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»Aber für uns selbst ist alles erledigt. Einstein, sag Hallo zu Sam Hyatt und Nora Aimes.«

Der Retriever legte den Kopf auf die Rückenlehne, schaute Travis an und schnaubte einmal, wie um zu sagen, daß sie ihn nicht täuschen könnten und daß er wisse, wer sie seien.

Zu Travis sagte Nora: »Bei deiner Antiterroristenausbildung ... hast du da von Lokalen wie dem >Hot Tips< und von Leuten wie Van Dyne gehört? Bekommen dort Terroristen neue Papiere, wenn sie sich ins Land einschleichen?«

»Ja, manche gehen zu Leuten wie Van Dyne, wenn auch nicht immer. Die Sowjets liefern die Papiere für die meisten Terroristen. Van Dyne versorgt vorwiegend simple illegale Einwanderer, wenn auch nicht die armen unter ihnen, und kriminelle Typen, gegen die Haftbefehle erlassen sind.«

Während er den Wagen anließ, meinte sie: »Aber wenn du Van Dyne finden konntest, dann können ihn vielleicht auch die Leute finden, die uns suchen.«

»Vielleicht. Eine Weile würde es wohl dauern, aber möglich wäre es.«

»Dann werden sie alles über unsere neue Identität erfahren.«

»Nein«, sagte Travis. Er schaltete das Gebläse und die Scheibenwischer ein, um die beschlagenen Scheiben klarzubekommen. »Van Dyne führt ganz bestimmt keine Aufzeichnungen. Er will nicht mit den Beweisen für das, was er tut, erwischt werden. Wenn die Behörden je auf ihn stoßen und mit einem Durchsuchungsbefehl bei ihm auftauchen, werden sie in seinen Computern außer der Buchhaltung und dem Wareneingang des >Hot Tips< nichts finden.«

Während sie in Richtung Golden-Gate-Brücke auf die Stadt zufuhren, starrte Nora fasziniert die Leute auf den Straßen und in den anderen Fahrzeugen an, nicht nur im Tenderloin, sondern in jedem Viertel, durch das sie kamen. Sie fragte sich. wie viele von ihnen wohl unter den Namen und Identitäten lebten, mit denen sie geboren worden waren, und wie viele Wechselbälger waren wie sie und Travis.

»In weniger als drei Stunden hat man uns völlig umgekrempelt«, sagte sie.

»Eine Mordswelt in der wir leben, was? Da weiß man erst, was High-tech heißt - maximale Fluktuation. Die ganze Welt wird immer beweglicher, fließender. Die meisten Finanztransaktionen werden heutzutage mit elektronischem Geld erledigt, das binnen Sekunden von New York nach Los Angeles - oder um die ganze Welt - flitzt. Das Geld überquert die Grenzen in einem Zeitraum, den man für ein Augenzwinkern braucht; man braucht es nicht länger an Wachen vorbeizuschmuggeln. Die meisten Aufzeichnungen werden in Form elektrischer Ladungen durchgeführt, die nur Computer lesen können. Also ist alles fließend: Identitäten sind etwas Fließendes und die Vergangenheit genauso.«

»Selbst die Genstruktur einer Gattung ist heutzutage etwas Fließendes«, meinte Nora.

Einstein wuffte zustimmend.

»Macht einem Angst, nicht wahr?« sagte Nora.

»Ein wenig«, sagte Travis, als sie sich der von Scheinwerfern angestrahlten südlichen Einfahrt der nebelumhüllten Gol-den-Gate-Brücke näherten, die im Dunst kaum zu sehen war. »Aber im wesentlichen hat diese maximale Fluktuation etwas Gutes. Gesellschaftliche und finanzielle Flüssigkeit garantieren die Freiheit. Ich glaube - und hoffe -, daß wir auf eine Zeit zugehen, wo die Rolle der Regierungen unvermeidbar immer bedeutungsloser wird und es keine Möglichkeit mehr gibt, Menschen so gründlich zu regulieren und kontrollieren, wie das in der Vergangenheit möglich war. Totalitäre Regierungen werden nicht an der Macht bleiben können.«

»Wieso?«

»Nun, wie kann eine Diktatur ihre Bürger in einer High-tech-Gcsellschaft von maximaler Fluktuabilität kontrollieren? Die einzige Möglichkeit dafür besteht doch darin, der Technik den Zutritt zu verwehren, die Grenzen abzudichten und voll und ganz in einer früheren Zeit zu leben. Aber das wäre für jedes Land, das das versuchte, nationaler Selbstmord. Ein solches Land könnte nicht mehr mit den anderen konkurrieren.

In wenigen Jahrzehnten wären sie moderne Eingeborene, primitiv nach den Maßstäben der zivilisierten High-tech-Welt. Im Augenblick beispielsweise versuchen die Sowjets den Einsatz von Computern auf die Verteidigungsindustrie zu beschränken, aber das kann nicht so bleiben. Sie werden ihre ganze Wirtschaft computerisieren und es den Menschen beibringen müssen, Computer zu benutzen - wie können sie aber dann die Schrauben angezogen lassen, wenn ihre Bürger doch über die Mittel verfügen, das System zu manipulieren?«

An der Einfahrt zur Brücke wurde kein Zoll eingehoben. Sie fuhren auf die Brücke, wo das Geschwindigkeitslimit wegen des Wetters drastisch herabgesetzt war.

Nora blickte an dem gespenstischen Skelett der Brücke empor, an dem das Kondenswasser glitzerte und das sich im Nebel verlor, und meinte: »Du scheinst zu glauben, daß in ein oder zwei Jahrzehnten die Welt ein Paradies sein wird.« »Kein Paradies«, sagte er. »Angenehmer, reicher, sicherer, glücklicher. Aber kein Paradies. Schließlich wird es immer noch die Probleme des menschlichen Herzens und all die potentiellen Krankheiten des menschlichen Geistes geben. Und die neue Welt wird uns mit Sicherheit nicht nur Segen, sondern auch einige neue Gefahren bringen.«

»Wie das Ding, das deinen Vermieter umgebracht hat«, sagte sie.

»Ja.«

Auf dem Rücksitz knurrte Einstein.

12

Am Donnerstagnachmittag, dem 26. August, fuhr Vince Nasco zum Haus von Johnny dem Draht Santini in San Clemente, um sich den Bericht über die vergangene Woche abzuholen. Dabei erfuhr er von der Ermordung Ted Hockneys in Santa Barbara. Der Zustand der Leiche, ganz besonders die fehlenden Augen, stellten die Verbindung zum Outsider her. Johnny hatte sich auch vergewissert, daß die NSA die Zuständigkeit für den Fall an sich gezogen hatte, was Vince überzeugte, daß eine Verbindung zu den Banodyne-Flüchtlingen bestand.

Noch am Abend besorgte er sich eine Zeitung und las bei einem Abendessen aus Enchiladas von Meeresfrüchten und einer Flasche Dos Equis in einem mexikanischen Restaurant den Bericht über Hockney und über den Mann, der Mieter des Hauses war, in dem der Mord geschah - Travis Cornell. Die Presse berichtete, Cornell, ein ehemaliger Immobilienmakler, der einmal bei der Delta Force gewesen sei, habe einen Pan-ther in seinem Hause gehalten, und die Raubkatze habe Hockney getötet. Vince wußte, daß die Geschichte mit der Raubkatze nur Tarnung war. Die Bullen sagten, sie wollten mit Cornell und einer unbekannten Frau sprechen, die in seiner Gesellschaft gesehen worden sei, hatten aber keine Anklage gegen die beiden erhoben.

In dem Bericht stand auch ein Satz über Cornells Hund: »Möglicherweise sind Cornell und die Frau mit einem Golden Retriever unterwegs.«

Wenn ich Cornell finde, dachte Vince, dann finde ich den Hund.

Dies war der erste entscheidende Fortschritt, den er machte, und er fühlte sich in seiner Überzeugung bestätigt, daß der Besitz des Retrievers Teil des ihm von der Vorsehung Bestimmten war.

Um das zu feiern, bestellte er Bier und weitere Enchiladas.

13

Travis, Nora und Einstein verbrachten die Nacht zum Freitag in einem Motel in Marin County, nördlich von San Francisco. Sie besorgten sich in einer Tankstelle eine Sechserpackung San Miguel und in einem Schnellimbiß gebratenes Huhn, Toast und Krautsalat und nahmen in ihrem Zimmer ein spätes Abendessen ein.

Einstein schmeckte das Huhn köstlich, und er zeigte auch beträchtliches Interesse an dem Bier.

Travis beschloß, eine halbe Flasche davon in die neue gelbe Plastikschüssel zu gießen, die sie auf ihrer Einkaufstour für den Retriever gekauft hatten. »Aber nicht mehr als eine halbe Flasche, egal, wie gut es dir schmeckt. Ich möchte, daß du nüchtern bleibst, um mir ein paar Fragen zu beantworten.«