen, Nora Jean Aimes, das am zwölften Oktober des Jahres geboren wurde, in dem auch Sie zur Welt gekommen sind, und das einen Monat später hier in San Francisco gestorben ist. Wir haben einen Laserdrucker mit buchstäblich unbegrenzter Auswahl an Typen und Größen, womit wir bereits ein Faksimile der Art von Geburtsurkunde produziert haben, wie sie zu jener Zeit in San Francisco gebräuchlich waren. Diese Urkunde trägt den Namen und die wesentlichen Daten von Nora Jean. Wir werden zwei Xeroxkopien davon herstellen und sie Ihnen beide geben. Anschließend haben wir die Akten der SozialverSicherung angezapft und uns eine Nummer für Nora Jean Aimes besorgt, die natürlich nie eine hatte, und haben dann auch Aufzeichnungen über Beitragsleistungen an die Sozialversicherung geschaffen.« Er lächelte. »Sie haben bereits genügend eingezahlt, um die Anwartschaft auf eine Pension erworben zu haben. Außerdem hat die Steuerbehörde jetzt Computerakten, die beweisen, daß Sie in einem halben Dutzend Städten als Kellnerin gearbeitet und jedes Jahr korrekt Ihre Steuern bezahlt haben.«

Travis sagte: »Mit einer Geburtsurkunde und einer richtiggehenden Sozialversicherungsnummer konnten sie anschließend einen Führerschein besorgen, hinter dem eine echte Identität steht.«

»Dann bin ich Nora Jean Aimes? Aber wenn die Geburtsurkunde in den Akten ist, dann doch auch die Sterbeurkunde. Wenn jemand nachprüfen wollte ... «

Van Dyne schüttelte den Kopf. »In jenen Tagen waren sowohl Geburts- wie auch Sterbeurkunden ausschließlich Papierdokumente, keine Computerakten. Und weil die Regierung mehr Geld vergeudet, als sie vernünftig ausgibt, hat sie nie über die Mittel verfügt, die Aufzeichnungen aus der Vorcomputerzeit in elektronische Datenbanken zu übertragen. Wenn also jemand in bezug auf Sie argwöhnisch wird, kann er sich nicht einfach auf einem Computerbildschirm die Sterbeurkunden ansehen und in zwei Minuten auf die Wahrheit stoßen.

Man müßte vielmehr ein Gericht aufsuchen, dort die Akten des Leichenbeschauers für jenes Jahr durchgehen und Nora Jeans Sterbeurkunde ausheben. Aber dazu wird es nicht kommen, denn zu unserem Service gehört auch, daß Nora Jeans Sterbeurkunde aus den öffentlichen Archiven entfernt und vernichtet wird, da Sie ja jetzt ihre Identität gekauft haben.«

»Wir haben jetzt die Kreditauskunft angezapft«, sagte einer der beiden Spielberg-Doppelgänger sichtlich entzückt.

Nora sah Daten über die grünen Schirme huschen, aber nichts, was sie sah, war ihr auch nur entfernt verständlich.

»Jetzt erzeugen sie solide Kreditreferenzen für unsere neue Identität«, erklärte ihr Travis. »Wenn wir uns schließlich irgendwo niederlassen und unseren Adressenwechsel bei der Zulassungsbehörde und den anderen Behörden melden, wird unser Briefkasten mit Kreditkartenangeboten überflutet werden. Visa, Mastercard, wahrscheinlich auch American Express und Carte Blanche.«

»Nora Jean Aimes«, sagte sie etwas benommen, bemüht, zu erfassen, wie schnell und gründlich hier ihr neues Leben aufgebaut wurde.

Weil sie keinen Säugling finden konnten, der in Travis' Geburtsjahr gestorben war und seinen Vornamen trug, mußte er sich damit abfinden, künftig Samuel Spencer Hyatt zu sein, geboren im Januar jenes Jahres und im März desselben Jahres in Portland, Oregon, ums Leben gekommen. Der Tod würde aus den öffentlichen Akten gelöscht werden, und Travis' neue Identität auch gründlicher Untersuchung standhalten.

Einfach zum Spaß - wie sie sagten - erzeugten die bärtigen Computeroperateure für Travis Militärakten, wobei sie ihm sechs Jahre bei der Marineinfanterie zubilligten und ihm das Purple Heart verliehen sowie eine Anzahl Belobigungen wegen besonderer Tapferkeit während einer Friedensmission im Nahen Osten. Zu ihrem großen Vergnügen fragte er sie, ob sie ihm auch unter seinem neuen Namen eine gültige Immobilienmakler-Lizenz beschaffen könnten, worauf sie binnen fünfundzwanzig Minuten die entsprechenden Datenbanken anzapften und seinen Wunsch erfüllten.

»Plätzchenbacken«, sagte einer der jungen Männer. »Plätzchenbacken«, wiederholte der andere.

Nora runzelte die Stirn, begriff aber nicht.

»Stückchen Kuchen«, erklärte einer von ihnen.

»So einfach wie das Plätzchenbacken«, sagte der andere. »Plätzchenbackcn«, sagte Nora und nickte.

Jetzt kam die Blondine mit den Kupferpennyaugen zurück und brachte die Führerscheine mit Fotos von Travis und Nora. »Sie sind beide recht fotogen«, sagte sie.

Zwei Stunden und zwanzig Minuten nachdem sie Van Dynes Bekanntschaft gemacht hatten, verließen sie das >Hot Tips< mit zwei großen Umschlägen, die eine Vielzahl vo n Dokumenten enthielten, welche ihre neue Identität darstellten. Draußen auf der Straße fühlte Nora sich etwas benommen und hielt auf dem ganzen Weg zurück zum Wagen Travis' Arm fest.

Der Nebel hatte sich in die Stadt gewälzt, während sie im »Hot Tips< gewesen waren. Die Blitzlichter und die grellen Neonreklamen des Tenderloin wurden vom Nebel weichgezeichnet und auch seltsam vergrößert, so daß es schien, als wäre jeder Kubikzentimeter der Nacht voll von seltsamem Licht, einer Art Nordlicht, das bis auf die Erde herunterreichte. Die schäbigen, verkommenen Straßen waren nach Einbruch der Dunkelheit von einem gewissen Geheimnis, einem billigen Zauber umgeben - jedoch nur, wenn man sie vorher nicht bei Tageslicht gesehen hatte und wußte, wie sie da ausgesehen hatten.

Einstein wartete geduldig im Mercedes.

»Es ließ sich doch nicht machen, dich in einen Pudel zu verwandeln«, erklärte ihm Nora, während sie sich anschnallte.