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HASST MICH.

»Warum haßt er dich?«

WEISS NICHT.

Während Nora die Buchstaben zurücklegte, sagte Travis:

»Wird er weiter nach dir suchen?«

JA. IMMER.

»Aber wie kann er sich bewegen, ohne gesehen zu werden?«

NACHTS.

Nora blickte verwirrt und sagte: »Aber wie verfolgt er dich?«

FÜHLT MICH.

»Fühlt dich? Was meinst du damit?« fragte sie.

Der Retriever grübelte lange darüber nach und setzte ein paarmal vergebens zur Antwort an.

»Kannst du ihn auch fühlen?« fragte Travis.

MANCHMAL.

»Fühlst du ihn jetzt?«

JA. WEIT WEG.

»Sehr weit weg«, pflichtete Travis ihm bei. »Hunderte von Meilen. Kann er dich wirklich aus so großer Entfernung fühlen und aufspüren?«

WEITER.

»Ist er jetzt auch auf deiner Spur?«

KOMMT.

Der Hund zitterte jetzt am ganzen Leib.

Travis sah, daß Nora blaß geworden war. Er legte ihr die Hand aufs Knie und sagte: »Wir werden nicht bis ans Ende unserer Tage vor ihm fliehen. Verdammt will ich sein, wenn wir das tun. Wir werden einen Ort finden, an dem wir uns niederlassen und warten; einen Ort, an dem wir uns darauf vorbereiten können, uns zu wehren. Wo wir allein sind, um uns mit dem Outsider auseinanderzusetzen, wenn er kommt.«

Einstein wies zitternd mit der Nase auf weitere Buchstaben, und Travis legte die Steine aus.

ICH GEHE.

»Was meinst du?« fragte Travis und legte die Steine zurück. ICH GEFAHR.

Nora schlang die Arme um den Retriever und drückte ihn an sich. »So etwas darfst du nicht einmal denken. Du bist ein Teil von uns. Du gehörst zur Familie, verdammt. Wir alle sind eine Familie und werden das gemeinsam hinter uns bringen. Dafür sind Familien da.« Sie nahm den Kopf des Hundes in beide Hände, legte die Nase an die seine und blickte tief in seine Augen. »Wenn ich eines Morgens aufwache und feststelle, daß du uns verlassen hast, bricht mir das Herz.« Tränen schimmerten in ihren Augen, ihre Stimme zitterte. »Hast du mich verstanden. Pelzgesicht? Es wird mir das Herz brechen, wenn du uns verläßt.«

Der Hund entzog sich ihr und begann wieder Buchstaben auszuwählen.

ICH STERBEN.

„Du würdest sterben, wenn du uns verließest?« fragte Travis.

Der Hund wählte weitere Buchstaben aus und wartete, bis sie die Worte gelesen hatten, dann sah er sie beide ernst an, um sicher zu sein, daß sie verstanden hatten, was er meinte. ALLEIN STERBEN.

ZWEITER TEIL

Der Behüter

Allein die Liebe ist fähig, lebende Wesen so zu vereinen, daß sie vollkommen werden und erfüllt, denn sie allein ergreift und vereint sie durch das, was ihr Innerstes ist.

PIERRE TEILHARD DE CHARDIN

Niemand hat eine größere Liebe als die, daß er sein Leben gibt für seine Freunde.

EVANGELIUM NACH DEM HL. JOHANNES

ACHT 

1

An dem Donnerstag, an dem Nora in Dr. Weingolds Praxis fuhr, machten Travis und Einstein einen Spaziergang über die grasbedeckten Hügel und durch den Wald hinter dem Haus, das sie in Big Sur, einem der herrlichsten Abschnitte der kalifornischen Küste, gekauft hatten.

Auf den baumlosen Hügeln erwärmte die Herbstsonne die Steine und warf verstreut Schatten der Wolken. Die Brise, die vom Pazifik hereinwehte, ließ das trockene, goldgelbe Gras rascheln. Die Luft war mild, weder heiß noch kühl. Travis fühlte sich in Jeans und einem langärmeligen Hemd wohl.

Er trug eine Schrotflinte mit Pistolengriff, eine Mossberg vom Kaliber 12 mit kurzem Lauf. Er hatte die Waffe auf seinen Spaziergängen immer bei sich. Sollte ihm jemals jemand begegnen und danach fragen, hatte er vor zu sagen, er sei auf der Jagd nach Klapperschlangen.

Wo die Bäume dichter standen, erschien der helle Morgen wie später Nachmittag, und die Luft war so kühl, daß Travis sich glücklich schätzte, daß sein Hemd aus Flanell war. Mächtige Fichten, ein paar kleine Gruppen riesiger Redwoods und eine Vielzahl von Hartholzgewächsen filterten das Sonnenlicht und beließen den größten Teil des Waldbodens in ewigem Zwielicht. Das Unterholz war an manchen Stellen dicht; es bestand zum großen Teil aus dem niedrigen, undurchdringlichen Dickicht aus immergrünen Eichen, die man manchmal als >Chaparral< bezeichnet, und einer Menge Farnen, die an diesem beständig feuchten Küstenstrich und wegen des häufigen Nebels besonders gut gediehen.

Einstein schnupperte einige Male an Pumaspuren und bestand darauf, Travis die Fußstapfen der großen Katzen im feuchten Waldboden zu zeigen. Zum Glück wußte er genau, wie gefährlich es war. Berglöwen zu beschleichcn, und konnte seinen natürlichen Drang, hinter ihnen herzuspüren, unterdrücken.

Der Hund begnügte sich damit, die lokale Fauna zu beobachten. Man konnte häufig scheue Hirsche sehen, wie sie auf ihren Wechseln auf- oder abstiegen. Dann gab es auch eine Menge Waschbären, die zu beobachten großen Spaß machte. Obwohl einige von ihnen recht freundlich waren, wußte Einstein, daß sie unangenehm werden konnten, wenn man sie absichtlich aufschreckte; deshalb zog er es vor, respektvolle Distanz zu ihnen zu halten.

Bei anderen Spaziergängen hatte der Retriever betrübt feststellen müssen, daß die Eichhörnchen, denen er sich gefahrlos nähern konnte, sich vor ihm fürchteten. Sie erstarrten vor Schreck, glotzten ihn aus angsterfüllten Augen an, und ihre kleinen Herzen schlugen sichtbar.

WARUM EICHHÖRNCHEN ANGST? hatte er Travis eines Abends gefragt.

»Instinkt«, hatte Travis erklärt. »Du bist ein Hund, und sie wissen instinktiv, daß Hunde sie angreifen und töten.«

NICHT ICH.

»Nein, nicht du«, pflichtete Travis ihm bei und zerzauste ihm das Fell. »Du würdest ihnen nichts zuleide tun. Aber die Eichhörnchen wissen nicht, daß du anders bist. Für sie siehst du aus wie ein Hund und riechst wie ein Hund, also muß man dich auch fürchten wie einen Hund.«

ICH MAG EICHHÖRNCHEN.

»Ich weiß. Leider sind sie nicht schlau genug, das zu begreifen.«

Danach hielt Einstein Abstand von den Eichhörnchen und gab sich große Mühe, sie nicht zu erschrecken, trabte häufig mit abgewandtem Kopf an ihnen vorbei, als würde er sie nicht wahrnehmen.

An diesem ganz speziellen Tag war ihr Interesse an Eichhörnchen, Hirschen, Vögeln, Waschbären und ungewöhnlicher Waldflora minimal. Selbst der Anblick des Pazifiks interessierte sie nicht. Heute machten sie im Gegensatz zu anderen Tagen ihren Spaziergang nur, um sich die Zeit zu vertreiben und ihre Gedanken von Nora abzulenken.

Travis schaute wiederholt auf die Uhr und wählte einen Weg, der sie bis ein Uhr im Bogen zum Haus zurückbringen sollte, weil sie Nora um diese Zeit zurückerwarteten.

Es war der einundzwanzigste Oktober, acht Wochen, nachdem sie sich in San Francisco eine neue Identität beschafft hatten. Nach einigem Überlegen hatten sie beschlossen, nach Süden zu ziehen und damit die Distanz wesentlich zu verringern, die der Outsider zurücklegen mußte, um an Einstein heranzukommen. Sie würden ihr neues Leben so lange nicht weiterführen können, bis die Bestie sie fand und sie sie töteten; deshalb wollten sie die Konfrontation eher vorverlegen als hinausschieben.

Andererseits wollten sie nicht das Risiko eingehen, zu weit nach Süden in Richtung Santa Barbara zurückzukehren, weil der Outsider den Abstand zwischen ihnen diesmal vielleicht schneller überbrückte als im letzten Sommer den zwischen Orange County und Santa Barbara. Sie konnten nicht sicher sein, daß er weiterhin nur fünf oder sechs Kilometer pro Tag zurücklegte. Wenn er sich diesmal schneller fortbewegte, war er über ihnen, ehe sie auf ihn vorbereitet waren. Die Gegend um Big Sur war wegen der spärlichen Besiedlung und der dreihundert Kilometer Luftlinie bis Santa Barbara als ideal anzusehen. Wenn das Ding Einstein anpeilte und sich so langsam wie zuvor heranpirschte, würde es erst in etwa fünf Monaten eintreffen. Wenn es sein Tempo irgendwie verdoppelte, das offene Farmland und die gebirgige Wildnis, die zwischen hier und dort lagen, schnell durchquerte und dabei besiedelten Gegenden auswich, würde es sie trotzdem erst in der zweiten Novemberwoche erreichen.